Is there anybody out there?
In einem astrophysikalischen Großprojekt untersuchen 90 Forscher die Voraussetzungen für Leben auf anderen Planeten.
Welche physikalischen Bedingungen müssen im Umkreis von jungen Sternen und Planeten herrschen, damit dort Leben entstehen kann? Wie wirken Sterne, Sternwinde, Gas- und Staubscheiben, Magnetfelder und Planetenatmosphären zusammen, um die essenziellen Moleküle und Wasser zu bilden und auf die Planeten zu bringen? Welches sind die frühesten Phasen, in denen man in der Sternumgebung schon lebensfreundliche oder lebenserhaltende – sogenannte habitable – Zonen finden kann, und wie verändern sich diese im Laufe der Zeit?
Abb.: Welche Bedingungen müssen im Umkreis von jungen Sternen herrschen, damit dort Leben entstehen kann? (Artist's Impression) (Bild: Nasa / Jenny Mottar)
Zu diesen Fragen hat der österreichische Wissenschaftsfonds (FWF) einer Forschergruppe der Universitäten Wien und Graz sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften das Nationale Forschungsnetzwerk (NFN) „Pathways to Habitability: From Disks to Stars, Planets to Life“ zugesprochen. Das mit rund 600.000 Euro pro Jahr dotierte astrophysikalische Großprojekt wird von Manuel Güdel, Leiter des Instituts für Astronomie der Universität Wien koordiniert und läuft bis zu acht Jahre.
Die richtige Dosis Sternlicht im richtigen Abstand vom Stern und eine halbwegs akzeptable Planetenatmosphäre um einen festen Planeten reichen für eine habitable Umgebung noch nicht aus. „Der Raum zwischen dem Stern und den Planeten ist nicht leer. Sternwinde, stark veränderliche Ultraviolett- und Röntgenstrahlung sowie Magnetfelder des Sterns und des Planeten wirken in noch wenig erforschter und hochkomplexer Weise zusammen, kontrollieren die Struktur und Chemie der Planetenatmosphäre und ihre Evolution. Passt alles, kann eine lebensfreundliche Umgebung entstehen – sonst nicht“, sagt Güdel.
Im Projekt wird das gesamte physikalisch-chemische, gekoppelte System mit zum Teil völlig neuen Methoden erstmals erforscht: So müssen die richtigen physikalischen Voraussetzungen bereits in ganz frühen Phasen der Planetenentstehung gegeben sein, sonst fehlen wichtige Moleküle wie etwa Wasser. Nötig sind die Hochenergiestrahlung des Sterns, beschleunigte Teilchen und der in ein Magnetfeld eingebettete Sternwind. Alle drei wirken ständig auf das Magnetfeld und die Hochatmosphäre des Planeten ein und können dort – unter ungünstigsten Bedingungen – die ganze Planetenatmosphäre zerstören. Selbst der Aufbau eines Sonnensystems ist für die Existenz habitabler Planeten maßgeblich. Die starken Veränderungen des Sterns im Laufe der Zeit stellen weitere Herausforderungen an die Habitabilität dar. Andererseits scheint Leben sehr innovativ und anpassungsfähig zu sein – auf der Erde kommt es in der Tiefsee, in der Arktis oder sogar in kochend heißem Wasser vor.
Das Forschungsteam interessiert sich besonders dafür, wie sich Habitabilität in den frühesten, widrigen Zeiten des Sonnensystems entwickelt hat, als die Sonne tausend Mal kräftigere Röntgenstrahlung und dutzende Male stärkere Ultraviolettstrahlung als heute aussandte. Damals wehten viel mächtigere Sonnenwinde, und die Erdatmosphäre war völlig anders zusammengesetzt. Aber auch extreme Bedingungen in extrasolaren Planetensystemen, etwa auf Planeten in sehr kleiner Entfernung vom zentralen Stern, werden untersucht.
Heute sind über 700 extrasolare Planeten bekannt, die unter mannigfachen Bedingungen ihre Bahn um andere Sterne ziehen. Dabei hat sich in letzter Zeit gezeigt, dass Planeten sich gerade auch in Doppel- oder Mehrfachsternsystemen bilden – die häufigste Konfiguration, in der Sterne im Universum vorkommen. Gibt es in solchen Sternsystemen auch stabile, habitable Planeten?
Das NFN stützt sich auf bereits bestehende Expertise an verschiedenen österreichischen Institutionen und Forschungsresultaten, die dort erbracht worden sind. Das Projekt wird von sechs weiteren Teilprojektleitern mitgetragen: Elke Pilat-Lohinger, Rudolf Dvorak und Ernst Dorfi vom Institut für Astronomie, Helmut Lammer und Maxim Khodachenko vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz sowie Arnold Hanslmeier vom Institut für Geophysik, Astrophysik und Meteorologie der Universität Graz. Mithilfe eines dichten internationalen Netzwerks von Kooperationspartnern wird das österreichische Habitabilitätsprojekt neue Wege beschreiten.
U. Wien / AD / PH