Klassisches Doppelspalt-Experiment in neuem Licht
Neue Röntgenspektroskopie-Methode zur Untersuchung der Eigenschaften von Festkörpern.
Eine neue Variante des grundlegenden Doppelspalt-Experiments hat ein internationales Forscherteam unter Führung von Wissenschaftlern der Universität zu Köln mittels resonanter inelastischer Röntgenstreuung am Europäischen Synchrotron ESRF in Grenoble realisiert. Damit lassen sich künftig die elektronische Struktur von Festkörpern genauer bestimmen.
Vor mehr als zweihundert Jahren hat Thomas Young Licht an zwei nebeneinanderliegenden Spaltöffnungen gebeugt und so hinter diesem Doppelspalt Interferenzmuster erzeugt. Damit konnte er die Welleneigenschaften des Lichts nachweisen. Im 20. Jahrhundert wurde gezeigt, dass Elektronen oder Moleküle bei Streuung am Doppelspalt das gleiche Interferenzmuster zeigen, was der klassischen Erwartung vom Teilchenverhalten widerspricht aber im quantenmechanischen Welle-Teilchen-Dualismus erklärt werden kann.
Die Forschergruppe hat einen Iridiumoxid-Kristall mittels der resonanten inelastischen Röntgenstreuung untersucht. Dabei wird der Kristall mit stark gebündelten, sehr energiereichen Röntgenphotonen bestrahlt. Die Beugung der Röntgenstrahlung findet hier nicht an Spaltöffnungen, sondern an Iridium-Atomen im Kristall statt. Aufgrund der rasanten technischen Entwicklung der resonanten inelastischen Röntgenstreuung und einer geschickten Wahl der Kristallstruktur ist es den Forschern gelungen, gezielt die Streuung an zwei benachbarten Iridium-Atomen, einem Dimer, zu beobachten. „Das Interferenzmuster verrät uns sehr viel über das streuende Objekt, den Dimer-Doppelspalt. Im Gegensatz zum klassischen Doppelspalt-Experiment geben die inelastisch gestreuten Röntgen-Photonen Auskunft über die angeregten Zustände des Dimers, insbesondere deren Symmetrie, und somit über die dynamischen physikalischen Eigenschaften des Festkörpers“, erläutert Markus Grüninger von der Universität zu Köln, der Leiter der Forschergruppe.
„Diese Experimente erfordern ein modernes Synchrotron als äußerst brillante Röntgenlichtquelle und einen ausgefeilten experimentellen Aufbau. Um gezielt nur die Iridium-Atome anzuregen, müssen wir aus dem breiten Spektrum des Synchrotrons den sehr geringen Anteil der Photonen mit der richtigen Energie auswählen, und bei den gestreuten Photonen wird noch strenger nach Energie und Streurichtung selektiert. Da bleiben nur noch wenige Photonen übrig“, so Grüninger weiter. Mit der erforderlichen Genauigkeit sind die Experimente derzeit nur an zwei Synchrotronen weltweit möglich. Das Team hat sein Experiment am ESRF, der European Synchrotron Radiation Facility in Grenoble durchgeführt.
„Mit unserem Experiment konnten wir eine grundlegende theoretische Vorhersage aus dem Jahre 1994 realisieren. Damit öffnet sich uns eine neue Tür für eine ganze Reihe weiterer Experimente, die uns ein tieferes Verständnis der Eigenschaften und Funktionalitäten von Festkörpern erlauben werden“, sagt Grüninger.
U. Köln / RK