Invertzucker – Allroundsirup und Universalsüße
Invertzucker besitzt nicht nur eine interessante optische Aktivität, sondern macht auch Eis angenehm cremig.
Mit übersättigten Zuckerlösungen lässt sich rasch und effektiv süßen. Der Zucker ist bereits gelöst und eine leichte und rasche Verteilung der Süße gewährleistet. Allerdings kristallisiert Haushaltszucker (Saccharose) nach einiger Zeit wieder aus, bis die verbleibende Lösung nicht mehr übersättigt ist. Dieser störende Effekt kann vermieden werden, denn Saccharose hat einen Kristallisationsverhinderer mit im Gepäck.
Für das Experiment erhitzen wir 500 g Zucker in 400 ml Wasser und geben 1g Säure dazu, beispielsweise kristalline Zitronensäure, Ascorbinsäure, Weinsäure oder einfach den Saft einer Zitrone. Dann kochen wir die Zuckerlösung mindestens so lange bis sich der Zucker löst. Bei etwa 60 °C spaltet sich der Zweifachzucker Saccharose in die Einfachzucker Glukose und Fruktose. Übersättigte Lösungen aus gleichen Anteilen an Glukose und Fruktose können kaum noch kristallisieren, da die beiden Moleküle nicht mehr in ein regelmäßiges Kristallgitter passen. Ein weiterer Vorteil der Hydrolyse der Saccharose ist die Bildung einer weiteren Hydroxyl-Gruppe (OH) an jedem der beiden Monosaccharide. Dadurch kann mehr Wasser als Hydrathülle gebunden werden. Invertzucker dient daher auch als süßes Feuchthaltemittel. Die Süßkraft des Invertzuckers liegt sogar um den Faktor 1,2 über der des Haushaltszuckers.
Abb. Die Hydrolyse der Saccharose in Glucose und Fructose. Wasserbindende OH-Gruppen sind hellblau gekennzeichnet (Grafik: Vilgis)
Der Begriff Invertzucker lässt sich auf die optische Aktivität der Zuckermoleküle beim Durchstrahlen mit polarisiertem Licht zurückführen. Durchleuchtet man Saccharose und Invertzucker mit polarisiertem Licht, so muss der zweite Filter von rechts- nach linksdrehend (invertiert) werden, damit das Licht ihn passieren kann. Saccharose weist einen Polarisationswinkel von +66,5° (rechtsdrehend) auf, Glukose von +52,7° und Fruktose von -92°. Somit hat die Invertzuckerlösung einen Polarisationswinkel von etwa -39° (linksdrehend).
Invertzuckersirup ist eine gute Grundlage für lang haltende Sirups. Aufgrund der hohen Wasserbindung, und der damit verbundenen niedrigen Wasseraktivität, können Keime und Bakterien kaum wachsen. Werden daher zum Beispiel die Aromen der in diesen Tagen reifenden Holunderblüten in der heißen Invertzuckerlösung extrahiert, so ergibt dies einen duftenden und haltbaren Sirup.
Die hohe Wasserbindung bewirkt zudem ein vermindertes Auskristallisieren der Zuckerlösung in der Speiseeis-Zubereitung. Werden Eiscremes mit Invertzucker statt Saccharose gesüßt, bleiben beim Gefrieren die Kristalle kleiner, das gefrorene Eis wirkt cremiger. Doch das wäre schon eine neue Geschichte.
Thomas Vilgis
Dieser Artikel ist in der Reihe "Molgastronomie" der jüngsten Ausgabe von Physik in unserer Zeit erschienen.