Kerne für die Diagnostik zum Schwingen bringen
Große Fortschritte in MRT-Diagnostik dank hyperpolarisierter Kernspinresonanz.
Hyperpolarisierte Kernspinresonanz ermöglicht große medizinische Fortschritte in der molekularen Diagnostik, etwa für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder die Krebstherapie. Im Rahmen des EU-Verbundprojekts „MetaboliQs“ entwickelten sieben Partner unter Koordination von Fraunhofer IAF und NVision ein Mikroskopie-Verfahren, das es mittels diamantbasierter Hyperpolarisation erstmals ermöglicht, Stoffwechselprozesse auf Einzelzellebene zu analysieren. Zudem gelang es dem Verbund, Hyperpolarisation mit der PHIP-Methode erfolgreich in anwendungsnahen MRT-Versuchen zu demonstrieren.
Unter Koordination des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik IAF und der NVision Imaging Technologies GmbH hat ein internationales Konsortium aus sieben Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen im Rahmen des Projekts „MetaboliQs – Leveraging unparalleled room temperature quantum coherence to enable safe, first-of-its-kind, multimodal cardiac imaging“ Durchbrüche in der Quanten-Mikroskopie für die Analyse von Stoffwechselprozessen und der Anwendung von Parawasserstoff-induzierter Polarisation (Parahydrogen Induced Polarization, PHIP) erzielt. Die Ergebnisse bringen zwei vielversprechende Ansätze zur Verbesserung bildgebender Diagnostik und Spektroskopie in der Medizin entscheidend voran, indem sie die Nutzung der Kernspinresonanz (Nuclear Magnetic Resonance, NMR) präziser, praktikabler und effizienter gestalten. Im Rahmen des „Future and Emerging Technologies“-Programms „The Quantum Flagship“ förderte die Europäische Union (EU) „MetaboliQs“ seit 2018.
Die Verbundpartner nutzten zum einen die besonderen quantensensorischen Eigenschaften von Stickstoff-Vakanz-Zentren (nitrogen-vacancy centers, NV-Zentren) in nanostrukturiertem Diamant, um NMR-Signale im Vergleich zum derzeitigen Stand der Technik mit 1000-fach höherer räumlicher Auflösung zu detektieren und so eine mikroskopische Spektroskopie zu demonstrieren, die für Stoffwechselanalysen an einzelnen Zellen geeignet ist. Zum andern zeigten die Forscher erstmals erfolgreich, dass ein PHIP-Quantenpolarisator für den Einsatz in hochempfindlichen präklinischen In-vivo-Studien infrage kommt, und demonstrierten so eine hyperpolarisierte Magnetresonanztomografie (MRT) unter praxisnahen Bedingungen.
Volker Cimalla, Projektverantwortlicher am Fraunhofer IAF, ordnet die Ergebnisse des Vorhabens ein: „Unser Ansatz zielte darauf ab, die einzigartigen Vorteile diamantbasierter Quantensensorik in die medizinische Anwendung zu bringen. Mit dem entwickelten Quanten-Mikroskop haben wir ein einzigartiges Forschungswerkzeug geschaffen, das die Zellanalyse entscheidend voranbringt und neue Möglichkeiten der medizinischen Forschung und der In-vitro-Diagnostik eröffnet.“ Ilai Schwartz, Projektkoordinator seitens NVision, betont: „Der entwickelte Quantenpolarisator ebnet einer vielversprechenden Technologie zur Realisierung hyperpolarisierter MRT den Weg. Gegenüber aktuellen Methoden hat der PHIP-Ansatz den Vorteil, bei maximaler Präzision deutlich schneller, praktikabler und ressourcenschonender zu sein.“
Hyperpolarisation kann den größten Nachteil der NMR-Technologie überwinden: ihre relativ geringe Empfindlichkeit. Klassischerweise messen NMR-Spektrometer oder MRT-Systeme die elektrischen Signale, die entstehen, wenn Kernspins innerhalb eines externen Magnetfelds auf einen resonanten Radiofrequenz-Puls reagieren. Die Signalstärke hängt dabei von der thermischen Polarisierung der untersuchten Probe ab, also von der Menge der in ihr magnetisch ausgerichteten Kernspins. Das Signal ist normalerweise sehr schwach, da durchschnittlich nur einer von mehreren Milliarden Kernspins magnetisch ausgerichtet ist. Hyperpolarisierende Verfahren richten für einen bestimmten Zeitraum aber einen Großteil der Kernspins magnetisch aus, was die Stärke des NMR-Signals um mehrere Größenordnungen ansteigen lässt.
