Kompakte Röntgenquellen, mehr Daten über Glasfasern und geschärfter Blick in den Nanokosmos
Jahresrückblick Optik-Photonik-Laser: Zahlreiche Anwendungsfelder könnten bald von den jüngsten Fortschritten profitieren.
Mit 2015 geht das internationale Jahr des Lichts zu Ende. Viel Aufmerksamkeit – vom Fachpublikum bis zum Laien – gewannen die lichtbasierten Schlüsseltechnologien, die noch viele Fortschritte bei der schnellen Datenleitung, der Materialbearbeitung und medizinischen Diagnostik bis hin zur Mikroskopie, neuen Lichtquellen und nicht zuletzt in der Nanophotonik und bei optischen Metamaterialien erwarten lassen.
Abb.: Blick in den Injektorbereich des European XFEL. Die gelbe Röhre ist das erste supraleitende Beschleunigermodul (Foto: D. Nölle, DESY).
Der zwei Kilometer lange Röntgenlaser European XFEL in Hamburg hat erfolgreich die erste Hürde zum geplanten Betrieb im Jahr 2017 genommen. Im Injektor des insgesamt zwei Kilometer langen Linearbeschleunigers sind die ersten Elektronen los geschickt worden. Mit der Fertigstellung des XFEL wird eine einzigartige Lichtquelle zur Verfügung stehen, die mit extrem kurzen und intensiven Röntgenpulsen einen tieferen Blick in den Nanokosmos erlauben wird. Weit weniger lichtstark, dafür mindestens ebenso pfiffig ist eine Röntgenquelle, die Wissenschaftler vom JILA in Boulder entwickelt haben. Ihnen gelang es, aus UV-Laserstrahlung von 270 nm Wellenlänge weiche Röntgenstrahlung mit einer Photonenenergie von bis zu 280 eV zu erzeugen. Dazu schickten sie die gepulste UV-Strahlung eines Titan:<
Einen weiteren Röntgenlaser in Laborgröße realisierten Adrien Depresseux und Kollegen vom Laboratoire d'Optique Appliquée an der Université Paris-Saclay. Mit den extrem kurzen und intensiven Pulsen eines Ti-Saphir-Lasers (813 nm Wellenlänge) regten sie ein Plasma aus Krypton-Ionen an. Über eine Serie von Anregungen konnten schließlich Laserpulse im weichen Röntgenbereich bei 32,8 nm Wellenlänge mit einer extrem kurzen Pulsdauer von nur 450 fs erzeugt werden.
Für den sichtbaren Bereich stach 2015 ein Halbleiterlaser heraus, der gleichzeitig rotes, grünes und blaues Licht abstrahlte. Entwickelt an der Arizona State University in Tempe, konnten mehrschichtige Nanostrukturen aus CdSSe-Legierungen mit unterschiedlichem Schwefelgehalt und teils ergänzt mit Zinkzusätzen – optisch gepumpt – rotes, grünes und blaues Licht zeitgleich emittieren. Additiv zu weißem Licht gemischt ergab sich so ein Laserprinzip, das in Zukunft für opto-elektronische Schaltkreise genutzt werden oder Displays mit extrem großen Kontrast und einer bisher unerreichte hohen Farbsättigung ermöglichen könnte.
Abb.: Über eine Lichtfaser wird anregendes Laserlicht in die Fettzellen einer Schweinehaut geleitet und emittiertes Laserlicht wieder aufgefangen. (Bild: M. Humar, S. H. Yun)
Exotisch, aber überraschend effizient, erwiesen sich neuartige Laser, die auf lebenden Zellen aufbauen. Gleich zwei Forschergruppen in Schottland und den USA konnten Fett- und Tumorzellen mit winzigen Polymerkügelchen und Fluoreszenzfarbstoff anreichern, um – optisch angeregt – kohärentes, rotes Laserlicht zu emittieren. Anwendungen könnten im Bereich der medizinischen Diagnostik und bei der Analyse von Zellen liegen.
Neuartige Weißlichtquellen und leuchtende Faser
Eine bisher einzigartige Weißlichtquelle auf der Basis einer photonischen Kristallfaser erschufen Physiker am MPI für die Physik des Lichts. Das nanostrukturierte Material aus fünf verschiedenen Fluoridsalzen emittierte über ein ungewöhnlich breites Spektrum vom mittleren Infrarot- bis weit in den UV-
Displays und leuchtende Textilien könnten dagegen von einer neuen Generation robuster, elektrochemisch aktiver Fasern profitieren. An der Fudan Universität in Shanghai entstanden leuchtende elektrochemische Zellen (LECs), die nach dem gleichen Prinzip wie organische Leuchtdioden Licht emittierten. Bestehend aus elektrolumineszenten Polymeren und Nanoröhrchen aus Kohlenstoff waren die Fasern erstmals stabil genug, um sie in Textilien einzuweben.
