05.12.2019 • Energie

Kernfusion dank starker Laser

Röntgenlicht könnte Tunnelprozesse für eine kontrollierte Fusion ermöglichen.

Im Labor gelingt die Fusion zweier Atomkerne zum Beispiel mit Teilchen­beschleunigern, wenn Forscher Fusions­reaktionen zur Bildung schneller freier Neutronen für weiterführende Experimente nutzen. In weit größerem Maßstab soll die kontrollierte Fusion leichter Kerne Anwendung in der Energie­erzeugung finden. Vorbild ist die Sonne: Deren Energie speist sich aus einer Reihe von im Innern ablaufenden Fusions­reaktionen. Seit vielen Jahren arbeiten Wissenschaftler an Konzepten, mit denen sich aus der Fusions­energie Strom erzeugen ließe. „Zum einen ist es die Aussicht auf eine praktisch unerschöpfliche Energiequelle. Zum anderen sind es die vielen noch vorhandenen, techno­logischen Hürden, zu deren Meisterung wir mit unserer Arbeit einen Beitrag leisten wollen“, sagt Ralf Schützhold, Direktor der Abteilung für Theoretische Physik am HZDR, die Motivation seiner Forschung.

Abb.: Das Licht eines Freie-Elektronen-Lasers könnte für kon­trollierte...
Abb.: Das Licht eines Freie-Elektronen-Lasers könnte für kon­trollierte Kernfusions­prozesse genutzt werden. (Bild: Desy)

Um eine Kernfusion auszulösen, müssen die starken elektrischen Abstoßungs­kräfte der miteinander zu verschmelzenden, gleichartig geladenen Atomkerne überwunden werden. Dazu sind normalerweise hohe Energien notwendig. Doch es gibt noch einen weiteren Weg, erläutert Friedemann Queißer: „Reicht die verfügbare Energie nicht aus, kann die Fusion auch durch Tunneln ermöglicht werden, einen quanten­mechanischen Prozess. Dabei wird die von der Kernabstoßung verursachte Energiebarriere bei niedrigeren Energien durchtunnelt.“ Der Vorgang ist kein theoretisches Konstrukt, sondern Realität: So reichen die im Sonnenkern anzu­treffenden Temperaturen und Druck­verhältnisse nicht aus, um die Energiebarriere für eine Fusion von Wasserstoff­kernen zu überwinden. Die Fusion findet trotzdem statt: Die vorherrschenden Bedingungen gestatten, über eine genügende Zahl von Tunnel­prozessen die Fusionsreaktion aufrecht zu erhalten. 

Nun untersuchten die HZDR-Wissenschaftler, ob die Unterstützung von Tunnel­prozessen mittels Strahlung eine kontrollierte Fusion erleichtern kann. Doch auch das ist eine Frage der Energie: Je niedriger sie ist, desto unwahr­scheinlicher wird das Tunneln. So war die Leistung herkömmlicher Laser­strahlung für das Auslösen solcher Prozesse bislang zu gering. Das könnte sich bald ändern: Mit Freie-Elektronen-Lasern mit Röntgenlicht lassen sich bereits Leistungsdichten in einer Größenordnung von 1020 Watt pro Quadrat­zentimeter erreichen. Das entspricht in etwa dem Tausendfachen der auf die Erde einstrahlenden Leistung unserer Sonne, gebündelt auf die Fläche einer 1-Eurocent-Münze. „Damit stoßen wir in Bereiche vor, die eine Unterstützung solcher Tunnelprozesse mit starken Röntgen­lasern möglich erscheinen lassen“, so Schützhold.

Die Idee: Das die Abstoßung der Kerne verursachende, starke elektrische Feld wird mit einem schwächeren, sich aber schnell ändernden elektro­magnetischen Feld überlagert, wie es mit Hilfe eines XFEL erzeugt werden kann. Die Dresdner Wissenschaftler haben das anhand der Fusion der Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium theoretisch untersucht. Diese Reaktion gilt heute als eine der aussichts­reichsten, wenn es um erfolgversprechende Konzepte für künftige Fusions­kraftwerke geht. Die Ergebnisse zeigen, dass sich auf diesem Wege die Tunnelrate erhöhen lässt; eine ausreichende Zahl ausgelöster Tunnelprozesse könnte schließlich eine erfolgreiche und kontrollierte Fusions­reaktion ermöglichen. Einige wenige Lasersysteme mit entsprechendem Potenzial gehören heute zu den Flaggschiffen von Großforschungsanlagen weltweit, wie etwa in Japan und den USA oder in Deutschland, wo mit dem Röntgenlaser European XFEL der weltstärkste Laser seiner Art steht. An der dortigen Helmholtz International Beamline for Extreme Fields (HIBEF) sind Experimente mit einzigartigen ultrakurzen und extrem lichtstarken Röntgen­blitzen geplant. HIBEF wird derzeit vom HZDR aufgebaut.

Als nächstes wollen die Dresdner Starkfeld-Physiker noch tiefer in die Theorie eintauchen, um auch andere Fusions­reaktionen besser verstehen und deren Potenzial für mittels Strahlung unterstützte Tunnel­prozesse abschätzen zu können. Solche wurden bereits bei Laborsystemen, wie Quantenpunkten in der Festkörper-Physik oder Bose-Einstein-Kondensaten, beobachtet, doch im Falle der Kernfusion steht der experimentelle Nachweis noch aus. Perspektivisch halten die Autoren der Studie auch andere Strahlungs­quellen zur Unterstützung von Tunnelprozessen für möglich. Zu Elektronen­strahlen liegen bereits erste theoretische Ergebnisse vor.

HZDR / JOL

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