Ionen kalt gemacht – eins nach dem anderen
Mit einer einzelnen Laserquelle bringen Quest-Physiker Magnesium-Ionen zum Stillstand und sind damit schon nah dran an der Quantenlogikspektroskopie.
Quantenlogik ist ein ziemlich neues und sehr faszinierendes Gebiet der Physik. Sie könnte zum Bau eines Quantencomputers führen und bei der Suche nach der „Theorie von allem“ helfen, dem fehlenden Bindeglied zwischen der klassischen und der Quantenphysik. Eine der grundlegenden Fragen dabei ist, ob sich fundamentale Konstanten möglicherweise verändern. Um das etwa bei der Feinstrukturkonstante nachzuweisen, muss man Spektrallinien von Atomen – und damit deren innere Struktur – feiner messen können als bisher. Eine solche Methode bietet die Quantenlogikspektroskopie. Physiker des Quest-Instituts in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und der Leibniz-Universität-Hannover sind diesem Ziel einen wichtigen Schritt nähergekommen: Statt aufwendiger Laseranordnungen brauchen sie nur noch eine einzige Laserquelle, um ein einzelnes Magnesium-Ion zum völligen Stillstand zu bringen und dann mit seiner Hilfe die Eigenschaften eines anderen Ions zu ermitteln.
Abb.: Erstautor Börge Hemmerling bei der Justage des Magnesium-Lasersystems
(Bild: PTB)
Die neuen Forschungsergebnisse sind ein weiterer Schritt auf dem Weg, einen wissenschaftlichen Disput zu beenden. Dabei geht es um die Frage, wer bessere Messergebnisse hat, um astronomische Messdaten mit Laborreferenzen zu vergleichen. Bei den astronomischen Untersuchungen analysiert man Licht, das von Quasaren ausgeht und auf dem Weg zur Erde alle möglichen Elemente, etwa in kosmischen Stäuben, durchquert hat. Die einzelnen Bestandteile lassen sich über die Spektrallinien des Quasar-Lichtes identifizieren. Unterscheiden sich diese Spektren von jenen, die Forscher bei denselben Elementen im Labor ermittelt haben, dann ist dies ein mögliches Indiz für eine Änderung der Feinstrukturkonstante. Bei diesen Referenzvergleichen gibt es widersprüchliche Ergebnisse, für deren Aufklärung man verschiedene systematische Aspekte untersuchen muss. Einer der grundlegenden Aspekte hierbei ist der Genauigkeitsgrad der bekannten Laborspektren.
Der komplexe Aufbau der Atome und Ionen, die ihre charakteristischen Linien im Quasar-Licht hinterlassen, macht sie üblichen Spektroskopieverfahren schwer zugänglich. Die Wissenschaftler von Quest, dem Centre for Quantum Engineering and Space-Time Research, haben einen geschickten Ausweg ersonnen, um etwa Eisen- oder Titan-Ionen, die sich nur schwer direkt messen lassen, auf die Schliche zu kommen. Diese lassen sich nämlich mit anderen, gleich geladenen Ionen koppeln – und zwar über die gegenseitige Abstoßung der geladenen Teilchen. Zusammen bilden die beiden Partner ein quantenmechanisches System, bei dem man den einen Partner manipulieren und messen kann und etwas über den anderen Partner erfährt. Der erste Partner, das sogenannte Logik-Ion, ist in diesem Falle Magnesium. Es dient gewissermaßen als „Sensor“ für das eigentlich interessierende Spektroskopie-Ion, das Eisen, Titan oder auch Kalzium sein kann. Dazu muss zuerst das Magnesium-Ion mit Laserlicht gekühlt werden, wobei ihm so viel Energie entzogen wird, dass schließlich gar keine Bewegung mehr stattfindet. Dann können die Forscher im Spektroskopie-Ion gezielt atomare Übergänge anregen, also quasi Elektronen zum Sprung auf ein anderes Energieniveau bewegen. Dabei entsteht ein Rückstoß, der beide Ionen in Bewegung versetzt und sehr empfindlich auf dem Logik-Ion nachgewiesen werden kann.
Der erste Schritt der Laserkühlung ist jetzt sehr viel einfacher geworden. Üblicherweise werden für die Kühlung komplizierte Systeme mit mehreren Laserquellen eingesetzt, die große optische Tische füllen. Die Wissenschaftlergruppe hat ein neuartiges und vergleichsweise kompaktes Lasersystem entwickelt, das mit einer einzigen Quelle auskommt. Dafür wird Licht aus einem Faserlaser mithilfe von nichtlinearen Kristallen bis zu einer Wellenlänge von 280 nm frequenzvervielfacht. Ein elektro-optischer Modulator erzeugt ein Seitenband auf dem Licht, das resonant mit einem Übergang im Magnesium-Ion ist und zur Zustandspräparation und Laserkühlung der Ionen verwendet wird. „Mit diesem Aufbau ist es uns gelungen, ein einzelnes Magnesium-Ion in der Paul-Falle in den Grundzustand einer Schwingungsmode zu kühlen“, erläutert Piet Schmidt, der Leiter des Quest-Instituts in der PTB. „Im nächsten Schritt soll das Kühlschema für einen Ionenkristall aus einem Magnesium-Ion und einem Calcium-Ion erprobt und dann in einem weiteren Schritt ein Frequenzkamm als Spektroskopie-Laser genutzt werden.“
Gelingt dies, dann könnte die Präzisionsmessung von Elementen wie Titan oder Eisen inklusive ihrer Isotopenverschiebungen im Labor greifbarer werden. Das wäre ein weiterer Beitrag zur Klärung der Frage, ob sich die Feinstrukturkonstante möglicherweise ändert.
PTB / OD