Kernübergang mit Laser anregen
Thoriumisotop soll in relativistischem Speicherring untersucht werden.
Das Thoriumisotop mit der Massenzahl 229 (229Th) ist in vielerlei Hinsicht hochspannend – für die Grundlagenphysik ebenso wie für zukünftige Anwendungen etwa im Sinne einer Atomkernuhr. Ein internationales deutsch-chinesisch-amerikanisches Forschungsteam mit Beteiligung der Arbeitsgruppe von Dmitry Budker von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz hat nun einen völlig neuen Ansatz vorgeschlagen, um dieses Thoriumisotop präzise studieren zu können. Die Forscher wollen Thorium-Ionen nutzen, die nur noch drei Elektronen in der Hülle besitzen, statt neunzig, wie in einem neutralen Atom. Ein solches System bietet viele Vorteile, vor allem, dass der erste Kernübergang mit konventionellen Lasern im sichtbaren Wellenlängenbereich angeregt werden kann. Dies setzt jedoch voraus, dass die Ionen in einem relativistischen Speicherring zirkulieren.
Das Besondere an Thorium-229: Sein Atomkern besitzt mit dem metastabilen Isomer Thorium-229m das bei Weitem niedrigste angeregte Energieniveau aller derzeit bekannten etwa 3800 Atomkerne. Es ist deshalb der einzige Kernübergang, der potenziell mit Lasern abgefragt werden kann – auch ohne Speicherringe zu nutzen. Die extrem präzise Vermessung dieses Übergangs und der beiden Kernzustände eröffnet vielversprechende und vielfältige Perspektiven.
Hierzu schlagen die Forscher um Dmitry Budker nun eine neue Vorgehensweise vor – sowohl hinsichtlich des Untersuchungsobjekts als auch in Bezug auf das experimentelle Setting: Sie nutzen hoch geladene Ionen, Highly Charged Ions, kurz HCI, und zwar konkret solche, bei dePanoramanen sich nur noch drei Elektronen in der Elektronenhülle befinden. In solchen hoch geladenen Thorium-Ionen eröffnet das Wechselspiel zwischen Elektron und Kern einige neue Übergänge, die zur effizienten „Bevölkerung“ des isomeren Kernzustandes genutzt werden können. Die Thorium-Ionen sollen dann, so die Idee, in einem Teilchenbeschleuniger auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. So entfaltet sich quasi eine Hebelwirkung, um sie möglichst effektiv mit einem konventionellen Laser anzuregen und so sehr genau studieren zu können. Vor allem können mehrere Anregungszustände adressiert und genutzt werden, um den eigentlich interessanten isomeren Zustand zu „bevölkern“.
Die meisten bisherigen Studien über Thorium-229m haben sich mit nichtrelativistischen Atomen oder Ionen in niedrigen Ladungszuständen beschäftigt, was hohe Anforderungen an die für die Anregung erforderliche Lichtquelle stellt – denn es wird ein extrem kurzwelliger Laser im tiefen Ultraviolettbereich benötigt. „Dass wir stattdessen einen Laser im sichtbaren – konventionellen – Wellenlängenbereich nutzen können, macht spektroskopische Untersuchungen einfacher“, erläutert Dmitry Budker. „Dass dies überhaupt möglich ist, hängt damit zusammen, dass die Thorium-Ionen auf beinahe Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Durch diesen relativistischen Effekt nehmen sie einen von vorne auf sie gerichteten Laserstrahl als Strahl mit einer sehr viel kürzeren Wellenlänge wahr – für sie erscheint konventionelles Laserlicht wie ein UV-Laser“, ergänzt der Erstautor Junlan Jin, aktuell Doktorand an der Princeton University, der im Rahmen eines „Remote-Internships“ sehr eng und erfolgreich mit der Gruppe von Dmitry Budker zusammengearbeitet hat.
In der aktuellen Veröffentlichung beschreiben die Autoren die verschiedenen Schritte, die zur Realisierung ihrer Methode nötig sind: Sie beginnen bei der Erzeugung eines beschleunigten Strahls von hoch geladenen Thorium-Ionen, wobei mögliche Beschleunigerringe die im Bau befindliche FAIR Anlage an der GSI oder die geplante Gamma Factory am CERN sind – an den konzeptionellen Vorschlägen zur Realisierung einer solchen „Super-Lichtquelle“ sind auch die Autoren der aktuellen Thorium-Veröffentlichung beteiligt. Anschließend diskutieren sie ausführlich verschiedene Szenarien, um eine möglichst vollständige Anregung der Thorium-Kerne zu erhalten, bevor sie den Nachweis der produzierten angeregten Zustände und die Übertragbarkeit auf ähnliche Systeme in den Blick nehmen.
Das Fazit des Forschungsteams: Nach deren Schätzung kann die Energie des isomeren Zustands mit einer Genauigkeit von mehr als 10-4 bis hinunter zu 10-6 gemessen werden, was eine Verbesserung um Größenordnungen gegenüber dem derzeitigen Wert darstellt. Dies würde den Weg für weitere Verbesserungen bei der Bestimmung der Energie des isomeren Zustands ebnen und helfen, fundamentale physikalische Fragen mit Hilfe des Thorium Systems zu beantworten.
„Die Entwicklung einer Kernuhr steht dabei weniger im Fokus unseres Vorschlags, denn für deren Realisierung bringt unsere neue Methode verschiedene technologische Herausforderungen mit sich“, ergänzt Dmitry Budker. „Für uns ist Thorium aber eine sehr große Spielwiese, um grundlegende physikalische Fragen zu adressieren, sozusagen ein Testlabor für neue Physik. Wir wollen zum Beispiel die Frage beantworten, ob bestimmte Naturkonstanten vielleicht gar nicht so konstant sind, sondern sich mit der Zeit oder mit dem Ort ändern. Zudem ist es vorstellbar, fundamentale Symmetrien zu testen und nach Teilchen zu suchen, die über das Standardmodell hinausgehen.“
JGU / DE