Kavitationsblasen als Schutzschicht?
Modellrechnungen weisen auf bislang unbekannte Entstehungsweise von Kavitationsblasen hin.
Eine bisher unbekannte Entstehungsweise von Kavitationsblasen haben Forscher mit Hilfe einer Modellrechnung entdeckt. Sie untersuchten, wie Öl-
Abb.: Eine Kavitationsblase entsteht im Schmiermittel zwischen Öl-anziehender (gelb) und Öl-abstoßender Fläche (schwarz). Als Puffer könnte sie Verschleiß reduzieren. (Bild: KIT)
Die Material- und Reibungsforscher wollten wissen, welchen Einfluss chemisch unterschiedliche Oberflächen auf das Fließverhalten eines Schmierstoffs haben. Insbesondere interessierte sie das Verhalten in nanometerbreiten Schmierspalten, einem kritischen Fall nah an der Grenzreibung, also kurz vor dem direkten Kontakt zwischen Oberflächen. Dazu stellten sie ein mathematisches Modell auf, in welchem sie die Viskosität des Schmierstoffs und die Oberflächeneigenschaften der Wände variierten. „Wir waren sehr überrascht, dass in der Simulation dann am Übergang der Oberflächen – also der Grenze zwischen Öl-
Kavitation ist ein bekanntes und wegen seiner zerstörerischen Kraft gefürchtetes, physikalisches Phänomen. „Bisherige Kavitationsmodelle gehen von einer bestimmten Geometrie aus, die Kavitation hervorruft, wie zum Beispiel eine Engstelle in einer Pumpe oder eine Schiffsschraube, die hohe Strömungsgeschwindigkeiten verursacht“, erklärt Pastewka. Dabei gilt das physikalische Gesetz von Bernoulli, dass der statische Druck einer Flüssigkeit umso geringer ist, je schneller sie strömt. Fällt dabei der statische Druck unter den Verdampfungsdruck der Flüssigkeit, bilden sich Dampfblasen. Steigt der Druck wieder – zum Beispiel wenn die Flüssigkeit nach einer Engstelle in einer Pumpe wieder langsamer fließt – kondensiert der Dampf in den Blasen schlagartig und sie implodieren. Die dabei entstehenden extremen Druck- und Temperaturspitzen führen zu typischen Kavitationskratern und erheblicher Erosion selbst in gehärtetem Stahl.
„Diese schlagartige Implosion der Dampfblasen passiert aber in den meisten geschmierten Tribosystemen nicht“, betont Daniele Savio, der mittlerweile am Fraunhofer-
In ihrem Simulationsmodell belegen Savio und seine Kollegen nun, dass auch chemisch wechselnde Oberflächen zu Kavitationsblasen führen können. Sie stellen in ihrer gerade erschienenen Publikation die Frage, ob Kavitation in Situationen, wo ein Schmierstoff zwischen zwei Oberflächen strömt, die Norm ist und nicht die Ausnahme. „Denn üblicherweise sind Oberflächen, wie sie in Motoren oder Zylindersystemen vorkommen, nie homogen – also nur Öl-
Kavitation wurde bisher ausschließlich als geometrischer Effekt betrachtet, der durch Scherkräfte, Fließgeschwindigkeit und Druckunterschiede entsteht, beschreiben die Forscher die Situation. „Dass Kavitation auch an Übergängen von wechselnden Oberflächeneigenschaften entstehen kann, ist komplett neu“, hebt Pastewka hervor. Durch ein gezieltes Einstellen der Oberflächenchemie, so sind sich die Forscher sicher, könnte man die Wechselwirkung zwischen Oberfläche und Schmierstoff erheblich verbessern. In den Modellsimulationen konnte man eine Verbesserung der Oberflächentrennung um zehn Prozent beobachten.
„Zusätzliche zehn Prozent Abstand erlauben beispielsweise in Gleitlagern höhere Normalkräfte und Lasttragfähigkeiten bei ansonsten gleichen Bedingungen“, überlegt Savio. In jedem Fall, da sind sich die Wissenschaftler einig, muss die Oberflächenchemie als Designelement im Maschinenbau nun neu bewertet werden.
KIT / DE