20.04.2009

Körber-Preis für neue Kohlenstoff-Kristalle

Der russisch-niederländische Physiker Andre Geim hat den mit 750 000 Euro dotierten Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft erhalten



Der russisch-niederländische Physiker Andre Geim hat den mit 750 000 Euro dotierten Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft erhalten

Hamburg – Der russisch-niederländische Physiker Andre Geim hat am 17. April 2009 bei einem Festakt im Hamburger Rathaus den mit 750 000 Euro dotierten Körber-Preis 2009 erhalten. Der Wissenschaftler entwickelte nach Angaben der Körber-Stiftung die weltweit ersten zweidimensionalen Kristalle aus Kohlenstoff-Atomen. Diese sogenannten Graphene versprechen nicht nur, die Halbleiter-, Sensor- und Display- Technik zu revolutionieren, auch Durchbrüche in der Grundlagenforschung zur Quantenphysik werden erwartet. Mit dem Körber-Preis werden seit 25 Jahren europaweit Wissenschaftler mit besonders innovativen Forschungsvorhaben geehrt.

Geim gelang es im Jahr 2004 erstmals Graphen-Kristalle herzustellen. Bei Graphen handelt es sich um eine einzelne Lage von Kohlenstoffatomen. In Graphit, der Bleistiften ihren Strich gibt, stapeln sich solche Kohlenstoffschichten übereinander, isoliert konnten sie bis dato jedoch nicht werden. Der Physiker präparierte die einzelnen Kohlenstofflagen auf denkbar einfache Weise: Er umschloss Graphitstücke mit Klebeband, zog das Band wieder auseinander und spaltete die Grafitbröckchen dabei. Den Vorgang wiederholte er so oft, bis an dem Klebeband nur noch einzelne Schichten des Graphit hafteten. Einen solch einfachen Ansatz zu verfolgen, bezeichnete Sir John O’Reilly, Vizekanzler der Universität Cranfield, in seiner Laudatio auf Andre Geim als kühn. Doch diese Kühnheit zeichne oft die mutigen Abenteurer unter den Wissenschaftlern aus, denen Pionierleistungen gelingen.

Graphen besitzt Eigenschaften, die für die Halbleiter-, Sensor- und Display-Technologie interessant sind. So haben Mitarbeiter Geims aus den Kohlenstofffolien Transistoren konstruiert, die nur einen Zehntel Nanometer dick sind und damit viermal dünner als die kleinsten Silizium-Transistoren, die bislang produziert werden. Ein solcher Graphen-Transistor schaltet mit einzelnen Elektronen und daher viel schneller als die derzeit verfügbaren Pendants aus Silizium. Sie könnten also die Rechenprozesse in Computern um das zehnfache beschleunigen, wie John O’Reilly ausführte. Das sei der Grund, warum inzwischen jedes bedeutende Labor der Halbleiterindustrie Graphen erforsche.

In Gas-Sensoren könnten sich die Kohlenstoffschichten als besonders empfindlich erweisen, da sich ihre Leitfähigkeit drastisch ändert, wenn Gasmoleküle auf ihnen haften. Für technische Anwendungen empfehlen sich die Folien aus einzelnen Atomlagen nicht zuletzt, weil sie härter als Diamant und extrem reißfest sind. Daher könnten sie überall dort eine Rolle spielen, wo leichte und sehr belastbare Materialien gefragt sind.

Wofür Graphen letztlich nutzbar sein wird, kann aber auch Andre Geim noch nicht in Gänze abschätzen. In diesem Zusammenhang unterstrich Peter Gruss die Bedeutung des Körber-Preises: Er unterstütze Themen, die völlig neue Bereiche erschlössen, aber in der Anwendung noch ganz am Anfang stünden. Er verwies zudem darauf, dass Forschung Zeit braucht, was auch Kurt Körber erkannt habe. "Obwohl ich an sich ein eher ungeduldiger Mensch bin, der auf schnelle sichtbare Ergebnisse drängt, habe ich mich dazu durchgerungen, in der Wissenschaftsförderung Geduld zu üben. Die bisherigen Ergebnisse machen mich zuversichtlich …", sagte Körber einige Jahre, nachdem er den Preis gestiftet hatte.

Andre Geim wurde 1958 als Sohn deutscher Eltern in Russland geboren. Er studierte in Moskau Physik und promovierte 1987 am Institut für Festkörperphysik im russischen Tschernogolowka. Nach Forschungsaufenthalten in England und Dänemark wurde er 1994 Professor an der niederländischen Universität Nijmegen. 2001 wechselte er an die Universität Manchester in Großbritannien.

dpa / Max-Planck-Gesellschaft


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