14.11.2018

Kohlefasern aus Treibhausgas

Algen könnten die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre nachhaltig senken.

Um die Erderwärmung eindämmen zu können, besteht akuter Handlungs­bedarf. In diesem Zusammenhang weist der aktuelle Weltklima­bericht auf eine Technologie von Chemikern der Tech­nischen Universität München hin, die als Möglichkeit einer Netto-Kohlen­stoffsenke das Problem der Aufheizung der Atmo­sphäre quasi an der Wurzel packt. Algen verwandeln dabei Kohlen­dioxid aus der Atmo­sphäre, aus Kraft­werken oder Abgasen der Stahl­industrie in Algenöl. In einem zweiten Schritt werden daraus wirt­schaftlich wertvolle Karbon­fasern erzeugt, wie erste Analysen zeigen.

Abb.: Die Armierung mit Kohlefasern verleiht der Steinplatte eine extrem hohe Festigkeit und ermöglicht damit völlig neue, effiziente Konstruktionen. (Bild: A. Battenberg, TUM)

Wichtige techno­logische Grundlagen legten Thomas Brück und sein Team am Algen­technikum in München. Die dort unter­suchten Algen erzeugen nicht nur Biosprit, sondern aus ihnen lassen sich auch sehr effizient Polyacryl­nitrilfasern (PAN) herstellen. Die Energie von Parabol-Sonnen­spiegeln verkohlt anschließend die PAN-Fasern CO2-neutral zu Kohle­fasern. Mit diesen lassen sich leichte und hoch­feste Werkstoffe herstellen. Am Ende des Lebenszyklus der Karbonfasern könnte man diese in leere Kohleflöze einlagern und entzöge damit die entsprechenden Kohlendioxid­äquivalente dauerhaft der Atmo­sphäre.

Brücks Kollegen Uwe Arnold und Kolja Kuse prüften auch die wirt­schaftliche Seite, die technischen Anwendungs­möglichkeiten und die Umwelt­bilanz des gesamten Prozesses. „Das ist ein neues, klima­freundliches Wirtschafts­modell, bei dem wir gängige Verfahren sinnvoll mit Inno­vationen kombi­nieren“, sagt Arnold. „Stellt man aus Kohlen­dioxid Kunststoffe her, so ist es über die Müllverbrennungs­anlage nach wenigen Jahren Nutzung schnell wieder in der Atmosphäre“, sagt Kolja Kuse. „Mit der sicheren Einla­gerung am Ende entziehen wir der Atmosphäre das Kohlen­dioxid auf Jahr­tausende. Damit sind wir auch der Abtrennung und Speicherung von CO2 in der Erde – Carbon Capture and Storage, CCS – eindeutig über­legen.“

Die Kohlefasern aus Algen unter­scheiden sich nicht von herkömm­lichen Fasern und können daher in allen bereits bestehenden Prozessen eingesetzt werden. Ein weiteres wichtiges Einsatz­feld ist die Bau­industrie, die für einen erheb­lichen Teil des welt­weiten Kohlendioxid­ausstoßes verant­wortlich ist. In Baustoffen können Kohle­fasern Baustahl ersetzen. Dank ihrer Festig­keit sparen sie Zement, und aus mit Kohle­fasern verstärktem Granit lassen sich sogar Träger her­stellen, die bei gleicher Trag­fähigkeit wie Stahl so leicht wie Aluminium sind.

Brück will nun die Algen­technologie weiter­entwickeln. Groß­anlagen seien in Südeuropa und Nordafrika denkbar. „Das System ist leicht auf große Flächen skalierbar“, sagt Brück. „Weltweit ließen sich Anlagen von in Summe der Größe Algeriens bauen und so CO2-Emissionen aus Industrie und Land­wirtschaft ausgleichen.“ Vorwürfe, man würde wie beim Biogas mit landwirt­schaftlichen Flächen kon­kurrieren, weist Brück zurück. „Die Salz­wasser-Algen gedeihen idealerweise in sonnen­reichen Gegenden. Beispiels­weise in Nordafrika gibt es genügend Flächen, auf denen Land­wirtschaft nicht sinnvoll ist.“

TUM / JOL

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