02.05.2011

Internationalisierung zuhause?

Entgegen dem Trend und der Notwendigkeit zu verstärkten Auslandsaufenthalten hat sich die Förderung durch den DAAD verschlechtert.

Auslandsaufenthalte gehören heute zum Studium wie das Salz in der Suppe. Dies entspricht nicht nur dem Geist der jetzigen Studierenden, sondern ist in einer globalen Wissenschaftsorganisation unabdingbar für eine konkurrenzfähige akademische Ausbildung.

Zur Vorbereitung solcher Aufenthalte und zum Erlernen interkultureller Kompetenz haben in den letzten Jahren immer mehr Universitäten Programme unter dem Schlagwort „Internationalisierung at home“ entwickelt. Diese Angebote sind ideale Türöffner für eine internationale Ausbildung, können jedoch Auslandserfahrungen nicht ersetzen und werden daher meist eher als „Zugabe“ zum Auslandsaufenthalt empfunden.

Prof. Dr. Cornelia Denz ist Direktorin des Instituts für Angewandte Physik und Pro­rektorin für Internationales und Wissenschaftlichen Nachwuchs der Westfälischen Wilhelms-­Universität Münster.


In der Physik gehen inzwischen bei vielen Fachbereichen über zehn Prozent der Studierenden mindestens ein Semester ins Ausland, und fast jeder Fachbereich wirbt mit attraktiven Angeboten an Partneruniversitäten im Ausland und einer Reihe von Förderinstrumenten – vom europäischen Programm ERASMUS über fachbereichseigene Partnerschaftsprogramme bis hin zu Unterstützung bei der Beantragung von Fördermitteln. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) galt hier bisher als erste Adresse.

Während sich im traditionellen Diplomstudium problemlos geeignete Zeiträume für Auslandsaufenthalte ergaben, hat sich dieser Zeitraum durch das Bachelor-Studium gewaltig verkleinert. Die Fachbereiche Physik reagierten darauf ganz unterschiedlich, beobachteten jedoch gleichermaßen, dass viele Studierende – ohnehin verunsichert durch das Bachelor-Studium – auf einen frühen Auslandsaufenthalt verzichteten. Diesen Studierenden oder denjenigen, die bereits im Ausland waren, ermöglichte der DAAD bis vor kurzem viele Auslandsoptionen wie Aufenthalte für Praktika und Abschlussarbeiten, aber auch Aufbaustudiengänge – eine ideale Unterstützung der Internationalisierung im Physik-Studium. 2010 erweiterte der DAAD sogar sein Portfolio: Das Programm PROMOS gab den Universitäten über existierende Programme hin­aus flexible Fördermöglichkeiten durch frei einsetzbare Mittel.

Doch bereits Anfang 2011 folgte ein trauriges Erwachen: Der DAAD stellte viele der früheren Programme mit sofortiger Wirkung ein und integrierte nahezu alle Formen der Kurzzeitmobilität in das „neue“ PROMOS-Programm. Zudem übertrug er die Organisation, Koordination und Vergabe der Stipendien komplett an die Universitäten. Was unter dem Deckmantel der Flexibilität beworben wird, bedeutet in Realität nicht nur eine Halbierung der zur Verfügung stehenden Fördermittel für Auslands­aufenthalte, sondern geht auch mit einem erheblichen Personal- und Verwaltungsaufwand der Univer­sitäten einher – nach den vom DAAD festgelegten Vergabericht­linien und Fördersätzen. Schlimmer noch wirkt ein weiterer einschneidender Aspekt: Während bei früheren Direktbewerbungen beim DAAD deutschlandweit je nach Land und Fach die besten Studierenden ausgewählt wurden, bewerben sich nun Studierende einer Universität um geringere Fördermittel verschiedener Programme in unterschiedlichen Ländern. Eine Vergleichbarkeit der Qualität der Bewerber geht hier ins Leere. So scheint der Trend verstärk­ter Auslandsangebote gebrochen.

Ein Beispiel unseres Fachbereichs Physik mag dies verdeutlichen: Studierende, die z. B. in Kanada, Australien oder Indien einen Kurzaufenthalt für eine Abschlussarbeit, ein Praktikum oder eine Promotion beantragen möchten, bewerben sich nun alle unabhängig von Land, Ziel, Aufenthaltsdauer und eigenem Studien­stand um denselben Pool, der für einen relativ kleinen Fachbereich stark beschränkt ist, da die Universität die Mittel nach Studierendenzahl verteilt. Bei Berücksichtigung der Programmpauschalen bleiben uns nur ein bis zwei Aufenthalte pro Jahr. Dies sind nur ca. 20 Prozent der bisher bei Direktförderung des DAAD möglichen Aufenthalte und damit viel zu wenig für einen Fachbereich mit aktiven und international ausgerichteten Studierenden.

Viele Universitäten sind daher nicht nur konsterniert über die schlechtere Auslandsförderung entgegen der allgegenwärtigen Internationalisierung, sondern kritisieren, dass nun kein gerechtes Förderverfahren möglich ist. Wenn wir also nicht zurück zu einer rein nationalen Ausbildung wollen, wenn wir allen Studierenden Chancen auf Auslandsaufenthalte ermöglichen wollen, ist dringend Umkehr geboten. Es geht nicht um eine Forderung nach mehr oder nach Aufhebung von Auswahlverfahren der Besten, sondern um ein Minimum an Förderung, um unsere Studierenden mit der bestmöglichen Ausbildung in einer globalen Wissensgemeinschaft zu versorgen. Ansonsten bleibt nur noch „Internationalisierung at home“. Wollen wir dies wirklich?

Cornelia Denz

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