06.03.2008

Kleinste Veränderungen im Stromfluss

Mit einer neuen Methode lässt sich der elektrische Stromfluss sehr exakt bis in den Mikrometer-Bereich hinein untersuchen.



Mit einer neuen Methode lässt sich der elektrische Stromfluss sehr exakt bis in den Mikrometer-Bereich hinein untersuchen.

Traditionellerweise wird elektrischer Strom zur Veranschaulichung oft mit fließendem Wasser verglichen. Diesen Stromfluss haben nun Wissenschafter um Jörg Schmiedmayer an der TU Wien gemeinsam mit Kollegen von der Universität Heidelberg und der Gruppe von Ron Folman an der Ben-Gurion Universität in Israel mithilfe einer neuen Beobachtungsmethode aufs Genauste untersucht – bis hin in den Mikrometer-Bereich. Die Untersuchungen mit der so genannten „Magnetfeldmikroskopie mit ultrakalten Atomen“ wurden in der Wissenschaftszeitschrift „Science“ veröffentlicht.

Mit der erst vor wenigen Jahren in der Gruppe von Jörg Schmiedmayer an der Universität Heidelberg entwickelten Methode messen die Physiker feinste Magnetfelder und deren Veränderungen. Als Sensor dient eine Wolke aus Atomen, die bis nahe an den absoluten Nullpunkt, bis hin zum Bose-Einstein-Kondensat, abgekühlt wird. Die Wolke wird in einer Magnetfalle über einer Probe positioniert. Kleinste Variationen des Magnetfeldes innerhalb der Probe machen sich in der kalten Atomwolke als unterschiedliche Dichten bemerkbar, diese wiederum können mittels eines Laserstrahls optisch sichtbar gemacht werden. Aus diesen Veränderungen der Dichte der Atomwolke kann man auf kleinste Änderungen im Stromfluss zurückschließen.

Im konkreten Experiment setzten die Forscher eine Wolke aus ultrakalten (T ~ 100 nK) Rubidiumatomen ein, die über einem stromdurchflossenen hauchdünnen Goldfilm positioniert wurde. Durch die Beobachtung der Magnetfelder mit einer räumlichen Auflösung von drei Mikrometern konnten die Physiker auf den Fluss von elektrischem Strom im Goldfilm schließen und das flächig.

Die Methode ist derart genau, dass lokale Änderungen der Stromflussrichtung von 1/1000 Grad vermessen werden können (das entspricht einer Ablenkung von wenigen Millimetern auf 100 Meter). Dazu benötigt man eine Magnetfeldkarte, bei der selbst Unterschiede im Bereich von Nano-Tesla oder weniger angezeigt werden. Zum Vergleich: Ein Nano-Tesla ist ein Hunderttausendstel des Erdmagnetfeldes.

In der am 29. Februar 2008 in „Science“ erschienenen Arbeit haben die Wissenschafter dieses Magnetfeldmikroskop zur Untersuchung von Stromfluss in dünnen Goldschichten angewendet. Die Beobachtung des Stromflusses im Mikrometer-Bereich zeigte, dass dieser nicht gleichförmig durch den Goldfilm zieht. Wie bei einem flachen Bach, in dem der Wasserfluss durch Steine und sonstige Hindernisse gestört wird, ist der Stromfluss zahlreichen und zufällig verteilten Störungen unterworfen, welche auf Defekte und Widerstände in der Folie zurückzuführen sind. Die besondere Empfindlichkeit und die gute Ortsauflösung des Magnetfeldmikroskops ermöglichten nun einen neuartigen Einblick in diesen Stromtransport in metallischen Leitern mit einigen überraschenden Ergebnissen, die mit konventionellen Methoden der Materialwissenschaften nicht zugänglich waren.

  1. Obwohl der Stromfluss im Leiter durch Diffusion der Elektronen mit einer freien Weglänge von 40 nm bestimmt ist, findet man langreichweitige +/– 45 Grad orientierte Muster, die bis über 100 µm Distanz verfolgt werden können. Diese Muster spiegeln den fundamentalen Prozess der Elektronenstreuung an einem Defekt wider.
  2. Der Strom fließt in den dünnsten Goldschichten am geradesten, viel gerader als man naiv erwarten würde. Durch eine detaillierte Analyse kann man zeigen, dass verschiedene Komponenten zu den Stromfluss-Richtungsänderungen beitragen und sich in den untersuchten Drähten unterschiedlich verhalten. Diese Ergebnisse sind zum Teil im Widerspruch zu dem, was man aus den „traditionellen“ Untersuchungen erwarten würde.

Magnetfeldmikroskopie mit ultrakalten Atomen ist ein sehr schönes Beispiel dafür, dass Erkenntnisse der quantenphysikalischen Grundlagenforschung oft auch in sehr angewandten Wissenschaftsgebieten wie der Materialwissenschaft neue und überraschende Einblicke geben können. Die neuen Experimente erlauben erstmals einen sehr feinen Blick auf den Stromfluss in verschiedenen Materialien – und das über große Flächen mit hoher räumlicher Auflösung. Die Wissenschafter erwarten sich durch die Anwendung der Magnetfeldmikroskopie viele neue Erkenntnisse sowohl für die Grundlagenforschung, als auch für Mikro- und Nano-Elektronik oder in den Materialwissenschaften.

Quelle: Uni Heidelberg

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