16.05.2017

Klimamodelle für einen erdähnlichen Planeten

Oberfläche von Proxima Centauri B lebensfreundlicher als bislang angenommen.

Mit einer Entfernung von 4,2 Licht­jahren ist Proxima Centauri der uns am nächsten gelegene Stern. Erste Hinweise auf einen planetaren Begleiter des roten Zwergsterns fand Mikko Tuomi von der University of Hertford­shire in Großbritannien 2013 bei der Sichtung von Archiv­daten. Mithilfe der Radial­geschwindigkeits­methode gelang es einem Team der Euro­päischen Südstern­warte ESO unter Leitung von Guillem Anglada-Escudé schließlich 2016, diesen Planeten aufzu­spüren. Proxima Centauri B ist mit 1,1 Erdradien nur leicht größer als die Erde, mit einer Masse von mindes­tens 1,27 Erdmassen aber vermutlich etwas masse­reicher. Der Planet umrundet seinen Zentral­stern im Abstand von nur einem Zwanzigstel der Distanz Erde-Sonne. Da Proxima Centauri ein roter Zwerg ist, also wesentlich kühler als unsere Sonne, zieht der Planet seine Bahn damit trotzdem noch in der lebens­freundlichen Zone, jenem Bereich also, in dem prinzi­piell die Existenz von flüssigem Wasser auf der Ober­fläche möglich wäre.

Abb.: Diese künstlerische Darstellung zeigt, wie es auf der Oberfläche von Proxima Centauri B aussehen könnte. (Bild: NASA)

Ob es dort tat­sächlich flüssiges Wasser und damit vielleicht auch Leben gibt, hängt allerdings von den genauen atmo­sphärischen und klima­tischen Bedin­gungen ab. Ian Boutle vom britischen meteoro­logischen Dienst Met Office in Exeter und seine Kollegen präsen­tieren jetzt umfang­reiche Klima­modelle für Proxima Centauri B. Die Forscher nutzten dazu das „Met Office Unified Model“, das seit Jahren bewährte Standard­modell des britischen meteoro­logischen Dienstes.

Im Gegensatz zu früheren Forschungs­arbeiten haben Boutle und seine Kollegen nicht nur Situa­tionen betrachtet, in denen der Planet gebunden rotiert, seinem Zentral­stern also stets die gleiche Seite zuwendet, sondern auch solche, die der Bewegung des sonnen­nächsten Planeten Merkur ähneln. Beim Merkur stehen Umlaufzeit und Rotations­dauer in einer 3:2-Resonanz. Zudem haben Boutle und seine Kollegen auch analysiert, wie sich die Exzen­trizität der Bahn, also die Abweichung von der Kreisform, auf das Klima auswirkt.

Die Modelle von Boutle und seinen Kollegen zeigen jetzt, dass selbst für eine gebundene Rotation Zonen mit flüssigem Wasser auf dem Planeten möglich wären. Erheblich günstiger wäre die Situation aller­dings im Falle einer 3:2-Resonanz von Umlauf­zeit und Rotation. Über­raschend für die Forscher war, dass eine höhere Exzen­trizität, also eine stärkere Abweichung der Bahnform von einem exakten Kreis, die Bedingungen auf der Ober­fläche sogar noch lebens­freundlicher macht. Schon mit dem James Webb Space Tele­scope, dessen Start für Oktober 2018 geplant ist, könnte ein Blick in die Atmo­sphäre von Proxima Centauri B möglich sein und damit auch die Frage beant­wortet werden, ob der Planet tat­sächlich lebens­freundlich ist oder nicht.

„Natürlich fehlen immer noch zahl­reiche Aspekte in unseren Modellen“, gestehen Boutle und seine Kollegen ein. „Da wir keiner­lei Informa­tionen über die Ober­fläche besitzen, haben wir die Existenz von Land­massen komplett vernach­lässigt.“ Das Team ist also davon ausge­gangen, dass die Ober­fläche von Proxima Centauri B komplett mit Wasser bedeckt ist. Gleichwohl berück­sichtigt ihr Modell nicht einen mög­lichen Wärme­transport innerhalb des globalen Ozeans, da er stark von Ober­flächen­strukturen abhängen würde. Ein solcher Wärme­transport könnte ins­besondere im Falle einer gebun­denen Rotation Wärme vom sub­stellaren Punkt weg trans­portieren und den Planeten damit noch etwas leben­sfreundlicher machen, so die Forscher.

Rainer Kayser

JOL

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