09.10.2018

Komplexe Plasmen an Bord der ISS

Einblicke in astrophysikalische Zusammenhänge und Relevanz für halbleitertechnische Anwendungen.

Vor vier Jahren installierte Alexander Gerst auf seiner damaligen „Blue Dot“-Mission die Anlage PK-4 auf der Inter­natio­nalen Raum­station ISS. Mit der Ex­peri­mente­reihe sollten bereits begon­nene Unter­suchungen zum Ver­halten kom­plexer Plas­men in der Schwere­losigkeit fort­geführt werden. Seit dem unter­suchten mehrere Forscher­teams 400 Kilo­meter über der Erde diese auch als staubig bezeich­neten Plasmen unter Mikro­gravitations­bedingungen. Über Experi­mente zu Drift­phäno­menen der Mikropartikel in wechselnden elektrischen Feldern berichteten nun jüngst Wissen­schaftler des Instituts für Material­physik im Welt­raum am Deutschen Zentrum für Luft- und Raum­fahrt (DLR), der AG Atom-, Plasma- und Raum­fahrt­physik der Justus-Liebig-Uni­ver­sität Gießen und des Joint Institute for High Tem­pe­ratures der Russischen Akademie der Wissen­schaften in der Fachzeit­schrift Physics of Plasmas.

 

Abb.: Selbstangeregte Dichtewellen in staubigem Plasma. (Bild: AIP/Jaiswal et al.)

 

 

PK-4 ist eine Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Welt­raum­orga­nisation ESA und der russischen staatlichen Raum­fahrt­gesellschaft Roscosmos zur Unter­suchung kom­plexer Plasmen. Kom­plexe oder staubige Plasmen enthalten neben Elektronen, Ionen und neutralen Gas­teilchen auch Mikro­partikel von bis zu 100 Mikro­meter Größe. Diese Staub­teilchen werden durch Stöße mit Ionen oder Elektronen im Plasma aufgeladen und interagieren stark miteinander. Bei aus­reichend hoher Dichte entspricht ihr Ver­halten dann dem einer Flüssigkeit oder eines Kristalls. Der größte Vorteil der staubigen Plasmen liegt darin, dass einzelne Teilchen individuell untersucht und neue Erkenntnisse über die Fluid- und Fest­körper­physik gewonnen werden können.

Auf der Erde verzerrt jedoch die Schwerkraft die meisten Experimente mit komplexen Plasmen. Die Mikro­gravitations­umgebung auf der Inter­nationalen Raum­station ermöglicht Unter­suchungen an staubigen Plasmen, die ander­weitig nicht zu realisieren wären. Im Februar 2017 be­ob­achteten Forscher Staub­dichte­wellen oder sichtbare Schall­wellen bei ihren Bewe­gungen durch das komplexe Plasma.

Im Experiment driftete eine Mikro­partikel­wolke in einem mit kon­stantem Gleich­strom betrie­benen Plasma und bildete eigen­angeregte Wellen­muster. An­schließend wurde die Pola­rität der Entladung umgekehrt. Obwohl die Feld­stärke für beide Ent­ladungs­pola­ritäten nahezu identisch war, zeigten die Wellen­muster Bi­fur­ka­tionen: Zwischen den beiden alten Kämme im Kopf der Mikro­partikel­wolke bildete sich ein neuer Wellen­berg.

„Das wohl interessanteste Ergebnis war, dass die Ge­schwin­digkeit dieser Wellen stark von dem die Wellen an­regen­den elektri­schen Feld abhängt“, erklärt Mikhail Pustylnik, Wissen­schaftler am DLR-Institut für Material­physik im Welt­raum und einer der Autoren der Ver­öffent­lichung. „Wir erwarten, dass wir diese Art von Wellen in allen astro­physi­kalischen Situ­ationen an­tref­fen werden, in denen Staub­partikel vor­handen sind – zum Bei­spiel in einem Kometen­schweif.“

„Auch in der Halb­leiter­industrie werden viele Plasma­prozesse eingesetzt", sagte Pustylnik. Dabei stellt Staub die An­wender vor große Pro­bleme: Die Partikel können während der Her­stellung beispiels­weise die Silizium­wafer beschädigen. Ab diesem Herbst planen die Forscher weitere Experi­mente, in denen der die elektri­schen Felder durch Um­polung der Ent­ladung verändert werden sollen.

AIP / LK

 

 

 

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