29.03.2017

Kataklysmischer Kreißsaal

Heftige Winde aus aktiven galaktischen Kernen bei Galaxienkollision lassen Vielzahl neuer Sterne entstehen.

Eine Gruppe europäischer Astronomen konnte mit den Instrumenten MUSE und X-shooter am Very Large Telescope (VLT) am Paranal-Observatorium der ESO in Chile eine gerade stattfindende Kollision zwischen zwei Galaxien untersuchen. Beide Objekte werden zusammen als IRAS F23128-5919 bezeichnet und sind rund 600 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Die Gruppe beobachtete die überdimensionalen Winde aus Materie, die in der Nähe eines super­masse­reichen Schwarzen Lochs im Herzen der südlicheren Galaxie entstehen, und fanden erstmals klare Hinweise dafür, dass in solchen Winden Sterne geboren werden.

Abb.: Künstlerische Darstellung von Sternen, die in Winden supermassereicher Schwarzer Löcher entstehen. (Bild: M. Kornmesser, ESO)

Solche Galaxienwinde werden durch den enormen Energieausstoß aktiver und turbulenter Galaxien­kerne angetrieben. Super­masse­reiche Schwarze Löcher lauern in den meisten Galaxien­zentren, wo sie das umgebende Gas aufheizen, sobald sie Materie verschlingen, und es in Form starker, dichter Winde aus ihrer Heimatgalaxie heraus­schleudern.

„Astronomen gehen bereits seit einer Weile davon aus, dass die Bedingungen in diesen Winden für Stern­entstehung geeignet sein könnten. Allerdings konnte es bisher niemand tatsächlich nachweisen, da solche Beobachtungen sehr schwierig sind“, erläutert Roberto Maiolino von der University of Cambridge, der Leiter des Teams. „Unsere Ergebnisse versetzen uns deshalb so in Aufregung, weil sie eindeutig zeigen, dass Sterne innerhalb dieser Winde entstehen.“

Die Gruppe begann, die Sterne in den Winden sowie das Gas, das sie umgibt, direkt zu untersuchen. Um herauszufinden, wo es herkommt, nahm die Gruppe mit zwei der weltweit leistungs­fähigsten Spektrografen, MUSE und X-shooter, die Eigenschaften des emittierten Lichts genauer unter die Lupe.

Es ist bekannt, dass die Strahlung junger Sterne Gaswolken in ihrer Nähe auf charakteristische Weise zum Leuchten anregen kann. Das extrem empfindliche Instrument X-shooter hat es den Wissenschaftlern ermöglicht , andere mögliche Ursachen für das Leuchten des Gases auszuschließen, wie etwa Stoßwellen im Gas oder den aktiven Kern der Galaxie. Dann entdeckte die Gruppe eine Population sehr junger Sterne in den Winden, die vermutlich nur wenige Millionen Jahre alt sind. Eine vorläufige Analyse deutet darauf hin, dass sie heißer und heller sind als Sterne, die in weniger extremen Umgebungen, wie der galaktischen Scheibe, entstehen.

Als weiteren Beleg bestimmten die Astronomen auch Bewegung und Geschwindigkeit der Sterne. Das Licht der meisten Sterne in der Region deutet darauf hin, dass sie sich mit sehr großen Geschwindigkeiten vom Zentrum der Galaxie wegbewegen – wie es bei Objekten der Fall wäre, die in einem Strahl aus Materie vom Kern der Galaxie weggeschleudert werden.

Helen Russell vom Institute of Astronomy, Cambridge in Großbritannien, fügt hinzu: „Die Sterne, die im Wind in der Nähe des Galaxienzentrums entstehen, könnten durch dessen Anziehungs­kraft langsamer werden und sogar wieder nach innen wandern. Die Sterne, die weiter außen im Wind entstehen, werden allerdings weniger abgebremst und können die Galaxie sogar ganz verlassen.“

Die Entdeckung liefert neue und interessante Informationen und könnte unser Verständnis einiger astro­physikalischer Fragen verbessern. Dazu zählt: wie die jeweilige Form einer Galaxie entsteht, wie intergalaktischer Raum mit schweren Elementen angereichert wird und sogar woher die infrarote Hintergrund­strahlung im Kosmos kommen könnte.

Maiolino ist gespannt, was die Zukunft bringt: „Wenn tatsächlich in den meisten galaktischen Winden Stern­entstehung stattfindet, wie es manche Theorien vorhersagen, dann würde das unser Verständnis von Galaxien­entwicklung komplett auf den Kopf stellen.“

MPIA / DE

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