25.05.2022

Kerne für die Diagnostik zum Schwingen bringen

Große Fortschritte in MRT-Diagnostik dank hyperpolarisierter Kernspinresonanz.

Hyperpolarisierte Kernspinresonanz ermöglicht große medizinische Fortschritte in der molekularen Diagnostik, etwa für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder die Krebstherapie. Im Rahmen des EU-Verbund­projekts „MetaboliQs“ entwickelten sieben Partner unter Koordination von Fraunhofer IAF und NVision ein Mikroskopie-Verfahren, das es mittels diamantbasierter Hyper­polarisation erstmals ermöglicht, Stoffwechsel­prozesse auf Einzelzellebene zu analysieren. Zudem gelang es dem Verbund, Hyper­polarisation mit der PHIP-Methode erfolgreich in anwendungs­nahen MRT-Versuchen zu demonstrieren.

 

Abb.: Mit dem demonstrierten PHIP-Quanten­polarisator können...
Abb.: Mit dem demonstrierten PHIP-Quanten­polarisator können MRT-Unter­suchungen präziser, schneller und ressourcen­schonender durch­geführt werden. (Bild: andrew_shots – www.stock.adobe.com)

Unter Koordination des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik IAF und der NVision Imaging Technologies GmbH hat ein internationales Konsortium aus sieben Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen im Rahmen des Projekts „MetaboliQs – Leveraging unparalleled room temperature quantum coherence to enable safe, first-of-its-kind, multimodal cardiac imaging“ Durchbrüche in der Quanten-Mikroskopie für die Analyse von Stoffwechselprozessen und der Anwendung von Parawasserstoff-induzierter Polarisation (Parahydrogen Induced Polarization, PHIP) erzielt. Die Ergebnisse bringen zwei viel­versprechende Ansätze zur Verbesserung bildgebender Diagnostik und Spektroskopie in der Medizin entscheidend voran, indem sie die Nutzung der Kernspin­resonanz (Nuclear Magnetic Resonance, NMR) präziser, praktikabler und effizienter gestalten. Im Rahmen des „Future and Emerging Technologies“-Programms „The Quantum Flagship“ förderte die Europäische Union (EU) „MetaboliQs“ seit 2018.

Die Verbundpartner nutzten zum einen die besonderen quanten­sensorischen Eigenschaften von Stickstoff-Vakanz-Zentren (nitrogen-vacancy centers, NV-Zentren) in nanostrukturiertem Diamant, um NMR-Signale im Vergleich zum derzeitigen Stand der Technik mit 1000-fach höherer räumlicher Auflösung zu detektieren und so eine mikroskopische Spektroskopie zu demonstrieren, die für Stoffwechsel­analysen an einzelnen Zellen geeignet ist. Zum andern zeigten die Forscher erstmals erfolgreich, dass ein PHIP-Quanten­polarisator für den Einsatz in hochempfindlichen präklinischen In-vivo-Studien infrage kommt, und demonstrierten so eine hyperpolarisierte Magnet­resonanz­tomografie (MRT) unter praxisnahen Bedingungen.

Volker Cimalla, Projektverantwortlicher am Fraunhofer IAF, ordnet die Ergebnisse des Vorhabens ein: „Unser Ansatz zielte darauf ab, die einzigartigen Vorteile diamantbasierter Quanten­sensorik in die medizinische Anwendung zu bringen. Mit dem entwickelten Quanten-Mikroskop haben wir ein einzigartiges Forschungs­werkzeug geschaffen, das die Zellanalyse entscheidend voranbringt und neue Möglichkeiten der medizinischen Forschung und der In-vitro-Diagnostik eröffnet.“ Ilai Schwartz, Projekt­koordinator seitens NVision, betont: „Der entwickelte Quanten­polarisator ebnet einer vielversprechenden Technologie zur Realisierung hyper­polarisierter MRT den Weg. Gegenüber aktuellen Methoden hat der PHIP-Ansatz den Vorteil, bei maximaler Präzision deutlich schneller, praktikabler und ressourcen­schonender zu sein.“

