21.10.2016

Junge Lavaströme auf der Venus

Kombination der Daten von Venus Express und Magellan er­mög­licht Kar­tie­rung vul­ka­ni­scher Struktur

Die europäische Mission Venus Express lieferte von 2006 bis 2014 eine enorme Fülle an Mess­daten und Auf­nahmen von der Atmo­sphäre und Ober­fläche des Schwester­planeten der Erde. Anhand von spektro­skopischen Messungen im nahen Infra­rot-Bereich sind Wissen­schaftler am Deutschen Zentrum für Luft- und Raum­fahrt an den Flanken des Idunn Mons, einem Vulkan auf der Süd­halb­kugel der Venus mit zwei­hundert Kilo­metern Basis­durch­messer, auf Spuren von jungem Vulka­nismus gestoßen. „Es ist uns gelungen, einzelne Lava­ströme zu identi­fi­zieren und ihre Aus­dehnung zu kartieren, die an der Caldera am Gipfel des Vulkans ihren Ausgang nehmen und sich über die Ost­flanke er­strecken“, sagt Piero d’Incecco vom DLR-Institut für Planeten­forschung. „Die Daten deuten stark darauf hin, dass der Vulkan in geo­lo­gisch jüngerer Zeit aktiv war.“

Abb.: Der Vulkan Idunn Mons auf der Venus. (Bild: DLR)

D’Incecco und seine Kollegen kombinierten die Infrarot-Messungen von Venus Express mit räumlich viel höher aufge­lösten topo­gra­phischen Radar­daten der NASA-Mission Magellan, die den Planeten zwischen 1990 und 1992 kartierte. Durch die Kombi­nation der Daten­sätze zweier unter­schied­licher Missionen ist zum ersten Mal die Kartie­rung einer noch vor kurzem aktiven vulka­nischen Struktur auf der Venus gelungen.

Der Orbit von Venus Express gestattet es, insbesondere die Süd­halb­kugel der Venus in Wellen­längen des nahen Infrarot gut zu beob­achten. Dazu wurde das Experi­ment VIRTIS – das „Visible and Infra­red Thermal Imaging Spectro­meter“ – einge­setzt, das in bestimmten Wellen­längen die von der Venus­ober­fläche abge­gebene und durch die Venus­atmo­sphäre dringende Wärme­strahlung auf­zeichnete. Aller­dings begrenzt die den ganzen Planeten permanent ein­hül­lende Wolken­decke die räum­liche Auf­lösung der VIRTIS-Beob­ach­tungen. Mit einer nume­rischen Model­lierung der Daten konnte die Auf­lösung dieser Messungen erhöht werden.

Die DLR-Planetenforscher analysierten die Aufzeichnungen der Spitze und der Ost­flanke des Vulkans Idunn Mons und stießen auf unge­wöhn­lich hohe Tempe­ratur­werte für die Ober­fläche. Die erhöhten Tempe­ra­turen deuten darauf hin, dass dieser Vulkan in geo­lo­gisch relativ junger Vergan­gen­heit aktiv gewesen sein könnte. Die Lava­decke auf dem Gipfel­plateau des Idunn Mons hat dabei einen Durch­messer von stellen­weise mehr als hundert Kilo­metern, auch die Lava­ströme an den Flanken von Idunn Mons sind zwischen 50 und 150 Kilo­meter lang, was auf eine dünn­flüssige Lava basal­tischer Zusammen­setzung hin­deutet.

Hauptaufgabe von Venus Express war die Untersuchung der Dynamik und der Zusammen­setzung der Venus­atmo­sphäre, aber auch der Ober­fläche des Planeten. Die Venus ist nur gering­fügig kleiner ist als die Erde, ihre Ent­wicklung hat aber eine ganz andere Richtung genommen: Der Planet ist perma­nent von einer dichten Wolken­hülle um­geben, die Atmo­sphäre hat etwa neunzig Mal so viel Masse wie die der Erde und besteht haupt­säch­lich aus Kohlen­dioxid, das für einen enormen Treib­haus­effekt mit Tempe­ra­turen an der Ober­fläche von 440 bis zu fast 500 Grad Celsius sorgt. Der Gas­druck beträgt dort über neunzig Bar. Bisher sind die Wissen­schaftler davon ausge­gangen, dass die Venus zwar vor etwa 500 bis 600 Millionen Jahren global von Vulkan­aus­brüchen verändert wurde, es aber in der jüngeren geo­lo­gischen Vergan­gen­heit keinen aktiven Vulka­nismus gab. Weder Magellan noch Venus Express zeigten zunächst An­zeichen hierfür.

