Instrument zur Reduktion von Emissionen
Planungsmethode passt den Reduktionspfad von Treibhausgasemissionen laufend an neueste Messungen an.
Forscher der Universität Bern haben eine neue Methode entwickelt, um fortlaufend zu berechnen, welche Emissionsreduktionen nötig sind, um Temperaturziele wie das Zwei-Grad-Ziel in Etappen zu erreichen. Die Berechnungsart basiert ausschließlich auf gemessenen Daten anstatt auf Modellen und Szenarien. Die internationale Klimapolitik muss gemäß der Studie noch ehrgeiziger werden.
Das große Ziel des Pariser Klimaabkommens ist klar: Die menschengemachte globale Klimaerhitzung soll auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden. Diese Grenze verlangt eine Senkung der Treibhausgasemissionen auf netto Null. Doch wie sieht es mit den Zwischenetappen aus? Wie groß soll die Reduktion der Emissionen in den nächsten fünf, zehn, fünfzehn Jahren sein? Welcher Emissionspfad wird verfolgt? Bei diesen für die Umsetzung des Pariser Abkommens wichtigen Fragen gibt es keinen Konsens unter den Staaten.
Forscher der Universität Bern haben nun eine neue Methode entwickelt, um die nötige Emissionsreduktion kontinuierlich festzulegen. Der Grundgedanke: Statt komplexe Klimamodelle und Szenarien wird der beobachtete Zusammenhang zwischen Erwärmung und Emissionen verwendet, und der Reduktionspfad wird immer wieder an die neuesten Messungen angepasst.
Bisher setzte man Klimamodelle ein, um mögliche Pfade zum Netto-Null Ziel zu berechnen. Dabei stützte man sich auf Szenarien wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen. „Solche Berechnungen der Emissionspfade sind naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet. Das erschwert eine Entscheidungsfindung und mag mit ein Grund dafür sein, dass die Reduktionsversprechungen, welche die 194 Unterzeichnerstaaten des Pariser Abkommens im Jahr 2020 abgegeben haben, noch ungenügend sind“, erklärt Hauptautor Jens Terhaar die Hintergründe der Studie. Er ist wie die meisten übrigen Autoren Mitglied des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern.
„Eigentlich möchte man mit dem Klimaabkommen ja die Temperatur regeln, da fanden wir es sinnvoll, einen dazu optimalen Absenkpfad der Emissionen vorzugeben, der unabhängig ist von Modellvorhersagen“, so Terhaar weiter. Aus dieser Ausgangsidee ist eine Berechnungsart entstanden, die ausschließlich auf gemessenen Daten basiert: einerseits auf vergangenen globalen Oberflächentemperaturen, andererseits auf Statistiken der CO2-Emissionen.
Das Abkommen von Paris sieht alle fünf Jahre eine Überprüfung der nötigen Emissionsreduktion vor. „Für dieses Aufdatieren ist die neue Berner Berechnungsmethode bestens geeignet, denn die Reduktionen lassen sich damit fortlaufend, adaptiv berechnen“, erklärt Mitautor Fortunat Joos vom Oeschger-Zentrum. Dazu wurde ein neuer Algorithmus entwickelt, der sogenannte AERA (Adaptive Emissions Reduction Approach). Er setzt vereinfacht gesagt die CO2-Emissionen und die steigenden Temperaturen in Bezug und wird über einen Kontrollmechanismus angepasst. So lassen sich die bestehenden Unsicherheiten im Zusammenspiel dieser Größen auffangen.
„Unser adaptiver Ansatz schlägt den Unsicherheiten sozusagen ein Schnippchen“, führt Fortunat Joos aus. „Wie ein Thermostat fortlaufend die Heizung an die gewünschte Raumtemperatur anpasst, wird in unserem Algorithmus die Reduktion anhand der neusten Temperatur- und Emissionsdaten angepasst. Damit nähert man sich Schritt für Schritt und mit konkreten Zwischenzielen einem gewünschten Temperaturziel, zum Beispiel dem 2-Grad-Ziel, an.“
„Was die AERA-Methode bereits bestätigt: Die internationale Klimapolitik muss viel ehrgeiziger werden“, fordert Terhaar. Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, müsste gemäß der Berner Studie der globale CO2-Ausstoss zwischen 2020 und 2025 um sieben Prozent abnehmen. Tatsächlich aber hat er sich im Jahr 2021 gegenüber 2020 um etwa ein Prozent erhöht. Die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, würde nach dem Algorithmus sogar eine Reduktion um 27 Prozent bis 2025 verlangen. „Wir brauchen noch weit stärkere Emissionsziele als die, zu denen sich die Staaten verpflichtet haben“, erklärt Thomas Frölicher, Ko-Autor der Studie vom Oeschger-Zentrum, „und vor allem eine effektive Umsetzung der Ziele.“
Die Berner Forscher hoffen, dass die neue Berechnungsmethode ihren Weg in die internationale Klimapolitik finden wird. „Der AERA-Algorithmus stößt bereits auf reges Interesse in der Klimaforschungs-Community, da er auch in der Klimamodellierung angewendet werden kann“, sagt Jens Terhaar. Bislang wurden Klimamodelle mit vorgeschriebenen Treibhausgaskonzentrationen genutzt. Dies führte dazu, dass die Erwärmung am Ende des 21. Jahrhunderts für eine bestimmte Treibhausgaskonzentration sehr unsicher war.
Wenn man die Klimamodelle aber mit dem AERA nutzt, werden die Emissionen fortlaufend aufgrund der berechneten Temperatur und dem vorgesehenen Temperaturziel angepasst. So wird die Modelltemperatur schließlich auf dem vorgesehenen Niveau stabilisiert und alle Modelle simulieren die gleiche Erwärmung, aber unterschiedliche Emissionspfade. „So erlaubt es der AERA, Auswirkungen wie Hitzewellen oder Ozeanversauerung für verschiedene Temperaturziele – beispielsweise 1,5 Grad versus 2 Grad versus 3 Grad – konsistent mit den modernsten Modellen zu untersuchen“, so Terhaar. Bereits haben elf Forschungsgruppen weltweit damit begonnen, den Algorithmus unter Leitung der Universität Bern anzuwenden um solche Auswirkungen zu untersuchen.
U. Bern / DE