07.06.2018

Kanten unter Strom

Topologische Isolatoren höherer Ordnung zeigen nur an den Kristall-Kanten Leitfähigkeit.

Physiker der Universität Zürich erforschen eine neue Material­klasse, die topologischen Isolatoren höherer Ordnung. Die Kanten dieser kristallinen Festkörper leiten elektrischen Strom verlust­frei, während der Rest des Kristalls isoliert. Dies wäre sehr nützlich in der Halb­leiter­technik und für den Bau von Quanten­computern. Bekannt sind bisher topologische Isolatoren – Kristalle, die im Inneren elektrisch isolierend sind, außen aber Strom leiten. Die leitenden Ober­flächen­zustände sind topologisch geschutzt und gelangen nur schwer in einen isolierenden Zustand.

Abb.: Schematische Darstellung eines topologischen Isolators höherer Ordnung in Form eines Nanodrahtes mit leitenden Kanälen auf den Kanten (Bild: UZH)

Theoretische Physiker unter der Leitung der Universität Zürich (UZH) haben nun eine neue Klasse von topologischen Isolatoren erforscht, die nicht auf den Oberflächen, sondern auf den Kristall­kanten leitende Zustände besitzen. Das Team aus Wissenschaftlern der UZH, der Universität Princeton, des Donostia International Physics Centers und des Max-Planck-Instituts fur Mikro­struktur­physik in Halle hat diese neue Material­klasse „topologische Isolatoren höherer Ordnung“ getauft. Diese sind besonders interessant, weil die elektrisch leitenden Kanten äußerst robust sind: Verunreinigungen oder Unordnung im Kristall halten den Fluss der topologischen Elektronen nicht auf, der Strom fließt einfach um das Hindernis herum.

Die Kanten mussen zudem nicht besonders präpariert werden, um leit­fähig zu sein. Bricht der Kristall, sind auch die neuen Kanten automatisch wieder leitend. „Das Spannendste aber ist, dass Strom auf diese Art zumindest theoretisch widerstands­frei geleitet werden kann“, sagt Titus Neupert, Professor am Institut für Physik der UZH. „Man kann sich die Kristallkanten wie eine Auto­bahn fur Elektronen vorstellen. Sie können nicht einfach umkehren.“ Diese Eigen­schaft der wider­standsfreien Leit­fähigkeit, die vor allem von Supra­leitern bei tiefen Temperaturen bekannt ist, lässt sich bei den bisher bekannten topologischen Isolatoren mit leitenden Ober­flächen nicht finden.

Noch überwiegen die theoretischen Aspekte in der Studie. Als erste Verbindung, welche diese neu­artigen Eigenschaften aufweisen sollte, haben sie Zinn-Tellurid vorgeschlagen. „Wir müssen weitere mögliche Materialien dieser neuen Klasse identifizieren und in Experimenten untersuchen“, sagt Neupert. Die Forscher hoffen, dass Nano­drähte, die aus den von ihnen unter­suchten topologischen Isolatoren höherer Ordnung bestehen, sich künftig als Leiter­bahnen in elektrischen Schalt­kreisen einsetzen lassen. Sie könnten mit magnetischen und supra­leitenden Materialien kombiniert und in Quanten­computern eingesetzt werden.

UZH / DE

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