KI führt an die Grenzen der Präzision
Algorithmen für neuronale Netze optimieren bildgebende Verfahren.
Kein Bild ist unendlich scharf. Egal wie präzise man ein Mikroskop oder eine Kamera baut, es gibt immer grundlegende Genauigkeitsgrenzen, die man prinzipiell nicht sprengen kann. Die Position eines Teilchens kann man niemals unendlich genau vermessen, eine gewisse Unschärfe ist unvermeidlich. Diese Grenze ergibt sich nicht aus technischen Schwächen, sondern aus den physikalischen Eigenschaften des Lichts und der Informationsübertragung selbst. Die TU Wien, die Universität Glasgow und die Universität Grenoble stellten daher die Frage: Wo liegt die absolute Grenze der Präzision, die mit optischen Methoden möglich ist? Und wie kann man diese Grenze möglichst gut erreichen? Und tatsächlich gelang es dem internationalen Team, eine unterste Schranke für die theoretisch erreichbarer Präzision anzugeben und AI-Algorithmen für neuronale Netze zu entwickeln, die nach entsprechendem Training dieser Schranke sehr nahekommen. Diese Strategie soll nun in bildgebenden Verfahren eingesetzt werden, etwa in der Medizin.

„Stellen wir uns vor, wir betrachten ein kleines Objekt hinter einer unregelmäßigen, trüben Glasscheibe“, sagt Stefan Rotter vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. „Wir sehen dann nicht einfach ein Bild des Objekts, sondern ein kompliziertes Lichtmuster, bestehend aus vielen helleren und dunkleren Lichtflecken. Die Frage ist nun: Wie genau können wir auf Basis dieses Bildes abschätzen, wo sich das Objekt tatsächlich befindet – und wo liegt die absolute Grenze dieser Genauigkeit?“ Solche Szenarien sind etwa in der Biophysik oder der medizinischen Bildgebung von Bedeutung. Wenn Licht durch biologisches Gewebe gestreut wird, verliert es scheinbar die Information über tiefer liegende Gewebestrukturen. Doch wie viel von dieser Information lässt sich prinzipiell zurückgewinnen? Diese Frage ist nicht nur von technischer Natur, sondern die Physik selbst gibt hier grundlegende Grenzen vor.
Die Antwort darauf liefert ein theoretisches Maß: die Fisher-Information. Sie beschreibt, wie viel Information ein durch irgendwelche Effekte verfälschtes optisches Signal über einen unbekannten Parameter – etwa die Objektposition – enthält. Ist die Fisher-Information gering, ist keine präzise Bestimmung mehr möglich, ganz egal wie raffiniert man das Signal auswertet. Auf Basis dieses Konzepts konnte das Team eine Obergrenze für die theoretisch erreichbare Genauigkeit in unterschiedlichen experimentellen Szenarien berechnen.
Während das Team der TU Wien theoretische Beiträge lieferte, wurde ein entsprechendes Experiment von Dorian Bouchet von der Universität Grenoble zusammen mit Ilya Starshynov und Daniele Faccio von der Universität Glasgow konzipiert und durchgeführt. In diesem Experiment wurde ein Laserstrahl auf ein kleines, spiegelndes Objekt gerichtet. Dieses befand sich hinter einer trüben Flüssigkeit, sodass die aufgenommenen Bilder nur noch stark verzerrte Lichtmuster zeigten. Je nach Trübung variierten die Messbedingungen – und damit auch die Schwierigkeit, aus dem Signal präzise Positionsinformationen zu gewinnen.
„Für das menschliche Auge sehen diese Bilder wie zufällige Flecken aus“, sagt Maximilian Weimar. „Aber wenn wir viele solcher Bilder – jeweils mit bekannter Objektposition – in ein neuronales Netz einspeisen, kann das Netz lernen, welche Muster mit welchen Positionen zusammenhängen.“ Nach ausreichendem Training war das Netz in der Lage, auch bei neuen, unbekannten Mustern die Objektposition sehr genau zu ermitteln. Die Genauigkeit der Vorhersage war in allen Szenarien nur minimal schlechter als das theoretisch erreichbare Maximum – berechnet über die Fisher-Information. „Das bedeutet, dass unser KI-gestützter Algorithmus nicht nur effektiv, sondern nahezu optimal ist“, sagt Stefan Rotter. „Er erreicht fast genau jene Präzision, die durch physikalische Gesetze überhaupt erlaubt ist.“
Diese Erkenntnis hat weitreichende Konsequenzen: Mit Hilfe intelligenter Algorithmen könnten optische Messverfahren in verschiedensten Bereichen deutlich verbessert werden – von der medizinischen Diagnostik über die Materialforschung bis hin zur Quantentechnologie. In künftigen Projekten will das Forschungsteam gemeinsam mit Partnern aus der angewandten Physik und Medizin untersuchen, wie diese KI-gestützten Methoden in konkreten Systemen zum Einsatz kommen können.
TU Wien / JOL