24.04.2020

Josephson-Kontakt mit ungewöhnlichem Verhalten

Untersuchung zum Quantenphasen-Übergang wirft fundamentale Fragen auf.

Ein deutsch-französisches Forscherteam hat den Stromfluss von Cooper-Elektronen­paaren in Josephson-Kontakten untersucht. Diese supraleitenden Schaltkreise, die auch in Quanten­computern zum Einsatz kommen, zeichnen sich durch Besonderheiten beim Elektronen­fluss und beim Übergang der Quantenphasen aus. Mit ihren Experimenten wollten sie mit bisher nie erreichter Präzision eine etablierte Vorhersage überprüfen, die auf eine mehr als dreißig Jahre alte Theorie zurückgeht. 
 

Abb.: Der Bereich, in dem sich die beiden Aluminium­streifen in der Mitte...
Abb.: Der Bereich, in dem sich die beiden Aluminium­streifen in der Mitte dieser elektronen­mikro­skopischen Aufnahme überlappen, stellt einen Josephson-Kontakt dar. (Bild: CEA Saclay, Quantronics Group)

Supraleitende Schaltkreise sind komplexe Quantensysteme aus vielen Bestandteilen. Man braucht sie beispielsweise für die Entwicklung von Quanten-Computern. Das Problem: Störende Einflüsse lassen sich nie ganz vermeiden. Mit dem Effekt, dass genuine Quanten­eigenschaften zerstört werden. Man spricht dann davon, dass die sehr fragilen delokalisierten Quantenzustände lokalisiert werden. Ein Forscherteam des nationalen Forschungs­zentrums CEA Saclay (Paris) und der Universitäten Ulm und Freiburg hat nun diesen Quanten­phasen­übergang in einem supraleitenden Schaltkreis untersucht. Dafür haben sie den Stromfluss von Cooper-Paaren, den Trägern der elektrischen Ladung in Supraleitern, durch einen Josephson-Kontakt vermessen. 

„Ein Josephson-Kontakt besteht aus einer Anordnung, bei der zwei Supraleiter über einen Nichtleiter miteinander verbunden sind. Schließt man eine Stromquelle an, wird die Supraleitung nicht unterbrochen. Die Elektronen tunneln als Cooper-Paare durch die Barriere des Nichtleiters, behalten also die Paar-Konfiguration, die für die Supraleitung essentiell ist“, erklärt Joachim Ankerhold, Leiter des Instituts für komplexe Quanten­systeme. Der Forscher der Universität Ulm und sein Instituts­kollege Jürgen Stockburger waren als theoretische Physiker an dem Forschungs­projekt beteiligt. 

Als zentrales Bauelement wird der Josephson-Kontakt in supraleitenden Quanten­computern verbaut, wie sie beispielsweise von Google und IBM entwickelt werden. Der Josephson-Kontakt, der in der Studie zum Einsatz kam, besteht aus zwei supraleitenden Metalldrähten, die durch eine ultradünne isolierende Schicht miteinander verbunden sind. Diese Isolierschicht hat die Dicke von nur wenigen Atomlagen. Die Cooper-Paare durchdringen diese Isolations­schicht mit Hilfe des quantenmechanisches Tunneleffektes. „Ein Stromfluss stellt sich faszinierenderweise auch dann ein, wenn keine äußere elektrische Spannung anliegt. Dies hängt von der elektro­magnetischen Umgebung des Kontaktes ab“, erklärt Ankerhold. Ist die elektromagnetische Umgebung hinreichend stark, sollte gemäß einer etablierten theoretischen Vorhersage, der Stromfluss zum Erliegen kommen. 

Diese Vorhersage zum Verhalten der Cooper-Paare beziehungs­weise zum Phasen­übergang in komplexen Quanten­systemen geht auf eine etablierte Theorie zum Josephson-Kontakt zurück, die bereits vor mehr als dreißig Jahren entwickelt wurde. Das deutsch-französische Forscherteam wollte diese Vorhersage nun mit bisher unerreichter Präzision auf den Prüfstand stellen. Das Ergebnis: Erstaunlicher­weise konnten die am nationalen Forschungs­zentrums CEA Saclay durchgeführten Experimente die Vorhersage nicht bestätigen: Der Josephson-Kontakt blieb stromleitend auch unter extremem Einfluss der störenden Umgebung. Der Phasen­übergang „delokalisiert – lokalisiert“ sollte sich laut Vorhersage hingegen durch die klare Signatur eines Übergangs „Stromleiter – Isolator“ äußern.

Dieses vollkommen unerwartete Ergebnis wirft eine Reihe fundamentaler Fragen zur Physik des Josephson-Kontakts auf der einen und zur theoretischen Beschreibung von durch Einflüsse der Umgebung hervor­gerufenen Quanten­phasen-Übergängen in komplexen Systemen auf der anderen Seite auf. So vermuten die Forscher, dass die gängigen theoretischen Modelle, auf denen die besagte Vorhersage basiert, nur eingeschränkt anwendbar sind. „Denn sie erfassen insbesondere das verwickelte Wechselspiel der Quanten­fluktuationen im Josephson-Kontakt und der elektro­magnetischer Umgebung nur unzureichend“, sagt Philippe Joyez von der CEA Saclay. 

Josephson-Kontakte werden nicht nur beim Quanten-Computing eingesetzt. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl bedeutender Anwendungen, beispielsweise in der Metrologie, also der Wissenschaft des Messens, oder der Sensorik. Dies macht die neuen Ergebnisse so bedeutsam. 

U. Ulm / DE
 

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