23.04.2018

Je älter die Sterne, desto runder die Galaxie

Spektroskopische Himmelsdurchmusterungen liefern Einblick in Galaxienevolution.

Das mittlere Alter der Sterne in einer Galaxie erlaubt Rück­schlüsse darauf, wann die meisten Sterne entstanden sind – liefert jedoch keine Informationen über die Entstehungs­geschichte der Galaxie. Informationen über die Evolution einer Galaxie lassen sich jedoch aus der Form des Stern­systems ableiten. Computer­simulationen der kosmischen Entwicklung zeigen, dass Kollisionen und Verschmelzungen entscheidend Einfluss auf die Entwicklung von Galaxien nehmen – und das solche Verschmelzungen zu „runderen“, also weniger stark ab­geplatteten Stern­systemen führen.

Abb.: Verschmelzende Galaxien (Bild: NASA)

Auf den ersten Blick erscheint die Form einer Galaxie als leicht bestimm­bare Größe. Tatsächlich liefern astronomische Beobachtungen jedoch nur eine zwei­dimensionale Projektion der Galaxien­form. Um daraus die tatsächliche, drei­dimensionale Form zu ermitteln, ist ein dynamisches Modell der Stern­bewegungen in der Galaxie nötig – also Messungen sowohl der geordneten als auch der un­geordneten Bewegung der Sterne. Während sich das mittlere Alter aus dem Gesamt­spektrum einer Galaxie durch Anpassung eines stellaren Populations­modells bestimmen lässt, ist für die Modellierung der stellaren Dynamik räumlich aufgelöste Spektro­skopie nötig.

Solche Daten liegen inzwischen vor, beispiels­weise aus dem SAMI Galaxy Survey am 3,9 Meter großen Anglo-Australian Telescope am Siding Spring Observatory in Australien. Der hier verwendete Spektro­graph ist mit Bündeln aus 61 optischen Leitern ausgestattet, mit denen sich gleichzeitig Spektren an entsprechend vielen Positionen einer Galaxie messen lassen. SAMI soll mittel­fristig räumlich aufgelöste Spektral­daten von 3000 Galaxien liefern, von 772 Sternsystemen liegen die Daten bereits vor und sind öffentlich zugänglich. Jesse van de Sande von der University of Sydney hat jetzt gemeinsam mit Kollegen anderer Institute in Australien und den USA diese Daten, sowie die Daten­archive mehrerer weiterer spektraler Durch­musterungen einer neuen Auswertung unterzogen. Insgesamt verwendeten die Forscher Spektren von 843 Galaxien mit dem Ziel, Zusammen­hänge zwischen dem mittleren Stern­alter, der stellaren Dynamik und der Galaxien­form aufzuspüren.

Zunächst bestimmten die Astronomen aus den kinematischen Daten das Verhältnis zwischen geordneter und un­geordneter Bewegung. Van de Sande und seine Kollegen machen dann die ver­einfachende Annahme, dass es sich bei den Galaxien um Rotations­ellipsoide handelt. Damit können die Forscher dann aus der beobachteten Form und dem Verhältnis der Geschwindig­keiten auf die wahre, drei­dimensionale Form einer Galaxie schließen. Das Ergebnis dieser Analyse: Zwischen dem mittleren Sternen­alter einer Galaxie und ihrer drei­dimensionalen Form besteht ein erstaunlich starker Zusammen­hang. Je älter die Sterne, desto runder – also weniger elliptisch – ist ein Stern­system.

Dieses Ergebnis bestätigt die Vorhersagen der Computer­simulationen, nach denen Verschmelzungen entscheidend die Entwicklung von Galaxien beeinflussen. Die meisten dieser Verschmelzungen finden zwischen Galaxien statt, die nur wenig Gas enthalten, so dass in der Folge kaum noch neue – und damit jüngere – Sterne entstehen. Galaxien, die durch Verschmelzungen runder geworden sind, enthalten somit zwangs­läufig über­wiegend ältere Sterne. Van de Sande und seine Kollegen zeigen mit ihrer Analyse, wie statistische Untersuchungen an einer großen Zahl von Stern­systemen Informationen über die Evolution der Galaxien liefern können – und damit das große Potenzial moderner spektro­skopischer Himmels­durchmusterungen wie SAMI.

Rainer Kayser

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