Hyperpolarisation kann den größten Nachteil der NMR-Technologie überwinden: ihre relativ geringe Empfindlichkeit. Klassischer­weise messen NMR-Spektrometer oder MRT-Systeme die elektrischen Signale, die entstehen, wenn Kernspins innerhalb eines externen Magnetfelds auf einen resonanten Radiofrequenz-Puls reagieren. Die Signalstärke hängt dabei von der thermischen Polarisierung der untersuchten Probe ab, also von der Menge der in ihr magnetisch ausgerichteten Kernspins. Das Signal ist normalerweise sehr schwach, da durchschnittlich nur einer von mehreren Milliarden Kernspins magnetisch ausgerichtet ist. Hyper­polarisierende Verfahren richten für einen bestimmten Zeitraum aber einen Großteil der Kernspins magnetisch aus, was die Stärke des NMR-Signals um mehrere Größen­ordnungen ansteigen lässt.

Mit einem durch Hyperpolarisation 100.000-fach verstärkten NMR-Signal lassen sich deshalb beispielsweise medizinische Anwendungen wie die MRT um ein Vielfaches verbessern. Kardiovaskuläre Erkrankungen können deutlich früher diagnostiziert, Krebs­therapien unmittelbar auf ihre Wirkung hin geprüft und so personalisiert werden, da Mediziner in Echtzeit typische Stoffwechselprozesse auf molekularer Ebene detektieren können. Aus diesem Grund arbeiten Forscher weltweit an verschiedenen Ansätzen, um praktikable Hyper­polarisierungs­methoden für medizinische Anwendungen zu entwickeln. Aktuelle Verfahren wie die dynamische Kernpolarisation (DNP) sind bereits sehr präzise, aber extrem ressourcen­intensiv. Zudem hält der hyper­polarisierte Zustand nur über Sekunden an.

Die Verbundpartner des Projekts „MetaboliQs“ setzten vor diesem Hintergrund auf die besonderen quanten­physikalischen Eigenschaften der NV-Zentren in synthetischem Diamant, der am Fraunhofer IAF auf dem von Element Six (E6) bereitgestellten optimierten Material gewachsen und nanostrukturiert wurden. An der Hebräischen Universität von Jerusalem (HUJI) wurden die Quanten­eigenschaften in den Strukturen analysiert. NVision realisierte auf der Grundlage des charakterisierten Nanodiamant-Chips den Prototypen des Quanten-Mikroskops und demonstrierte in Machbarkeits­studien sowohl die Hyper­polarisation mithilfe optisch polarisierter Elektronen-Spins im Diamant als auch die Detektion hyper­polarisierter Metaboliten in hoher spektraler Auflösung. Die Auswertung der Proben von NVision zur Bestimmung der Spin-Konzentration und Relaxations­zeit übernahm die Bruker BioSpin GmbH. Mit dem Aufbau demonstrierte der Verbund erstmals eine NMR-Spektroskopie an Metaboliten auf mikroskopischer Skala.

In präklinischen In-vivo-Vergleichsstudien zeigte schließlich die Technische Universität München (TUM), dass der von NVision ebenfalls bereitgestellte Quanten­polarisator, der Hyper­polarisation durch Übertragung von Parawasserstoff auf C-13-Kerne ermöglicht, Verfahren auf Basis dynamischer Kern­polarisierung überlegen ist: Bei einem Bruchteil der beanspruchten Ressourcen sind der Polarisierungs- und Konzentrations­grad sowie die Relaxations­zeit metabolischer Tracer deutlicher höher als beim alternativen Verfahren. Forscher der Eid­genössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) simulierten erfolgreich, dass ein besseres Signal-Rausch-Verhältnis bei der Bildgebung zu erreichen ist, wenn die Stärke des Magnetfelds von 3 Tesla auf 1,5 oder 0,75 Tesla gedrosselt wird. Dank der überlegenen Eigenschaften des PHIP-Quanten­polarisators sind MRT-Ergebnisse auch bei schwächerem Magnetfeld qualitativ ebenbürtig; dafür sinken die Kosten für den Betrieb des MRT-Systems erheblich.

Fh.-IAF / DE

 

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