Für den wachsenden Markt weißer Leuchtdioden könnte eine Entwicklung der Rutgers University in Piscataway Bedeutung erlangen. Die Aufgabe der lichtaktiven Substanzen aus kostspieligen und meist aus China importierten Metallen Yttrium und Cer übernahmen dünne Schichten aus Cadmiumsulfid-Butyldiamin Cd2S2(ba), die die Forscher teilweise mit zusätzlichen Manganatomen dotierten. Kombiniert mit einer Blaulicht-LED entstand eine Weißlicht-LED ganz ohne Elemente aus der Gruppe der seltenen Erden. Im Bereich der Projektionstechnik stach 2015 ein 3D-System der TU Wien heraus. Dank sogenannter Laser-Trixel ließen sich helle 3D-Displays fertigen, die man von verschiedenen Seiten betrachten konnte. Eine Markteinführung des sehr lichtstarken Technik könnte bereits 2016 erfolgen.
Abb.: Mit dieser Photodiode auf Siliziumbasis können größere Wellenlängen von bis zu 2000 Nanometern für den Datentransport durch Glasfaserkabel genutzt werden. (Bild: J. J. Ackert et al. / NPG)
Einen raschen Weg zum Praxiseinsatz liegt auch im Interesse der Lichtforscher für die optische Datenübertragung. Eine kanadische Arbeitsgruppe an der McMaster University in Hamilton wollte das Spektrum der datentragenden Infrarotwellen in Glasfasernetzen deutlich erweitern. Dazu fertigten sie eine Photodiode auf Siliziumbasis mit einer 130 Nanometer dünnen Struktur, die sie mit einem Wellenleiter koppelten. Das neue Modul bildet nach bereits verfügbaren Lichtquellen, Wellenleitern, Splittern und Multiplex-Einheiten den noch fehlenden Baustein, um Infrarotlicht mit 2000 nm Wellenlänge für einen digitalen Datentransport nutzen zu können. Eine Erweiterung auf 2500 Nanometer halten die Forscher für möglich und würde die bisherige Grenze bei 1550 nm weit überschreiten.
Ebenfalls für den optischen Datentransfer geeignet könnten Frequenzkämme datentragende Lichtpulse so beeinflussen, um nichtlineare Effekte zu vermeiden und die Qualität der Lichtpulse zu erhöhen. Eine Arbeitsgruppe an der University of California in San Diego schaffte es, infrarote Lichtpulse, die zuvor über einen Frequenzkamm aufeinander abgestimmt wurden, ohne Repeater bis zu einem 1020 Kilometer entfernten Zielort mit noch nutzbarer Signalqualität zu schicken. In einem Vergleichsexperiment mit herkömmlichen Lichtpulsen war dagegen nach etwa 85 Kilometer Strecke wie erwartet eine Auffrischung der Signale nötig.
Abb.: Entwicklung einzelner Mitochondrien, mit Teilungs- und Verschmelzungsprozessen, bei 23 Grad Celsius über einen Zeitraum von knapp einer halben Stunde beobachtet. (Bild: D. Li et al. / AAAS)
Geschärfter Blick in die Nanowelt
Vor allem Biologen, Mediziner und Materialforscher werden bald von den jüngsten Ergebnissen in der Mikroskopie-Technik profitieren können. Einen schärferen Blick direkt unter die Haut ermöglichten Forscher der Universität von Korea. Ihre neue Methode umging das Problem der störenden Lichtstreuung im organischen Gewebe. Dank gezielt ausgewählter Lichtstrahlen, die nur eine einzige Streuung erfahren haben, konnten sie Objekte bis in einer Tiefe von mehr als der zehnfachen freien Weglänge der Photonen und dennoch nahe an der theoretischen Auflösungsgrenze sichtbar machen. In noch kleinere biologische Strukturen schauten Forscher am Institut de Recherche en Technologie et Science pour le Vivant in Grenoble. Mit einem speziellen Fluoreszenz-Mikroskop konnten sie erstmals die Selbstheilungsmechanismen des Zellskeletts mit seinen Mikrotubuli sichtbar machen.