Mit einem durch Hyperpolarisation 100.000-fach verstärkten NMR-Signal lassen sich deshalb beispielsweise medizinische Anwendungen wie die MRT um ein Vielfaches verbessern. Kardiovaskuläre Erkrankungen können deutlich früher diagnostiziert, Krebstherapien unmittelbar auf ihre Wirkung hin geprüft und so personalisiert werden, da Mediziner in Echtzeit typische Stoffwechselprozesse auf molekularer Ebene detektieren können. Aus diesem Grund arbeiten Forscher weltweit an verschiedenen Ansätzen, um praktikable Hyperpolarisierungsmethoden für medizinische Anwendungen zu entwickeln. Aktuelle Verfahren wie die dynamische Kernpolarisation (DNP) sind bereits sehr präzise, aber extrem ressourcenintensiv. Zudem hält der hyperpolarisierte Zustand nur über Sekunden an.
Die Verbundpartner des Projekts „MetaboliQs“ setzten vor diesem Hintergrund auf die besonderen quantenphysikalischen Eigenschaften der NV-Zentren in synthetischem Diamant, der am Fraunhofer IAF auf dem von Element Six (E6) bereitgestellten optimierten Material gewachsen und nanostrukturiert wurden. An der Hebräischen Universität von Jerusalem (HUJI) wurden die Quanteneigenschaften in den Strukturen analysiert. NVision realisierte auf der Grundlage des charakterisierten Nanodiamant-Chips den Prototypen des Quanten-Mikroskops und demonstrierte in Machbarkeitsstudien sowohl die Hyperpolarisation mithilfe optisch polarisierter Elektronen-Spins im Diamant als auch die Detektion hyperpolarisierter Metaboliten in hoher spektraler Auflösung. Die Auswertung der Proben von NVision zur Bestimmung der Spin-Konzentration und Relaxationszeit übernahm die Bruker BioSpin GmbH. Mit dem Aufbau demonstrierte der Verbund erstmals eine NMR-Spektroskopie an Metaboliten auf mikroskopischer Skala.
In präklinischen In-vivo-Vergleichsstudien zeigte schließlich die Technische Universität München (TUM), dass der von NVision ebenfalls bereitgestellte Quantenpolarisator, der Hyperpolarisation durch Übertragung von Parawasserstoff auf C-13-Kerne ermöglicht, Verfahren auf Basis dynamischer Kernpolarisierung überlegen ist: Bei einem Bruchteil der beanspruchten Ressourcen sind der Polarisierungs- und Konzentrationsgrad sowie die Relaxationszeit metabolischer Tracer deutlicher höher als beim alternativen Verfahren. Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) simulierten erfolgreich, dass ein besseres Signal-Rausch-Verhältnis bei der Bildgebung zu erreichen ist, wenn die Stärke des Magnetfelds von 3 Tesla auf 1,5 oder 0,75 Tesla gedrosselt wird. Dank der überlegenen Eigenschaften des PHIP-Quantenpolarisators sind MRT-Ergebnisse auch bei schwächerem Magnetfeld qualitativ ebenbürtig; dafür sinken die Kosten für den Betrieb des MRT-Systems erheblich.
Fh.-IAF / DE