24.08.2009

Komplexe Elektronensysteme

Wissenschaftler decken Grenzen der Dichtefunktionaltheorie mit Methoden der Quanteninformationstheorie auf.


  

Wissenschaftler decken Grenzen der Dichtefunktionaltheorie mit Methoden der Quanteninformationstheorie auf.

Elektrische und magnetische Eigenschaften von Festkörpern entziehen sich einer exakten Berechnung. Denn die komplexen Wechselwirkungen der vielen Elektronen, welche diese Phänomene hervorrufen, machen den leistungsfähigsten Computern zu schaffen. Das zentrale Problem dabei ist, den Grundzustand der Elektronen, die sich im Feld der positiv geladenen Ionen bewegen, zu bestimmen. Die am weitesten verbreitete Methode zur Behandlung solcher Systeme ist die Dichtefunktionaltheorie, die das Vielteilchenproblem auf eine Einteilchen-Wechselwirkung reduziert. Wie Norbert Schuch, Wissenschaftler in der Theorie-Abteilung von Ignacio Cirac am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, und Frank Verstraete von der Universität Wien, berichten, gibt es für die Anwendbarkeit dieser Theorie jedoch fundamentale Grenzen. Der Beweis gelang den Wissenschaftlern mit Methoden der Quanteninformationstheorie, was zeigt, dass diese Methoden auch jenseits der Entwicklung von Quantencomputern weitreichende Einsichten liefern können.

Eines der zentralen Probleme der Quantenmechanik ist die Bestimmung des Grundzustands eines komplexen Systems, in dem viele Elektronen miteinander in Wechselwirkung stehen. Ein Beispiel dafür aus der Chemie ist die Geometrie ausgedehnter Moleküle: die räumliche Anordnung der Atome im Molekül ist diejenige, für die die Energie der Elektronen, die sich im Feld der Kerne bewegen, minimal wird - aus der Berechnung des Grundzustands der Elektronen lassen sich somit Aussagen über die dreidimensionale Struktur des Moleküls ableiten. Ähnlich verhält es sich bei ausgedehnten Festkörpern. Deren elektrische und magnetische Eigenschaften, einschließlich Phänomenen wie der Hochtemperatur-Supraleitung, sind letztendlich auf die Bewegung der Elektronen in einem periodischen Potential zurückzuführen, das von den positiv geladenen 'Restatomen', d.h. Ionen, im Kristallgitter gebildet wird.

Die Dichtefunktionaltheorie (DFT) nutzt aus, dass die komplizierte Wechselwirkung der Elektronen miteinander in all diesen Fällen die gleiche ist und fasst sie in einer Art 'Black Box', dem sogenannten "universalen Funktional", zusammen. Mit Hilfe dieses Funktionals lässt sich nun im Prinzip jedes beliebige Vielelektronen-Problem als Einteilchen-Problem umschreiben, das sich dann verhältnismäßig einfach lösen lässt. Die Herausforderung besteht darin, dieses Funktional zu finden, und in der Praxis wird je nach Fragestellung auf unterschiedliche Näherungen zurückgegriffen.

Schuch und Verstraete gehen der Frage nach, wo die Grenzen für die Anwendbarkeit der DFT liegen: Ist es möglich, dieses universale Funktional, das die Behandlung von Vielelektronensystemen erheblich vereinfachen würde, zu finden - oder gibt es fundamentale Schranken, die dies verbieten? Sie verwenden dabei Methoden der Quanten-Komplexitätstheorie, eines Untergebiets der Quanteninformationstheorie: Hier geht es darum, Probleme nach ihrem Schwierigkeitsgrad zu klassifizieren, insbesondere in Hinsicht auf die Frage, ob sie von Quantencomputern effizient gelöst werden können. Während Quantencomputer z.B. die Zeitentwicklung von Quantensystemen meist effizient simulieren können, stellen Grundzustände komplexer Quantensysteme auch für Quantencomputer ein schwieriges Problem dar.

In ihrer Arbeit weisen die Wissenschaftler zum einen nach, dass auch Grundzustände von Vielelektronensystemen für Quantencomputer schwer zu berechnen sind. Im Widerspruch dazu können diese Probleme jedoch unter Verwendung der Dichtefunktionaltheorie, sofern das universelle Funktional bekannt ist, sogar leicht mit klassischen Computern berechnet werden. Dies beweist, dass es in diesen Fällen prinzipiell unmöglich ist, das Funktional zu berechnen und stattdessen fallspezifische Näherungen unumgänglich sind. Die ansonsten häufig verwendete Dichtefunktionaltheorie stößt hier also an fundamentale Grenzen.

Max-Planck-Institut für Quantenoptik

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