Janustropfen als Transporter
Neue Methode zur Erzeugung sich selbst antreibender Tröpfchen.
Mithilfe winziger Transporter könnten in Zukunft Arzneistoffe oder andere Moleküle in den menschlichen Körper geschleust werden. Dass hierfür auch kleine Emulsionströpfchen in Frage kommen, haben Forscher der Universität des Saarlandes und der Universität Barcelona anhand eines Modellsystems gezeigt: Sie haben eine Methode zur Erzeugung selbstangetriebener flüssiger Tröpfchen entwickelt, die in der Lage sind, räumlich und zeitlich kontrollierte Lieferungen einer Molekülfracht durchzuführen.
Abb.: Entwicklung eines Janus-Tropfens: Die Abbildungen zeigen Wasser-Ethanol-Tröpfchen (ob.) in einer Öl-Tensid-Mischung, der ein fluoreszierender Farbstoff beigemischt wurde, nebst den entsprechenden Strömungsprofilen. (Bild: M. Li)
„Tröpfchen als Minitransporter etwa in der Biomedizin einzusetzen, ist ein Ziel, an dem schon seit einiger Zeit gearbeitet wird“, sagt Ralf Seemann von der Universität des Saarlandes. Diese Tröpfchen könnten sich bisher jedoch nur passiv durch den Körper bewegen, beispielsweise mit dem Blutstrom. Für ihre aktuelle Studie über aktive Mikroschwimmer experimentierten die Physiker nun mit einem Modellsystem, das sich zu Janus-Tröpfchen entwickelt: Sie fanden heraus, dass diese sich aktiv fortbewegen können und sich zudem als Träger zum gezielten Transportieren und Absetzen einer Fracht nutzen lassen.
Die nun analysierten Janus-Tröpfchen bestehen aus zwei unterschiedlichen Teilen: aus einem wasserreichen Tröpfchen im vorderen Teil und einem ethanol- und tensidreichen Tröpfchen am Ende. Die Ursache für die besonderen Fähigkeiten der Janus-Tröpfchen liegt in ihrer Entstehung: Sie durchlaufen insgesamt drei Entwicklungsstadien, in denen unterschiedliche Wechselwirkungen mit der Umgebung stattfinden. Diese Effekte konnten die Forscher quasi zur Programmierung der Tröpfchen als aktive Träger nutzen. „Ausgangspunkt sind homogene Tröpfchen, die aus einer Wasser-Ethanol-Mischung erzeugt werden. Diese Tröpfchen treiben in einer Ölphase, in der ein Tensid gelöst ist“, erläutert Jean-Baptiste Fleury, der als Habilitand am Lehrstuhl forscht.
In der ersten Entwicklungsphase tritt Ethanol aus dem Tröpfchen aus und löst sich in der umgebenden Ölphase. Hierdurch entstehen unterschiedliche Oberflächenspannungen auf der Tropfenoberfläche, durch die Marangoni-Flüsse auf der Oberfläche sowie im Tropfen in Gang gesetzt werden. „Beim Marangoni-Effekt wandern Flüssigkeiten vom Ort niedriger Oberflächenspannung zum Ort hoher Oberflächenspannung“, erläutert Martin Brinkmann das physikalische Prinzip. „Während des ersten Stadiums treiben diese Marangoni-Flüsse das Teilchen vorwärts – eine aktive Bewegung, die durch den kontinuierlichen Verlust von Ethanol in die Ölphase verursacht wird“. Gleichzeitig wandern Tenside aus der Ölphase in den Tropfen ein, da sie sich vor allem mit dem darin enthaltenen Ethanol umgeben wollen. Schließlich kommt es zu einer Entmischung von Wasser und Ethanol, in deren Folge sich im Tropfen zunächst kleine Ethanol-Tensid-Tröpfchen bilden, die schnell miteinander verschmelzen und sich aufgrund der Strömung innerhalb des Tropfens am hinteren Ende ansammeln.
Am Ende von Stadium zwei hat sich so ein charakteristischer Janus-Tropfen gebildet. Da die Tenside auf der Oberfläche des wasserreichen Tropfens im folgenden dritten Stadium nach wie vor von dem hinteren, ethanolreichen Tropfen abgesaugt werden, ist die Oberflächenspannung am hinteren Teil der Oberfläche erhöht. Dieses Gefälle lässt die Flüssigkeit an der Oberfläche des vorderen Tropfens in Richtung der höheren Grenzflächenspannung strömen und setzt so den gesamten Janus-Tropfen in Bewegung. „Im Verlauf ihrer Entstehung weisen die Janus-Tröpfchen also spezifische Antriebsmechanismen auf. Zudem erzeugen sie in den Stadien unterschiedliche Strömungsfelder“, sagt Brinkmann.
Die Forscher haben die Bewegungen der Janus-Tröpfchen präzise vermessen. „Wir können beobachten, wie sie sich während ihrer Entwicklung, die etwa zehn bis fünfzehn Minuten dauert, in der Versuchszelle bewegen und – je nach Entwicklungsstadium – unterschiedlich mit Hindernissen interagieren“, erklärt Fleury. Die Länge der einzelnen Entwicklungsstadien lasse sich über die anfängliche Ethanol-Konzentration im Tröpfchen und seine Größe steuern. Um ihre Fähigkeiten als Transporter zu testen, wurden die Tröpfchen im Experiment zudem mit DNA-Molekülen als Fracht beladen, die sich in der ethanolreichen Phase ansammeln. „Unser Carrier kann selektiv an Hindernissen einer bestimmten Geometrie und Oberflächenbeschaffenheit entlangwandern und seine Fracht auch gezielt ablegen“, fasst Ralf Seemann die Ergebnisse seiner Arbeitsgruppe zusammen. Damit beschreibe die Studie ein erstes, aber einfaches Beispiel für einen programmierbaren aktiven Träger, der in der Lage ist, räumlich und zeitlich kontrollierte Fracht-Lieferungen durchzuführen.
U Saarland / JOL