08.09.2022

Kernspinresonanz ohne starke Magnetfelder

Kleine Spektroskopiegeräte verbinden Null- bis Ultraniedrigfeld-Magnetresonanz mit Hyperpolarisationstechnik.

Die Kernspinresonanz stellt die Basis für zahlreiche Anwendungen dar, beispielsweise die Magnetresonanztomografie in der medizinischen Diagnostik. Allerdings werden bisher noch starke Magnetfelder benötigt, was den Einsatz der Kernspinresonanz (NMR, Nuclear Magnetic Resonance) begrenzt. Forschungen an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und dem Helmholtz-Institut Mainz (HIM) zeigen nun neue Möglichkeiten auf, die zu einer Verkleinerung der Geräte und einer höheren Sicherheit beitragen können, weil sie auf starke Magnetfelder verzichten. Erreicht wird dies durch eine Kombination von Null- bis Ultraniedrigfeld-Magnet­resonanz mit einer speziellen Technik zur Hyper­polarisation. „Es ist eine konzeptionell neue, schöne Methode, die uns viele Gelegenheiten eröffnet und die bisherigen Nachteile überwindet“, sagt Danila Barskiy, der als Sofja-Kovalevskaja-Preisträger seit 2020 an der JGU und am HIM auf diesem Gebiet arbeitet.

 

Abb.: Danila Barskiy beim Experiment (Bild: D. Barskiy)
Abb.: Danila Barskiy beim Experiment (Bild: D. Barskiy)

Problematisch ist bei den bisherigen Anwendungen der Kernspinresonanz vor allem, dass die Geräte wegen der Magneten sehr schwer und auch teuer sind. Erschwerend kommt derzeit eine Verknappung bei flüssigem Helium hinzu, das als Kühlmittel benötigt wird. „Mit der neuen Methode bewegen wir uns in Richtung einer magnetfreien Umgebung, auch wenn die vor uns liegenden Aufgaben noch eine Herausforderung sind“, beschreibt Danila Barskiy die Perspektive.

Damit starke Magnetfelder überflüssig werden, nutzt der Wissenschaftler die Null- bis Ultra­niedrigfeld-Magnetresonanz, kurz ZULF-NMR, und kombiniert sie mit einer speziellen Methode zur Hyperpolarisation von Atomkernen. ZULF-NMR ist eine neu aufkommende Technik, die auch ohne starke Magnetfelder umfangreiche spektroskopische Informationen liefert. Ein weiterer Vorteil gegenüber der Hochfeld-NMR ist, dass Signale auch in Gegenwart von leitfähigen Materialien wie Metallen gut nachweisbar sind. Die Sensoren, die für die ZULF-NMR verwendet werden, in der Regel optisch gepumpte Magnetometer, sind sehr empfindlich, einfach zu handhaben und im Handel erhältlich. Die ZULF-NMR-Spektrometer sind damit relativ einfach aufzubauen.

Eine Schwachstelle ist bisher allerdings noch das NMR-Signal. Die Methoden, die zur Erzeugung des Signals derzeit angewandt werden, sind nur für einen begrenzten Pool von Chemikalien geeignet oder mit unerschwinglich hohen Kosten verbunden. Barskiy nutzt daher die Hyperpolarisation von Atomkernen, bei der die Spins der Kerne in großer Zahl ausgerichtet werden. Dazu sind verschiedene Techniken geeignet, die ein ausreichend starkes Signal für den Nachweis unter ZULF-Bedingungen liefern. SABRE – Signal Amplification by Reversible Exchange – hat sich als besonders günstig erwiesen: Im Zentrum der Technik befindet sich ein Iridium-Metallkomplex, der den Transfer der Spinordnung von Parawasserstoff auf ein Substrat vermittelt. Nachteile dieser Technik, die aus der vorübergehenden Bindung der Probe an den Komplex resultieren, hat Barskiy mithilfe von SABRE-Relay gelöst, einer noch recht jungen Weiterentwicklung: Die Polarisation erfolgt via SABRE und wird dann weiter auf ein sekundäres Substrat übertragen.

In ihrer Publikation beschreiben Danila Barskiy, Erstautor Erik Van Dyke und ihre Co-Autoren, wie der Signal-Nachweis für Methanol und Ethanol in einer Probe gelingt, die aus Wodka extrahiert wurde. „Mit diesem einfachen Beispiel zeigen wir, wie der Anwendungsbereich der ZULF-NMR durch eine kostengünstige, schnelle und vielseitige Hyper­polarisations­methode erweitert werden kann“, fasst Barskiy die Ergebnisse zusammen. „Wir hoffen, dass wir unserem Ziel einen weiteren Schritt näherkommen, nämlich kompakte und tragbare Geräte zur Untersuchung von Flüssigkeiten wie Blut und Urin, aber perspektivisch auch von Glukose und Aminosäuren zu entwickeln.“

Danila Barskiy erhielt 2020 einen Sofja Kovalevskaja-Preis der Alexander von Humboldt-Stiftung und wechselte von der der University of California, Berkeley, nach Mainz in den Bereich von Dmitry Budker, Gastgeber am Institut für Physik der JGU und am HIM. Barskiy ist physikalischer Chemiker und Leiter einer Arbeitsgruppe, die Anwendungen der Kernspin­resonanz für die Chemie, Biologie und Medizin weiterentwickelt.

JGU / DE

 

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