31.05.2017

Kielfeld-Beschleunigung mit Feinkontrolle

Gezielte Beeinflussung des Beschleunigungsplasmas verbessert Energieverteilung der Elektronen.

Hamburger Forscher haben ein raffiniertes Verfahren zur Verbesserung sogenannter Plasma­beschleuniger ersonnen, die als vielversprechende Kandidaten für die Teilchen­beschleuniger der Zukunft gelten. Mit einem „Pendeltrick“ lässt sich die Qualität der Elektronenstrahlen aus diesen innovativen Teilchen­beschleunigern erheblich verbessern, wie ein Forscher­team der DESY-Forschungs­bereiche Beschleuniger und Teilchen­physik zusammen mit der Gruppe von Andreas R. Maier von der Universität Hamburg herausgefunden hat.

Abb.: Simulation der Plasmawelle, die der Laserpuls (rot) hinter sich herzieht. Das Elektronenpaket ist als heller Fleck nahe dem Wellental zu sehen. (Bild: S. Jalas, U. Hamburg)

„Plasmabeschleuniger können eine bis zu tausendfach stärkere Beschleunigung erreichen als die modernsten Maschinen, die heute im Einsatz sind“, sagt DESY-Beschleuniger­direktor Reinhard Brinkmann, auf dessen Vorschlag die Studie basiert. „Damit könnten kompaktere und stärkere Anlagen mit einem breiten Einsatz­spektrum von der Grundlagen­forschung bis zur Medizin möglich werden. Allerdings befindet sich die Technik noch in einem sehr frühen experimentellen Stadium, und eine Reihe von Problemen muss gelöst werden, bevor eine Anwendung möglich wird.“

Bei der Plasma-Beschleunigung wird in einer dünnen Kapillare eine Welle aus elektrisch geladenem Gas erzeugt. Dazu können beispielsweise Wasserstoff und extrem intensive und kurze Laser­blitze dienen. „Die Laserpulse pflügen als schmale Scheiben durch das Gas und entreißen den Wasserstoff­molekülen ihre Elektronen, die wie von einem Schnee­pflug zur Seite gefegt werden“, beschreibt Maier, der am Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) arbeitet, einer Gemeinschafts­einrichtung von DESY, Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft. „Elektronen im Kiel­wasser des Blitzes werden von der elektrisch positiv geladenen Plasma­welle vor ihnen beschleunigt – ähnlich wie ein Wakeboard-Surfer in der Heckwelle eines Schiffs.“

Dabei ist allerdings die Beschleunigung nicht für alle Elektronen dieselbe, je nach ihrer genauen Position auf der Welle. Teilchen, die sich etwas weiter vorne befinden, werden etwas schwächer beschleunigt als solche, die etwas weiter hinten reiten. Das führt zu einer unerwünscht breiten Streuung der Teilchen­energie. „Daraus ergibt sich ein ähnliches Problem wie bei der Fokussierung von Licht mit vielen Farben“, erläutert Maier. „Eine Linse funktioniert immer nur für eine Farbe optimal. Auch bei Elektronen funktioniert die Fokussierung stets nur für einen Energiewert optimal. Die Verringerung der sogenannten Energie­breite ist daher eines der wichtigsten Probleme von Plasma­beschleunigern.“

Ein Lösungsvorschlag kam von Brinkmann: Lässt man die Elektronen durch das Wellental vor und zurück pendeln, wird mal die eine Seite des Elektronen­pakets stärker beschleunigt, und dann wieder die andere. Im Mittel gleicht sich das aus, so dass alle Elektronen dieselbe Beschleunigung erfahren – die Energiebreite schrumpft dadurch stark zusammen. Dabei wechseln die Fokussierungs­kräfte jeweils das Vorzeichen. Eine solche „alternierende Gradienten-Fokussierung“ ist ein in konventionellen Beschleunigern etabliertes Konzept, das stabile Teilchen­bahnen erlaubt. Neben der kleinen Energie­breite wird somit auch eine sehr gute Bündelung (eine geringe Emittanz) des Strahls garantiert. Ganz so einfach lässt sich das allerdings nicht umsetzen, denn die gesamte Plasmawelle ist nur etwa 0,1 Millimeter lang, und die Elektronen lassen sich nicht einfach im nötigen kurzen Rhythmus verschieben. „Es ist sehr schwierig, daran etwas zu manipulieren“, sagt Maier.

Die Physiker ersonnen daher eine Alternative: Statt der Elektronen lässt sich auch die Plasma­welle hin und her schieben, was deutlich einfacher zu kontrollieren ist. Dazu müssen sich in der gas­gefüllten Kapillare Zonen höherer und niedrigerer Dichte abwechseln. Das lässt sich erreichen, indem entlang der einige Millimeter langen Kapillare mehrere Gas-Zuläufe mit düsen­förmigen Öffnungen gelegt werden. Jede Düse führt zu einer Zone erhöhter Gasdichte im Inneren der Kapillare. Bei jeder Dichte­schwankung ändert sich die Wellenlänge der Plasma­welle, so dass sie sich relativ zu den Elektronen verschiebt. Die Teilchen reiten so abwechselnd etwas weiter vorne und etwas weiter hinten auf der Welle.

„Auf diese Weise können wir über die Veränderung makroskopischer Parameter, beispielsweise über den Druck in der Wasserstoff-Zuleitung, den Elektronen­strahl auf der Mikrometer-Ebene beeinflussen“, sagt Maier. „Mit dem von uns ausgearbeiteten Prinzip hoffen wir dabei, direkte Kontrolle über das Beschleunigungsfeld zu bekommen. Das ist ein entscheidender Schritt für die Entwicklung von Plasma­beschleunigern.“ Die Forscher haben die Methode im Detail simuliert, unter anderem auf dem Supercomputer JURECA am Forschungszentrum Jülich. Ein praktischer Test steht noch aus. In einem ersten Schritt wollen die Physiker das zugrundeliegende Konzept am experimentellen Laser-Plasma­beschleuniger LUX ausprobieren, und dabei über gezielte Steuerung der Plasma­dichte in der Kapillare die Elektronen direkt beeinflussen. LUX wird gemeinsam von DESY und der Universität Hamburg im Rahmen der LAOLA-Kooperation betrieben.

DESY / DE

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