07.10.2019

Karbonfasern aus nachwachsenden Rohstoffen

Sehr hohe Temperaturen für die Produktion biobasierter Kohlenstofffasern.

Kohlenstoff­fasern sind das festeste und steifste Material, das derzeit in groß­technischen Anlagen erzeugt werden kann. Dies sowie ihr geringes Gewicht machen sie heute vor allem im Leichtbau zur Verstärkung von Kunststoffen unersetzlich. Hier vollbringen sie in stark bean­spruchten Bauteilen beispielsweise in Flugzeugen, Autos, Sportgeräten oder Windkraftanlagen. Windkraft­anlagen werden in Zukunft zudem immer größer werden, um dem Bedarf nach alternativen Energien gerecht zu werden. Auch im Bereich der alter­nativen Mobilität sind Karbonfasern als leichtes Verstärkungs­material in Autos unter anderem für Wasserstoff­tanks von großem Interesse. Ein weiteres wichtiges perspektivisches Anwendungs­feld ist das Bauwesen. Karbonbeton ist leichter als Stahlbeton und korrodiert nicht. Schon heute werden bröckelnde Brücken damit nachhaltig saniert oder auch neu errichtet. Mit Blick auf globale Umweltaspekte wächst im Bereich des Leichtbaus die Nachfrage nach biobasierten und nachhaltigen Hochleistungs­materialien stetig, auch um grüne Technologien der Zukunft zu unterstützen. Hoch­leistungs-Karbonfasern auf Basis nach­wachsender Rohstoffe sind derzeit jedoch praktisch nicht am Markt verfügbar.

Abb.: Bei 2900 Grad Celsius werden Bio-Fasern aus Zellulose graphi­tisiert....
Abb.: Bei 2900 Grad Celsius werden Bio-Fasern aus Zellulose graphi­tisiert. Sie erreichen die mecha­nischen Eigenschaften erdöl­basierter Karbon­fasern. (Bild: Fh.-IAP)

Auf dem Weg zur Karbonfaser, die fast ausschließlich aus Kohlenstoff besteht, ist der Umweg über einen formbaren Präkursor notwendig, denn reiner Kohlenstoff ist weder löslich noch schmelzbar. Er lässt sich daher nicht direkt in Faserform überführen. „Die Herstellung von Carbonfasern aus Präkursoren, die auf nachwachsenden Rohstoffen wie Zellulose, Lignin oder Hemicellulose basieren, war bisher zwar prinzipiell möglich, jedoch sind bei den üblichen Pyrolyse­temperaturen von bis zu 1600 °C die mechanischen Eigen­schaften Steifigkeit und Festigkeit sehr beschränkt. Solche biobasierten Karbonfasern stellen keine ernst­zunehmende Alternative zu den erdöl­basierten Pendants für Hochleistungs­anwendungen dar“, sagt Jens Erdmann, Faser­spezialist am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymer­forschung IAP.

Um biobasierte Karbonfasern für Hochleistungs­anwendungen herzustellen, müssen also einige Nachteile überwunden werden. Erstens die schlechte Material­ausbeute: Bisher werden nur etwa zehn bis dreißig Gewichtsprozent des Präcursors zur Karbonfaser, je nach eingesetztem biobasiertem Rohstoff. Der Rest geht bei der thermischen Umwandlung vom Präkursor zur Carbonfaser in Form von gasförmigen Abprodukten verloren. Zweitens der geringe Anteil an geordneten Kohlenstoff­strukturen in der Karbonfaser. Und drittens die geringe Orientierung der geordneten Kohlenstoff­strukturen entlang der Faserachse. Sie bestimmt maßgeblich die Eigenschaften der Faser. „Am Fraunhofer IAP haben wir uns aller drei Nachteile angenommen und forschen unter anderem mit Partnern aus der Industrie erfolgreich an praktischen und öko­nomischen Lösungen“, so Erdmann.

„Die größte Heraus­forderung liegt jedoch darin, die mechanischen Eigenschaften, insbesondere Festigkeit und Steifigkeit, der bio­basierten Karbonfasern um ein Vielfaches zu steigern“, so Erdmann. „Dafür haben wir einen speziellen Ultrahoch­temperaturofen anfertigen lassen, in dem die biobasierten Karbon­fasern zusätzlich für wenige Sekunden bei Temperaturen zwischen 2700 und 2900 °C thermisch nachbehandelt werden. In diesem Temperatur­bereich lassen sich die Kohlenstoff­strukturen in der Faser durch Verstrecken so anordnen, dass sie in Richtung der Faserachse orientiert sind. Das macht die Fasern deutlich fester und steifer und sie erhalten mechanische Eigenschaften, die das Niveau erdöl­basierter Karbonfasern erreichen“, so Erdmann.

Das Arbeitsprinzip des Ultrahoch­temperaturofens ist vergleichbar mit dem einer Glühlampe, bei der durch einen filigranen Kohlen­stofffaden so viel Strom geleitet wird, bis dieser so heiß wird, dass er glüht. Nur ist der Ofen um ein Vielfaches größer als eine Glühlampe. Statt des Kohlenstofffadens hat er ein massives Grafitrohr, das als Heizelement dient. Je nach angestrebter Temperatur wird ein Strom von bis zu 1500 Ampere hindurch geleitet bis es glüht. Die zu behandelnde Karbonfaser wird konti­nuierlich durch das Rohr gezogen und dabei gezielt verstreckt. Unerlässlich ist hierbei eine Schutz­gasatmosphäre, die sowohl den Ofen als auch die durchlaufende Faser vor thermooxidativer Zersetzung schützt.

Mit dem neuen Ofen eröffnen sich viele neue Möglichkeiten, um leichte und stabile Materialien zu entwickeln. Das bisherige Forschungs­angebot – Herstellung von Fasern aus der Lösung und aus der Schmelze, Modifizierung von Biopolymeren, Polymersynthese, thermische Konvertierung und Analytik sowie Material- und Struktur­charakterisierung – wird um die Herstellung und Entwicklung von biobasierten Hochleistungs-Carbonfasern optimal ergänzt. „In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass es für Unternehmen, die Forschungs- und Entwicklungs­dienstleistungen im Bereich der Ultrahoch­temperatur­behandlung von Fasern benötigen, äußerst schwierig ist, Partner zu finden, die über einen Ultrahoch­temperaturofen verfügen. Am Fraunhofer IAP ist das jetzt möglich. Der Ofen ist ideal, um mit wenig Fasermaterial innerhalb kurzer Zeit viele Variationen von Parametern zu testen“, freut sich Jens Erdmann.

Fh.-IAP / JOL

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