Magnetit ist ein unscheinbares, dunkelgraues Material. Dass es ein Star der Oberflächenphysik ist, offenbart sich erst auf atomarer Skala: Magnetit kann Metallatome festhalten oder über seine Oberfläche wandern lassen. Manchmal ballen sich mehrere Metallatome auf der Magnetit-Oberfläche auch zu kleinen Clustern zusammen. Solche Vorgänge können die chemischen Eigenschaften des Materials maßgeblich beeinflussen: Die atomaren Prozesse auf der Magnetit-Oberfläche entscheiden, wie gut verschiedene Metallatome auf Magnetit als Katalysator für chemische Reaktionen dienen können.
Abb.: Zwei Platinatome auf der Magnetitoberfläche können eine Bindung eingehen, wenn sie mit CO-Molekülen verbunden sind. (Bild: TU Wien)
An der TU Wien gelang es jetzt, einzelne Platin-Atome und ihr Zusammenwachsen zu winzigen Clustern zu untersuchen. Kohlenmonoxid spielt dabei eine doppelte Rolle: Es macht einzelne Platin-Atome beweglich und ermöglicht ihnen, Zweierbindungen einzugehen. Gleichzeitig stabilisiert es diese Bindungen. Nur indem man die Temperatur erhöht, wird diese Bindung wieder aufgelöst. „Wenn die Platin-Atome auf die Magnetit-Oberfläche stoßen, werden sie dort von den Sauerstoffatomen des Magnetits festgehalten – und zwar immer einzeln, eine Bindung zweier Platinatome, wie sie auf anderen Oberflächen bevorzugt vorkommen würde, erlaubt die Magnetit-Oberfläche nicht“, sagt Roland Bliem von der TU Wien. Die Platin-Atome sitzen daher einsam an ganz bestimmten Stellen des Magnetit-Kristallgitters und können sich ohne äußere Hilfe von dort nicht wieder wegbewegen.
Doch wenn man die Oberfläche in Kontakt mit ein bisschen Kohlenmonoxid bringt, ändert sich die Situation völlig: „Ein Kohlenmonoxid-Molekül kann an das Platinatom andocken, und es gewissermaßen nach oben heben“, erklärt Gareth Parkinson, ebenfalls TU Wien. „Wir nennen das den Skyhook-Effekt: Kohlenmonoxid macht das Platin-Atom mobil, plötzlich beginnt der Komplex aus Platin-Atom und Kohlenmonoxid zufällig über die Magnetit-Oberfläche zu wandern.“ Erst wenn das mobile Platin-Atom auf seiner Wanderung auf ein anderes mobiles Platin-Atom trifft, können die beiden eine Bindung eingehen – das funktioniert nur, wenn beide von Kohlenmonoxid-Molekülen angehoben und damit dem Zugriff der Magnetitoberfläche ein kleines bisschen entzogen werden.
Wenn die Temperatur dann auf etwa 250 Grad Celsius erhöht wird, trennt sich das Kohlenmonoxid wieder vom Platin-Atom, und die Bindung ist nicht länger möglich. Die Zweierbindungen brechen auf und die Platinatome lagern sich wieder einsam an unterschiedlichen Plätzen der Magnetitoberfläche an. Dieses Phänomen liefert eine Strategie, aus Clustern wieder einzelne Atome zu gewinnen – ein wichtiger Prozess auf dem Weg zu Katalysatoren, die auf einzelnen Metallatomen basieren. Manchmal bilden sich auch Cluster aus mehreren Platin-Atomen – sie bleiben auch bei erhöhter Temperatur bestehen.
Für die chemische Katalyse spielen solche Erkenntnisse eine wichtiger Rolle. „Metalle wie Platin sind wichtige Katalysatoren“, so Parkinson. „Aber es kann sein, dass ein großer Cluster aus vielen Metall-Atomen ganz andere katalytische Eigenschaften hat als mehrere einzelne Metall-Atome, die getrennt voneinander auf der Oberfläche sitzen. Wenn man also optimale Katalysatoren herstellen will, dann muss man das Verhalten der Atome auf der Magnetitoberfläche verstehen und steuern können.“
TUW / RK