Kamera mit Insektenblick
Hunderte Lichtsensoren als Facettenauge für Flugroboter oder Endoskope.
Dank ihrer beiden Facettenaugen nehmen Insekten ihre Umwelt mit einem fast vollständigen Rundumblick wahr. Diese Sehorgane erreichen zwar nicht die Bildqualität von menschlichen Augen, doch können sie selbst kleinste Bewegung sehr schnell erkennen. Von diesen Vorteilen inspiriert entwickelte nun das Team um John Rogers von der University of Illinois in Urbana-Champaign ein künstliches Facettenauge, das in Zukunft etwa in kleinen Erkundungsdrohnen oder in Endoskopen für genauere medizinische Diagnosen eingesetzt werden könnte.
Abb.: Modul mit den elektrischen Kontakten für das künstliche Facettenauge. (Bild: John A. Rogers U Illinois)
Für ihren Prototyp fertigten Rogers und Kollegen ein Areal aus insgesamt 256 Mikrolinsen. Dieses bestand aus dem flexiblen und transparenten Polymer Polydimethylsiloxan mit einem Brechungsindex von 1,43. Zu einer Halbkugel gewölbt setzten sie hinter diesen Mikrolinsen eine weitere Matrix, bestückt mit 180 Photodioden. Jeder einzelne dieser Lichtsensoren konnte exakt im Fokus hinter je einer Mikrolinse positioniert werden. Die elektrischen Kontakte zu den Photodioden bestanden aus filigranen Drähten aus einer Goldchromlegierung, umhüllt von dem Kunststoff Polyimid. Um Brüche der Kontakte zu vermeiden, wurden diese Drähte schlangenförmig angeordnet.
„Diese Systeme sehen wir wegen der deutlich verschiedenen Design- und Funktionsprinzipien als Ergänzung zu konventionellen Digitalkameras“, sagt John A. Rogers von der University of Illinois in Urbana-Champaign. Denn Facettenaugen kommen ohne fokussierende Linsen aus, reagieren dadurch schneller und blicken über einen weiten Halbraum von bis zu 180 Grad. Testaufnahmen mit dem etwa einen Zentimeter kleinen Facettenauge zeigten, dass die Lichtsensoren sehr schnell Objekte und deren Bewegungen über einen weiten Blickwinkel von 160 Grad erkennen konnten. Aus allen Signalen zusammen ließen sich – ausgewertet von einem Rechner – gute Aufnahmen etwa von einfachen, geometrischen Figuren gewinnen.
Abb.: Eine Ameise krabbelt über das künstliche Facettenauge. (Bild: John A. Rogers U Illinois)
Die Auflösung dieser Bilder hielt sich mit den Daten der knapp zweihundert Photodioden zwar noch in Grenzen und erreichte die Sichtqualität von Feuerameisen, deren Facettenaugen aus wenigen hundert Einzelaugen, sogenannten Ommatidien, bestehen. Doch mit einer Verbesserung des Fertigungsverfahrens halten Rogers und Kollegen eine weitere Steigerung auf tausende Einzelaugen für möglich. In der Natur verfügen beispielsweise Libellen über Facettenaugen mit bis zu 28.000 Ommatidien. Da diese Facettenkameras keine beweglichen Linsen zum Fokussieren benötigen, liegt eine Anwendung in den Köpfen von Endoskopen für medizinische Diagnosen nahe. Möglich wäre auch der Einbau etwa in kleinen Flugrobotern, die für Umweltanalysen oder auch als Minidrohnen für militärische Erkundungen dienen sollen.
Für Kameras mit möglichst weitem Blickwinkel muss allerdings nicht unbedingt auf die Facettenstruktur von Insektenaugen zurückgegriffen werden. So konstruierte vor drei Jahren das Team um Wolfgang Stürzl vom Exzellenzzentrum „Cognitive Interaction Technology“ an der Universität Bielefeld ein leistungsfähigen Objektiv mit einer durchsichtigen, nur 23 Millimeter großen Kugel aus Acrylglas. Von der Seite einfallende Lichtstrahlen werden durch einen integrierten gewölbten Minispiegel fokussiert und auf den Bildchip einer handelsüblichen USB-Videokamera gelenkt. Den Blick nach vorne eröffnet ein System aus zwei Linsen. Die geschickte Kombination aus Linsen und gewölbten Oberflächen ermöglicht den extrem weiten Blickwinkel von 280 Grad. Erste „Bienenblick“-Videos konnten Stürzl und Kollegen mit einer Wiederholungsrate von achtzig Bildern pro Sekunde und einer vertikalen Auflösung von 480 Bildpunkten aufnehmen.
Jan Oliver Löfken
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