26.07.2012

Jäger der verlorenen Isotope

Zwei deutsche Physiker sind die erfolgreichsten Entdecker von Atomkernen.

Die beiden GSI-Forscher Gottfried Münzenberg und Hans Geissel haben die meisten Atomkerne entdeckt. Mit insgesamt 218 Atomkernen hält Münzenberg, Professor an der Universität Mainz, den Weltrekord. Auf Platz zwei folgt Geissel, Professor an der Universität Gießen, mit 210 Atomkernen. Dies hat Michael Thoennessen von der Michigan State University in den USA ermittelt. Er beschäftigt sich mit der Entdeckungsgeschichte von Atomkernen und veröffentlichte die Zahlen in der Fachzeitschrift Nature.

Jedes der bislang bekannten 114 chemischen Elemente besitzt verschiedene Isotope, die sich durch die Zahl der Neutronen im Kern und damit ihre Masse unterscheiden. Die Entdeckung eines neuen Atomkerns entspricht somit der Entdeckung eines neuen Isotops. Bislang haben Forscher weltweit über 3000 Isotope gefunden, im Jahr 2011 waren es rund 100. Wie groß die „nukleare Landkarte“ ist, haben kürzlich Physiker aus den USA, Finnland und Polen mit Hilfe von nuklearen Dichtefunktional-Rechnungen auf Höchstleistungscomputern abgeschätzt. Demnach beträgt die Zahl der gebundenen Nuklide mit 2 bis 120 Protonen etwa 7000, so dass es noch genug für Isotopen-Jäger zu entdecken gibt. Hier wird in den nächsten Jahren das Beschleunigerzentrum Fair (Facility for Antiproton and Ion Research) bei GSI eine wichtige Rolle spielen.

Mit dem Fragmentseparator (links) am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung hat Weltrekordhalter Gottfried Münzenberg zahlreiche neue Atomkerne entdeckt. (Fotos: GSI; G. Otto/GSI)

Besonders interessant sind sehr schwere oder sehr leichte Isotope eines Elements, da sie eine wichtige Rolle für das Verständnis der Elementerzeugung in Sternen und Sternexplosionen spielen. Aufgrund ihrer Kurzlebigkeit kommen sie jedoch auf der Erde nicht vor. Wissenschaftler wie Münzenberg und Geissel versuchen deshalb, sie im Labor durch Teilchenkollisionen künstlich zu erzeugen. Bei diesen Kolissionen entstehen die neuen Isotope als Fragmente, die sich Separatoren an der GSI-Beschleunigeranlage separieren und analysieren lassen.

„Angefangen mit der Erzeugung von Isotopen haben wir 1977. Als wir die ersten neuen Kerne an ihrem Zerfall erkannten, waren wir unglaublich aufgeregt“, berichtet Münzenberg, der mittlerweile im Ruhestand ist. „ Wir wollen wissen, wo die Grenzen der Nuklidlandschaft sind. Wo kann Materie noch existieren? Und was für eine Form haben die Kerne? Wir wollen viele dieser exotischen Kerne finden, um die Landschaft zu entdecken, und dann die interessanten untersuchen.“

Auf dem dritten Platz liegt der Wegbereiter der Kernmassenmessung, Francis William Aston aus Cambridge, der für seine Isotopen-Entdeckungen bereits 1922 den Nobelpreis für Chemie erhielt. Er identifizierte Anfang des 20. Jahrhunderts viele der natürlich vorkommenden Isotope, insgesamt 207. Weitere GSI-Wissenschaftler sind ihm dicht auf den Fersen, beispielsweise Peter Armbruster auf dem vierten Platz. Nobelpreisträger Glenn Seaborg, der Entdecker des Plutoniums, kommt mit 94 Isotopen nur auf Platz 24.

Thoennessen hat gemeinsam mit seinen Studenten von allen Isotopen die Entdecker nach Person und nach Labor anhand von wissenschaftlichen Veröffentlichungen zusammengetragen. Als anerkannt galt das Isotop für ihn, wenn seine Masse und seine Ladung gemessen und publiziert wurden. Das Lawrence Berkeley National Laboratory in Berkeley, USA, führt mit 635 entdeckten Isotopen als Labor die Statistik an. Doch auch hier ist GSI bereits auf Platz zwei mit 372 Isotopen.

Von seinem Weltrekord war Münzenberg angenehm überrascht. Zwar habe er gewusst, dass er einen großen Beitrag geleistet hätte. Doch er hätte selbst nicht sagen können, wie viele es tatsächlich waren.

GSI / Alexander Pawlak

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