Jäger des verkürzten Pulses
Pulse aus photonischen Kristallfasern lassen sich bis auf eine einzige Schwingung der Lichtwelle komprimieren.
„Wir sind auf der Jagd nach immer kürzeren Pulsen“, sagt Günter Steinmeyer vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI). Das Licht räumlich auf einen winzigen Punkt zu fokussieren, ist für die Laserphysiker kein Problem: Da der Kern der photonischen Kristallfaser, in der das Licht erzeugt wird, einen Durchmesser von nur zwei bis drei Mikrometern haben kann, ist das Licht räumlich schon von vornherein kohärent. Tritt es dann kegelförmig aus der Faser aus, lässt es sich mit einer Linse wieder fokussieren.
Abb.: Der extrem starke Laserstrahl in einer mit Argon gefüllten Glaszelle schreibt sich die Linse in das Medium ein und fokussiert sich damit selbst. (Bild: MBI / WIAS)
„Als vor etwa 13 Jahren die ersten photonischen Kristallfasern aufkamen, dachten wir Laserphysiker, nun ist der Durchbruch geschafft und wir bekommen auch die reproduzierbare zeitliche Konzentration zu extrem kurzen Pulsen“, erinnert sich Steinmeyer. Wenn man einen kurzen Puls erzeugen will, braucht man ein breites Spektrum, d.h. vielfarbiges Licht – im Gegensatz zu herkömmlichen Lasern, die sich häufig durch nahezu einfarbiges Licht auszeichnen. Die Lichtschwingungen bei verschiedenen Frequenzen müssen dabei eine feste Phasenbeziehung besitzen, damit ihre Überlagerung zu einem kurzen Puls führt. Je breiter das Spektrum ist, desto kürzer der mögliche Puls. Hier kommt die Mathematik ins Spiel: den Übergang zwischen diesen beiden Konzepten – breites Spektrum und kurzer Puls – beschreibt eine Fourier-Transformation. Das benötigte Licht mit breitem Spektrum konnten die Forscher nun in einer Faser erzeugen: Sie schickten einen relativ schmalbandigen Puls in die Faser hinein, und was herauskam, war ein wunderschöner Regenbogen – also das gewünschte Licht mit einem breiten Spektrum. „Wir dachten damals: Nun müssen wir die Phasen nur noch ausgleichen, und schon haben wir den kurzen Puls“, berichtet Steinmeyer. Dies stellte sich jedoch als nicht machbar heraus. Bislang ist es nicht gelungen, den Puls kürzer zu machen, als er schon direkt in Lasern erzeugt werden kann.
In ihrem aktuellen Projekt haben die Wissenschaftler nun eine neue Methode entwickelt, um dieses grundsätzliche Problem zu umgehen. Sie schicken nicht einen, sondern zwei Lichtimpulse verschiedener Wellenlängen in eine optische Faser. Hierbei muss man die Wellenlängen so wählen, dass sie mit nahezu gleicher Geschwindigkeit durch die Faser laufen. Ähnlich einem Surfer, der eine Welle abpasst, kann der eine Impuls dann mit dem anderen eine langlebige Bindung eingehen. Warum sie das tun? „Es gibt zwei verschiedene Arten von Pulsen, also Wellenpaketen, die zwar ähnliche Geschwindigkeiten, aber ziemlich gegensätzliche Eigenschaften haben“, erklärt Shalva Amiranashvili vom Weierstraß-Institut. „Der schwächere der beiden Pulse in der Faser verhält sich wie erwartet, er wird während der Ausbreitung zeitlich länger, wir nennen das eine dispersive Welle. Der stärkere Puls hingegen ist formstabil und behält seine Pulsdauer bei, wir sprechen von einem Soliton.“ Beobachtet wurden diese zwei Arten von Wellenpaketen schon vor mehr als hundert Jahren im Wasser. Normalerweise nehmen wir nur Wasserwellen wahr, die immer breiter werden und allmählich zerlaufen – das sind die dispersiven Wellen. Durch abruptes Stoppen eines Schiffes in einem engen flachen Kanal lässt sich jedoch eine formstabile Welle anregen, die kilometerweit mit konstanter Amplitude und Geschwindigkeit weiterläuft.
Genau solche formstabilen Wellen kommen auch bei der Lichtausbreitung vor, wenn man die nichtlineare Wechselwirkung zwischen Licht und Materie ausnutzt. Die beiden Wellen – das Soliton und die dispersive Welle – wechselwirken dann miteinander. Das füllt die spektrale Lücke zwischen beiden Pulsen schnell mit kohärent erzeugten neuen Spektralkomponenten aus. Simulationsrechnungen haben gezeigt, dass dieses Superkontinuum – ein spektrales Kontinuum, das das ganze Spektrum ohne Lücken abdeckt – direkt ohne weitere Kompressionsmaßnahmen die Erzeugung von reproduzierbaren Pulsen mit zwei optischen Zyklen Dauer ermöglicht. Wenn es gelingt, alle Farben des Pulses zeitlich übereinander zu schieben, sollte sogar die Erzeugung eines Ein-Zyklen-Pulses möglich sein, ein Puls, in dem die Lichtwelle nur eine Schwingung aufweist.
Bei ihren Simulationen zu Lasern in Fasern und Filamenten haben die Mathematiker noch einen ganz anderen Effekt festgestellt. Bei den erzeugten Lichtwellen treten viel öfter als erwartet vergleichsweise riesige Wellen auf. „Die meisten Physikstudenten haben den Eindruck, dass fast alle statistischen Prozesse in der Natur durch eine Gaußverteilung beschrieben werden können. Damit dürften riesige Wellen nur extrem selten auftreten“, erläutert Amiranashvili. „Doch mittlerweile wissen wir, dass das nicht stimmt.“ Und diese Riesenwellen entstehen nicht nur im Laserlabor, sondern auch auf den Weltmeeren als gefürchtete Monsterwellen. Die mathematischen Modelle, mit denen man das Auftreten simuliert, basieren auf denselben Gleichungen. Für das Forschungsteam sind die Faser und Filamente wie ein kleines Testsystem für solche Riesenwellen. Jetzt überlegen die Wissenschaftler, ihre Simulationen auch im Labor zu messen.
MBI / WIAS / OD