13.06.2018

Janustropfen als Transporter

Neue Methode zur Erzeugung sich selbst antreibender Tröpfchen.

Mithilfe winziger Transporter könnten in Zukunft Arznei­stoffe oder andere Moleküle in den mensch­lichen Körper geschleust werden. Dass hierfür auch kleine Emulsions­tröpfchen in Frage kommen, haben Forscher der Univer­sität des Saar­landes und der Univer­sität Barcelona anhand eines Modell­systems gezeigt: Sie haben eine Methode zur Erzeugung selbst­angetriebener flüssiger Tröpfchen entwickelt, die in der Lage sind, räumlich und zeitlich kontrol­lierte Lieferungen einer Molekül­fracht durch­zuführen.

Abb.: Entwicklung eines Janus-Tropfens: Die Abbildungen zeigen Wasser-Ethanol-Tröpfchen (ob.) in einer Öl-Tensid-Mischung, der ein fluoreszierender Farbstoff beigemischt wurde, nebst den entsprechenden Strömungsprofilen. (Bild: M. Li)

„Tröpfchen als Mini­transporter etwa in der Bio­medizin einzu­setzen, ist ein Ziel, an dem schon seit einiger Zeit gearbeitet wird“, sagt Ralf Seemann von der Univer­sität des Saarlandes. Diese Tröpf­chen könnten sich bisher jedoch nur passiv durch den Körper bewegen, beispiels­weise mit dem Blutstrom. Für ihre aktuelle Studie über aktive Mikro­schwimmer experimen­tierten die Physiker nun mit einem Modell­system, das sich zu Janus-Tröpfchen entwickelt: Sie fanden heraus, dass diese sich aktiv fortbewegen können und sich zudem als Träger zum gezielten Transpor­tieren und Absetzen einer Fracht nutzen lassen.

Die nun ana­lysierten Janus-Tröpfchen bestehen aus zwei unter­schiedlichen Teilen: aus einem wasser­reichen Tröpfchen im vorderen Teil und einem ethanol- und tensid­reichen Tröpfchen am Ende. Die Ursache für die beson­deren Fähig­keiten der Janus-Tröpfchen liegt in ihrer Entstehung: Sie durch­laufen insgesamt drei Entwicklungs­stadien, in denen unter­schiedliche Wechsel­wirkungen mit der Umgebung statt­finden. Diese Effekte konnten die Forscher quasi zur Program­mierung der Tröpfchen als aktive Träger nutzen. „Ausgangs­punkt sind homogene Tröpfchen, die aus einer Wasser-Ethanol-Mischung erzeugt werden. Diese Tröpfchen treiben in einer Ölphase, in der ein Tensid gelöst ist“, erläutert Jean-Baptiste Fleury, der als Habili­tand am Lehrstuhl forscht.

In der ersten Entwicklungs­phase tritt Ethanol aus dem Tröpfchen aus und löst sich in der umgebenden Ölphase. Hierdurch entstehen unter­schiedliche Oberflächen­spannungen auf der Tropfen­oberfläche, durch die Marangoni-Flüsse auf der Oberfläche sowie im Tropfen in Gang gesetzt werden. „Beim Marangoni-Effekt wandern Flüssig­keiten vom Ort niedriger Oberflächen­spannung zum Ort hoher Oberflächen­spannung“, erläutert Martin Brinkmann das physika­lische Prinzip. „Während des ersten Stadiums treiben diese Marangoni-Flüsse das Teilchen vorwärts – eine aktive Bewegung, die durch den konti­nuierlichen Verlust von Ethanol in die Ölphase verursacht wird“. Gleich­zeitig wandern Tenside aus der Ölphase in den Tropfen ein, da sie sich vor allem mit dem darin enthal­tenen Ethanol umgeben wollen. Schließlich kommt es zu einer Entmischung von Wasser und Ethanol, in deren Folge sich im Tropfen zunächst kleine Ethanol-Tensid-Tröpfchen bilden, die schnell mit­einander ver­schmelzen und sich aufgrund der Strömung innerhalb des Tropfens am hinteren Ende ansammeln.

Am Ende von Stadium zwei hat sich so ein charak­teristischer Janus-Tropfen gebildet. Da die Tenside auf der Oberfläche des wasser­reichen Tropfens im folgenden dritten Stadium nach wie vor von dem hinteren, ethanol­reichen Tropfen abgesaugt werden, ist die Oberflächen­spannung am hinteren Teil der Oberfläche erhöht. Dieses Gefälle lässt die Flüssig­keit an der Oberfläche des vorderen Tropfens in Richtung der höheren Grenzflächen­spannung strömen und setzt so den gesamten Janus-Tropfen in Bewegung. „Im Verlauf ihrer Entstehung weisen die Janus-Tröpfchen also spezi­fische Antriebs­mechanismen auf. Zudem erzeugen sie in den Stadien unter­schiedliche Strömungs­felder“, sagt Brinkmann.

Die Forscher haben die Bewegungen der Janus-Tröpfchen präzise vermessen. „Wir können beobachten, wie sie sich während ihrer Entwicklung, die etwa zehn bis fünfzehn Minuten dauert, in der Versuchs­zelle bewegen und – je nach Entwicklungs­stadium – unter­schiedlich mit Hinder­nissen inter­agieren“, erklärt Fleury. Die Länge der einzelnen Entwicklungs­stadien lasse sich über die anfäng­liche Ethanol-Konzen­tration im Tröpfchen und seine Größe steuern. Um ihre Fähigkeiten als Trans­porter zu testen, wurden die Tröpfchen im Experiment zudem mit DNA-Molekülen als Fracht beladen, die sich in der ethanol­reichen Phase ansammeln. „Unser Carrier kann selektiv an Hinder­nissen einer bestimmten Geometrie und Oberflächen­beschaffenheit entlang­wandern und seine Fracht auch gezielt ablegen“, fasst Ralf Seemann die Ergebnisse seiner Arbeits­gruppe zusammen. Damit beschreibe die Studie ein erstes, aber einfaches Beispiel für einen programmier­baren aktiven Träger, der in der Lage ist, räumlich und zeitlich kontrol­lierte Fracht-Lieferungen durchzu­führen.

U Saarland / JOL

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