18.05.2021 • Quantenphysik

Keine persistente Realität für Wigners Freund

Mindestens eine von drei Schlüsselannahmen der Quantenmechanik muss verletzt sein.

Die Quantenmechanik ist berühmt für ihren Indeter­mi­nismus. Normaler­weise lassen sich jedoch Wahr­schein­lich­keiten verwenden, um die Unsicher­heit über zukünftige Beobach­tungen zu quanti­fi­zieren. Ein Team von Forschern aus Öster­reich und Kanada hat jetzt gezeigt, dass es in bestimmten extremen Quanten­szenarien nicht möglich ist, solche wahr­schein­lich­keits­theo­re­tischen Vorher­sagen zu machen, voraus­gesetzt bestimmte Schlüssel­annahmen der Quanten­mechanik treffen zu.

Abb.: Wigners Freund führt eine Quanten­messung an einem Spin-System durch....
Abb.: Wigners Freund führt eine Quanten­messung an einem Spin-System durch. Wigner misst den Freund und den Spin in einer ver­schränkten Basis. Als Folge dieser Messung kann sich Wigners Freund nicht zu­ver­lässig an sein ver­gan­genes Beob­ach­tungs­er­geb­nis er­innern und kann diese Un­wissen­heit nicht ein­mal mit einer Wahr­schein­lich­keits­ver­tei­lung quan­ti­fi­zie­ren. (Bild: Aloop, IQOQI, ÖAW)

Als Erweiterung des bekannten „Schrödingers Katze“-Experiments schlug Eugene Wigner 1961 ein weiteres Gedanken­experiment vor, heute „Wigners Freund“ genannt. Was erlebt die Katze, wenn sie sich in der Über­lagerung, der Quanten­super­position befindet? Wigner spitzte diese Frage zu, indem er die Quanten­theorie an ihre begriff­lichen Grenzen trieb. Er unter­suchte, was passiert, wenn auch ein Beobachter selbst Quanten­eigen­schaften hat.

In dem Gedanken­experiment führt ein Beobachter, eben Wigners Freund, eine Quanten­messung durch und registriert ein Ergebnis. Aus der Sicht von Wigner kann der Mess­vor­gang seines Freundes als Quanten­super­position beschrieben werden. Die Tatsache, dass die Quanten­theorie keine Gültig­keits­grenzen für ihre Anwendung setzt, führt zu einer deut­lichen Spannung zwischen der Wahr­nehmung des Freundes, der ein bestimmtes einzelnes Mess­ergebnis sieht, und der Beschreibung von Wigner, der den Freund in einer Über­lagerung verschiedener Wahr­nehmungen beobachtet.

Dieses Gedanken­experiment wirft also die Frage auf: Was bedeutet es für einen Beobachter in einer Quanten­super­position, das Ergebnis einer Messung zu beobachten? Kann ein Beobachter dem, was er sieht, immer vertrauen und daraus Vorher­sagen über zukünftige Messungen treffen? Das Team hat jetzt die Grenzen untersucht, die das Gedanken­experiment von Wigners Freund der Fähigkeit eines Beobachters auferlegt, seine eigenen zukünftigen Beobach­tungen vorher­zusagen.

Zu diesem Zweck identi­fi­zieren die Wissen­schaftler eine Reihe von Annahmen, die alle tradi­tionell als Kern des Quanten­formalismus gelten. Diese erlauben es einem Beobachter in den üblichen experi­men­tellen Situationen, die Wahr­schein­lich­keiten für zukünftige Ergebnisse auf Basis seiner vergangenen Erfahrungen vorher­zusagen. Die Annahmen zwingen die Wahr­schein­lich­keiten dazu, quanten­mechanischen Gesetzen zu gehorchen. Die Forscher beweisen jedoch, dass diese Annahmen für Wigners Freund im Gedanken­experiment nicht alle erfüllt werden können.

Die Arbeit wirft wichtige Fragen über die persistente Realität der Wahr­nehmungen von Wigners Freund auf. Tatsäch­lich zeigen die Forscher, dass es in einem Wigners-Freund-Szenario unmöglich ist, die Wahr­nehmungen des Freundes zu verschiedenen Zeit­punkten als koexistent zu betrachten. Das macht es fraglich, ob ein Quanten­beobachter im All­ge­meinen seine eigenen vergangenen oder zukünftigen Erfahrungen als ebenso real betrachten kann wie seine gegen­wärtigen. „Unsere Arbeit zeigt, dass mindestens eine von drei Schlüssel­annahmen der Quanten­mechanik verletzt sein muss“, erläutert Philippe Allard Guérin von der Uni Wien. „Welche, hängt von der bevor­zugten Inter­pretation der Quanten­mechanik ab.“

U. Wien / RK

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