28.03.2012

Ionenkristalle und Zufallsmatrizen

Die höchsten Preise der DPG wurden in Berlin verliehen. Rainer Blatt erhält als erster österreichischer Physiker die Stern-Gerlach-Medaille.

Zu den Höhepunkten der DPG-Jahrestagung gehört die Verleihung der höchsten Preise für experimentelle und theoretische Physik, die Stern-Gerlach- und Max-Planck-Medaille, die in diesem Jahr an Rainer Blatt von der Universität Innsbruck bzw. Martin Zirnbauer von der Universität zu Köln gehen. In Anwesenheit von Bundesforschungsministerin Annette Schavan überreichte DPG-Präsident Wolfgang Sandner diese beiden renommierten Preise am 27. März in Berlin. Schavan dankte in ihrer Ansprache dem scheidenden DPG-Präsidenten für die "überaus gute Zusammenarbeit, für Ihren hohen Einsatz für die physikalische Forschung und für die Stärkung der europäischen Sichtbarkeit der DPG." Sie betonte, dass Forschungsförderung den Respekt vor der Souveränität der Wissenschaft brauche und dass ein klares Plädoyer für den Wert der Grundlagenforschung „als eine der wesentlichen Säulen der Zukunftssicherung einer Gesellschaft“ notwendig sei.

Rainer Blatt, der erste österreichische Träger der Stern-Gerlach-Medaille, betreibt sicherlich in vielerlei Hinsicht Grundlagenforschung, aber mit Aussicht auf faszinierende Anwendungen. Der 59-jährige Experimentalphysiker wird für seine Arbeiten auf den Gebieten der Metrologie und Quanteninformationsverarbeitung mit elektromagnetisch gespeicherten Ionenkristallen ausgezeichnet.

Rainer Blatt studierte an der Universität Mainz und promovierte dort bei Günter Werth. Nach Forschungsaufenthalten in Boulder, USA, bei John L. Hall und Berlin arbeitete er bei Peter Toschek als Assistent in Hamburg. 1994 wurde er auf eine Professur in Göttingen berufen und ist seit 1995 am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck. Seit 2003 leitet er als einer der wissenschaftlichen Direktoren das neu gegründete Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Blatt gelang es unter anderem, grundlegende Bausteine und Algorithmen eines Quantenprozessors zu demonstrieren und insbesondere das erste Quantenbyte zu realisieren. Davon dürfte die Entwicklung eines Quantencomputers profitieren, der dank der spezifischen Eigenschaften der Quantenmechanik Algorithmen ausführen kann, die in der klassischen Informationsverarbeitung nicht möglich sind. In Aufsehen erregenden Experimenten konnte Rainer Blatt zeigen, dass „lineare Kristalle“ aus gefangenen Ionen eine einzigartige experimentelle Plattform bieten, um Quantenbits erzeugen, verarbeiten und lesen zu können. Rainer Blatt und seiner Gruppe gelang es, verschränkte Zustände zu erzeugen und für Quanten-Algorithmen zu nutzen. Beginnend mit 2 Ionen, über 8 Ionen in einem Quantenbyte im Jahr 2008, liegt der aktuelle Rekord nun bei 14 verschränkten Ionen. Solche Ionenkristalle eignen sich als Quantensimulator, mit dem sich komplexe Vielteilchen-Quantensysteme nachahmen und besser verstehen lassen.

Die diesjährigen Träger der höchsten DPG-Preise präsentieren sich auf der Jahrestagung in Berlin: Rainer Blatt (Stern-Gerlach-Medaille, Mitte) und Martin Zirnbauer (Max-Planck-Medaille, 2. von rechts), zusammen mit Bundesforschungsministerin Annette Schavan, DPG-Präsident Wolfgang Sandner (rechts) und dem örtlichen Tagungsleiter Eckehard Schöll (Foto: DPG / Jan Röhl)

Der mathematische Physiker Martin Zirnbauer (53) von der Universität zu Köln erhält die Max-Planck-Medaille 2012 für seine bedeutenden Beiträge zur Verknüpfung von Supersymmetrie und Zufallsmatrizen sowie zu anderen Gebieten der mathematischen Physik. Seine Erkenntnisse finden Anwendung in Kernen, ungeordneten mesoskopischen Systemen und chaotischen Quantensystemen.

Martin Zirnbauer studierte Physik an der Technischen Universität München und der University of Oxford. Dort schrieb er unter Anleitung von David Brink seine Dissertation über ein Thema aus der Kernphysik und wurde mit 24 Jahren promoviert. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPI für Kernphysik in Heidelberg (1982 – 1984) wandte er sich mit Jac Verbaarschot und Hans Weidenmüller der Kompoundkernstreuung in der Kernphysik und ihrer Darstellung durch Zufallsmatrizen zu. Die Autoren erkannten, dass es sich dabei um ein generisches Problem der chaotischen Streutheorie handelt. Eine grundlegende Frage betraf die Berechnung des Mittelwertes des Produktes zweier chaotischer Streuamplituden. Dieses Problem konnte durch die Weiterentwicklung einer wenige Jahre zuvor in der Festkörperphysik von Efetov und Larkin eingeführten Methode gelöst werden. Das neu entwickelte Verfahren und das Ergebnis haben seither theoretische Entwicklungen in der Theorie der Zufallsmatrizen und in der mesoskopischen Physik stark beeinflusst. Auch Zirnbauers weiterer wissenschaftlicher Weg ist davon geprägt worden.

Doch zuvor widmete er sich am California Institute of Technology (1984 – 1987) der Theorie des doppelten Betazerfalls in der Kernphysik. 1987 folgte er einem Ruf auf eine Professur an der Universität zu Köln, seit 1995 ist er dort Ordinarius. Seither hat sich Zirnbauer der mathematischen Physik mesoskopischer Systeme zugewandt. Seine Arbeiten über den Zusammenhang zwischen nichtlinearen supersymmetrischen Sigmamodellen, Riemannschen symmetrischen Superräumen und Zufallsmatrizen sind auf breites Interesse gestoßen.

DPG / Alexander Pawlak

Rainer Blatt. über Quantencomputer und Quanteninformation:

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