VIRTIS war eines von sieben Experimenten an Bord von Venus Express. Mit dem in Italien, Frank­reich und am DLR ent­wickelten Instru­ment wurden die untere Atmo­sphäre der Venus und die Tempe­ra­turen auf der Ober­fläche in Wellen­längen der UV-Strahlung, des sicht­baren Lichts und des nahen Infra­rots unter­sucht. Die Ost­flanke des Vulkans Idunn Mons fiel bereits 2010 in VIRTIS-Daten durch eine unge­wöhn­lich hohe thermale Ab­strahlung bei einer Wellen­länge von einem Mikro­meter auf. Aus diesem Grund unter­zogen D’Incecco und seine Kollegen diesen markanten Vulkan einer genaueren Unter­suchung und wendeten erstmals die Kombi­nation der Venus Express- und Magellan-Daten­sätze an. Dabei ent­deckten sie am Gipfel und an der Ost­flanke von Idunn Mons erneut Abwei­chungen der thermalen Ab­strahlung – nun aber in höherer Auf­lösung.


Hierbei wurde eine neue Auswertemethode eingesetzt, die in der DLR-Arbeits­gruppe Planeten­spektro­skopische Labore ent­wickelt wurde. Ziel der Studie war es, die Position und die Aus­dehnung der Ano­malien genauer ein­grenzen zu können. Das ist mit der Identi­fi­kation der jüngsten Lava­ströme an Idunn Mons auf Anhieb gelungen. Dabei wurden alle Lava­ströme in ihrer Aus­dehnung auf Basis der Radar­daten kartiert. Dann wurden verschie­dene Varianten für Inten­sität der Wärme­ab­strahlung bei einer Wellen­länge von einem Mikro­meter für jeden einzelnen Lava­strom auf die kartierten Lava-Ein­heiten proji­ziert.

Jede simulierte Szene wurde mit den Daten verglichen, die mit VIRTIS gemessen wurden. Für jede Simu­lation wurde die absolute Abweichung von den gemes­senen Werten auf der Basis eines Quadrat­wurzel-Fehlers berechnet. Aus der Konfi­gu­ration, in der diese beiden Daten­sätze am besten zuein­ander passten, kann dann auf die Emis­si­vität jedes einzelnen Lava­stroms bei einer Wellen­länge von einem Mikro­meter geschlossen werden. Die Lava­ströme an der Idunn Mons-Ost­flanke sind danach mit hoher Wahr­schein­lich­keit Quelle der hohen Abstrah­lungs­werte in den VIRTIS-Daten. Hohe Emis­sivi­täts­werte sind ein Anzeichen für geringe Verwit­terung und damit auch geringes Alter der Lava­ströme. Die Strati­graphie der Region und die daraus abge­leitete zeit­liche Reihen­folge der Vulkan­aus­brüche bestätigt dieses Ergebnis unab­hängig von der Model­lierung. Die Werte der durch­schnitt­lichen Mikro­wellen-Emis­si­vität ent­sprechen dem globalen Durch­schnitt auf der Venus­ober­fläche. Sie stimmen mit den Labor­mess­werten für trockene Basalte überein.

Die Studie der DLR-Planetenforscher wird zukünftige Projekte bei der Erfor­schung der Venus positiv beein­flussen, wie zum Beispiel die vorge­schlagene Disco­very-Mission VERITAS der NASA oder der Vorschlag für eine Mission der euro­pä­ischen Welt­raum­orga­ni­sation ESA mit Namen EnVision. Die Kombi­nation von hoch­auf­ge­lösten Radar­daten mit der flächen­haften Kartie­rung der Zusammen­setzung der Venus-Ober­fläche im nahen Infra­rot dürfte bedeu­tende wissen­schaft­liche Fort­schritte bei der Erfor­schung der Geo­logie der Venus ermöglichen.

DLR / RK

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