Mit der strukturierten Illuminationsmikroskopie, kurz SIM genannt, erweiterten US-Forscher die bereits enormen Möglichkeiten der Nobelpreis gekrönten superauflösenden Fluoreszenzmikroskopie. Mit einer Auflösung von bis zu 45 Nanometern gewann das Team um Eric Betzig am Howard Hughes Medical Institute genaue und vor allem Proben schonende Einblicke in Zellprozesse, von der Entwicklung von Mitochondrien über den Umbau des Zytoskeletts bis hin zur Dynamik von Caveolen, kleinen Einbuchtungen an der Oberfläche der Zellmembran. Am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf gelang dagegen die Kombination der Nahfeld-Mikroskopie mit der Ultrakurzzeit-Spektroskopie. Sie entwickelten ein Nanoskop, das die SNOM-Technologie (Scanning Near-field Optical Microscopy) über ein Demodulationsverfahren mit den Vorteilen extrem kurzer Lichtpulse vereinte. Über einen weiten Frequenzbereich (UV bis Terahertz) konnten Zellprozesse zugleich mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung verfolgt werden.
Mehr im Bereich der Grundlagenforschung liegen die Fortschritte bei den Metamaterialien, die die Ausbreitung von Lichtwellen manipulieren können. So wurde 2015 an der University of California in Berkeley ein nur 80 nm dünner Tarnmantel konstruiert, der sich flexibel an eine beliebig geformte Unterlage anschmiegte. Kombiniert aus einer dünnen, dielektrischen Schicht und einer Lage aus Nanoantennen aus Gold ließ sich ein einfallendes Licht so reflektieren, dass eine gewölbte Oberfläche völlig eben erschien. Einer perfekten Linse aus Metamaterialien kamen Physiker von der Harvard University in Cambridge einen Schritt näher. Sie konstruierten aus V-förmige Nanostrukturen aus Gold eine Metafläche aus dielektrischen Resonatoren, die Licht verschiedener Wellenlängen (1300, 1550 und 1800 nm) um jeweils den gleichen Winkel ablenkte. Abbildungsfehler über die chromatische Aberration ließen sich kompensieren.
Um Metamaterialien flexibler zu gestalten und einfacher herzustellen, wählte eine britische Forschergruppe der University of Southampton mit Phasenwechselmaterial eine ungewöhnliche Grundlage. Strukturen aus einer Chalcogenid-Verbindung aus Germanium, Antimon und Tellur (GST) ließen sich mit kurzen Femtosekunden-Pulsen bei sehr hoher räumlicher Auflösung kontrolliert zwischen amorpher und kristalliner Phase mit unterschiedlichen dielektrischen Eigenschaften und Brechungsindizes schalten. Dieser Ansatz verspricht sogar einen neuen Weg, um per Laser variierbare Fresnel-Linsen und Hologramme günstig zu fertigen. Anwendungen für photonische Schaltkreise schwebte US-Physikern der Harvard University vor. Aus nanostrukturierten Silberschichten mit negativem Brechungsindex bauten sie hyperbolische Metaflächen mit extrem geringen Strahlungsverlusten, die sich dank den platzsparenden Aufbaus in Zukunft in photonische Chips integrieren lassen sollen.
Abb.: Die unterschiedlich großen rechteckigen Nanoantennen des Tarnmantels reflektieren das einfallende Licht jeweils mit einer solchen Intensität und Phase, als käme es von einer ebenen Oberfläche. (X. Ni et al., AAAS)
Einige Entdeckungen eröffnen sogar weitere Horizonte für mögliche Anwendungen. So gelang es am Institute for Molecular Science in Aichi in Japan, einen elektrisch nichtleitenden organischen Kristall bei tiefen Temperaturen supraleitend zu machen, indem er mit UV-Licht bestrahlt wurde. Der dünne Einkristall aus dem organischen Materials κ-(BEDT-TTF)2Cu[N(CN)2]Br unter UV-Licht bei 7,3 Kelvin in den supraleitenden Zustand. In Kombination mit schwingenden Nanohebeln entwarfen französische Forscher an der Université Paris Diderot einen neuartigen Sensor für Viskositäten. Kristalline Nanoscheiben aus Galliumarsenid und Aluminiumgalliumarsenid wirkten als Resonatoren, die je nach Viskosität einer umgebenden Flüssigkeit ihr Transmissionsverhalten im Infrarotbereich veränderten. Und schließlich ließen Physiker der Uni München winzige, halbseitig mit fünf Nanometer Gold beschichtete Nanokügelchen mit einem Laserstrahl kontrolliert fest. Mit dieser Lichtpinzette könnte nach Meinung der Forscher sogar eine neuartige Waage für Nanopartikel entwickelt werden.
Das Jahr des Lichts 2015 brachte so einige vorsehbare Verbesserungen optischer Anwendungen von der Datenleitung, über Laserverfahren bis zur Mikroskopie. Spannender für zukünftige Entwicklungen waren jedoch die eher überraschenden Phänomene bei der Wechselwirkung zwischen Licht und Materie.
Jan Oliver Löfken
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