Keine Mini-Detektoren für Gravitationswellen
Bose-Einstein-Kondensate können derzeit keine Raumzeit-Schwingungen nachweisen.
Die von schwarzen Löchern in den Tiefen des Weltraums ausgelösten Gravitationswellen erreichen zwar durchaus die Erde. Ihre Wirkungen sind aber so gering, dass sie bisher nur mit kilometergroßen Detektoranlagen beobachtet werden konnten. Wissenschaftler diskutieren jedoch, ob nicht auch superkalte und extrem kleine Bose-Einstein-Kondensate mit ihren geordneten Quanteneigenschaften diese Wellen aufspüren könnten. Ralf Schützhold vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und der TU Dresden hat diese Vorschläge jetzt genau betrachtet und stellt ernüchternd fest: Ein solcher Nachweis ist weit außerhalb der Reichweite der derzeitigen Methoden.
Im Juni 1916 reichte Albert Einstein einen Artikel bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften ein, in dem er zeigte, dass sich bewegende Massen, wie einander umkreisende Riesensterne, Schwingungen in Raum und Zeit hinterlassen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Diese Gravitationswellen wären aber so schwach, dass man sie kaum jemals messen könne, war Einstein überzeugt. Doch da irrte der berühmte Forscher. Inzwischen gelang mit den großen Detektoranlagen LIGO und VIRGO der Nachweis von Gravitationswellen, die in Milliarden Lichtjahren Entfernung durch die Verschmelzung von schwarzen Löchern oder Neutronensternen entstanden.
Eine Möglichkeit, Gravitationswellen ohne große Detektoranlagen nachzuweisen, könnten Bose-Einstein-Kondensate bieten. „Solche Kondensate kann man sich als stark verdünnten Dampf von einzelnen Atomen vorstellen, die extrem stark abgekühlt werden und dabei kondensieren“, erläutert Schützhold. Bei extrem tiefen Temperaturen, die nur sehr wenig über dem absoluten Nullpunkt liegen, befinden sich die allermeisten Atome von Metallen wie Rubidium im gleichen Quantenzustand, während sie als Dampf bei höheren Temperaturen ein wildes Durcheinander bilden. „Ähnlich wie die Lichtteilchen in einem Laser bewegen sich die Atome dieser Bose-Einstein-Kondensate sozusagen im Gleichschritt“, so Schützhold. Gravitationswellen aber können bei den Atom-Kondensaten Phononen verändern. „Das ähnelt ein wenig einem großen Bottich mit Wasser, in dem die Wellen eines Erdbebens die vorhandenen Wasserwellen verändern.“
Als Schützhold sich allerdings die Grundlagen des Phänomens genauer anschaute, stellte sich heraus, dass Bose-Einstein-Kondensate um etliche Größenordnungen größer sein müssten, als sie derzeit möglich sind, um Gravitationswellen aufzuspüren, die von verschmelzenden schwarzen Löchern ausgehen. „Heute erhält man mit großem Aufwand Bose-Einstein-Kondensate mit zum Beispiel einer Million Rubidium-Atomen. Man bräuchte aber weit mehr als die millionenfache Menge dieser Atome, um Gravitationswellen nachzuweisen“, so der Forscher. Zwar gibt es durchaus eine Alternative, bei der im Bose-Einstein-Kondensat eine Art Wirbel entstehen, in denen Gravitationswellen Phononen direkt erzeugen, die sich leichter beobachten lassen. „Aber auch bei solchen inhomogenen Bose-Einstein-Kondensaten sind wir noch um Größenordnungen vom Nachweis von Gravitationswellen entfernt“, bedauert Schützhold.
Der Forscher liefert allerdings einen Hinweis auf einen anderen möglichen Nachweis: Kühlt man das Edelgas Helium auf Temperaturen ab, die weniger als zwei Grad über dem absoluten Nullpunkt liegen, entsteht eine superfluide Flüssigkeit, die zwar kein reines Bose-Einstein-Kondensat ist, aber immerhin knapp zehn Prozent solcher Helium-Atome im Gleichschritt enthält. Weil man viel größere Mengen dieses superfluiden Heliums herstellen kann, erhält man damit um viele Größenordnungen mehr Bose-Einstein-Kondensat-Atome als mit der direkten Herstellung. „Ob superfluides Helium aber wirklich ein Weg ist, um Gravitationswellen nachzuweisen, könnten nur extrem komplizierte Berechnungen zeigen“, fasst Schützhold zusammen. Die Mini-Detektoren für Gravitationswellen liegen daher noch einige Zeit in der Zukunft.
HZDR / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
R. Schützhold: Interaction of a Bose-Einstein condensate with a gravitational wave, Phys. Rev. D 98, 105019 (2018); DOI: 10.1103/PhysRevD.98.105019 - Abt. Theoretische Physik (R. Schützhold), Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf