13.10.2008

Köhler: Deutschland braucht ausländische Fachkräfte

«Ein Land, dessen Sozialsysteme eine auf dem Kopf stehende Alterspyramide verkraften müssen, kann es sich nicht leisten, dass seine Bewohner hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben.»



Berlin (dpa) - Bundespräsident Horst Köhler hat mehr Chancengleichheit beim Zugang zu höheren Schulen gefordert. «In kaum einem anderen Land ist der Zusammenhang zwischen der Herkunft eines Kindes und seinen Bildungschancen so ausgeprägt wie in Deutschland», sagte Köhler am Freitag im Berliner Schloss Bellevue zur Eröffnung der Jahrestagung des «Forums Demographischer Wandel». Besonders für Kinder aus Zuwandererfamilien seien die Möglichkeiten, das Abitur zu machen, schlecht.

Köhler sieht bei der Bildung erheblichen Nachholbedarf. «Ein Fünftel unserer 15-Jährigen verfügt nicht über die erforderlichen Fähigkeiten, um erfolgreich eine Ausbildung absolvieren zu können», sagte er zehn Tage vor dem Bildungsgipfel von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dabei gebe Bildung eine Orientierung und sei «eine Treppe für den sozialen Aufstieg».

Köhler verwies darauf, dass Jugendliche aus Arbeiterfamilien sich in vielen Fällen trotz guter Noten bewusst gegen ein Studium entschieden. Als Gründe nannte er fehlende Vorbilder, hohe Kosten und mangelndes Selbstvertrauen. Er appellierte an Eltern und Lehrer, Kinder zu fördern und zu ermutigen, «sich auf das Erlebnis Bildung einzulassen».

Im Umgang mit Zuwanderern rief der Bundespräsident zu einem «Klimawandel» auf. Angesichts des Geburtenrückgangs und der damit verbundenen Folgen für die Sozialsysteme könne Deutschland es sich nicht leisten, Zuwanderung «eher als lästiges Übel denn als Chance zu begreifen und zu behandeln».

Mit Blick auf den Fachkräftemangel begrüßte Köhler die Bemühungen der Bundesregierung, den Zuzug von Hochqualifizierten zu erleichtern, forderte zugleich jedoch «verständlichere und transparente Regeln». Im Vergleich mit anderen Ländern seien in den vergangenen Jahren nur wenige hundert Hochqualifizierte nach Deutschland gekommen.

Köhler verwies darauf, dass in Deutschland mittlerweile jeder fünfte Einwohner eine Zuwanderergeschichte habe. Aufgabe der Politik sei es, ihre Teilhabe mit entsprechenden Rahmenbedingungen bei Bildung, Arbeit und Sozialwesen zu ermöglichen.

Die deutsche Staatsbürgerschaft ist für Köhler ein wichtiger Bestandteil von Integration, da sie «dem Willen, dazuzugehören», entspreche. Der deutsche Pass sei nicht bloß eine «Eintrittskarte», sondern ein «Bürgerbrief», der den Einzelnen als Mitglied der Gesellschaft auszeichne.

Der Leiter des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, mahnte Deutschland zu einer besseren Integrationspolitik. In einer Studie des British Council zu erfolgreicher Integration in verschiedenen Ländern sei die Bundesrepublik nur auf Platz 16 gelandet, hinter Schweden, Kanada, Italien und Großbritannien. Damit gefährde Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit, sagte Straubhaar. Es habe sich gezeigt, dass Länder, die sich «nach außen» öffneten, in der Regel erfolgreicher seien.

Der geringe Zuzug von qualifizierten Fachkräften war Anlass für den Bundesrat, weitere Erleichterungen zu fordern. 2007 sind nach den jetzt geltenden Bestimmungen nur 466 Hochqualifizierte nach Deutschland gekommen. «Diese geringe Zahl belegt, dass Deutschland für hochqualifizierte Zuwanderer zu den jetzigen Bedingungen nicht attraktiv ist», heißt es in dem Beschluss. Bei der ersten Beratung des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs für ein Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz forderte der Bundesrat, die Einkommensgrenzen für qualifizierte Fachkräfte weiter abzusenken.

Ausländische Fachkräfte sollten bereits ab einem Jahreseinkommen von 53 400 Euro und nicht erst ab 63 600 Euro einen Aufenthaltstitel bekommen. Zugleich sprachen sich die Länder dafür aus, ein Punktesystem zur Steuerung der Zuwanderung zu prüfen. Die weitergehende Forderung, ein Punktesystem bereits 2010 einzuführen, fand keine Zustimmung. Einwanderungsländer wie Kanada oder Australien bewerten danach die Qualifikationen zuwanderungswilliger Ausländer. Im Bundestag hat sich die Union stets gegen ein solches Instrument gewandt.

Mit ihrem Gesetzentwurf will die Bundesregierung dem Fachkräftemangel begegnen. Zentraler Punkt ist die von 86 400 Euro auf 63 600 Euro abgesenkte Einkommensgrenze für Hochqualifizierte. Um die heimischen Potenziale zu nutzen, sind auch Änderungen beim sogenannten Duldungsstatus geplant. Wer qualifiziert ist und einen Job hat, soll einen sicheren Aufenthalt bekommen. Einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt sollen auch geduldete Hochschulabsolventen und Fachkräfte sowie Akademiker aus den neuen EU-Staaten und Drittstaaten erhalten.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Peter Altmaier, verteidigte die geplante Einkommensgrenze von 63 600 Euro. Diese sei nicht zu hoch. Der Gesetzentwurf biete eine intelligente und passgenaue Regelung, die nicht auf Kosten heimischer Arbeitskräfte gehe.


GWF

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