Komplexes Schaukeln
Parametrische Oszillation als Grundlage für kleinere und empfindlichere Schwingungssensoren.
Ein Kind schaukelt auf einer Schaukel, wobei es mit den Beinen Schwung holt. Für Physiker ist das eine einigermaßen einfache Schwingungsbewegung, sie nennen sie eine parametrische Oszillation. Etwas komplizierter wird es, wenn neben dem Kind auch noch die Mutter oder der Vater zugegen ist und zusätzlichen Schwung verleiht. Jedenfalls kann die Wechselwirkung zwischen parametrischer Oszillation und einer zusätzlichen externen Kraft physikalisch kompliziert werden, so dass es schwierig ist, das aus der Schwingungsbewegung zu berechnen, wie viel Kraft die Mutter oder der Vater aufwendet.
Abb.: Ramasubramanian Chitra, Anina Leuch, Oded Zilberberg, Luca Papariello und Alexander Eichler (von links nach rechts) vor Ihrem Experiment mit einer Gitarrensaite. (Bild: ETHZ / A. Eichler)
Einem interdisziplinären Team von theoretischen Physikern und Experimentalphysikern der ETH Zürich ist genau diese Berechnung nun gelungen. Erstmals beschreiben die Forschenden, wie man eine parametrische Oszillation – das Schwingen mit dem Krafteintrag des Kinds – nutzen kann, um damit einen Krafteintrag von aussen – Stoßen des Elternteils – zu messen. Ihre Erkenntnis lässt sich in Sensoren anwenden. Die Wissenschaftler haben das darunterliegende Prinzip zum Patent angemeldet. „Bereits heute fußen viele Sensoren auf Oszillationen“, erklärt Oded Zilberberg, Professor am Institut für theoretische Physik. „Man kann zum Beispiel mit kleinen Resonatoren Kräfte, Drücke, Massen, Schall oder Temperaturen messen. Auch Rasterkraftmikroskope bauen darauf auf.“ Für diese Anwendungen – oft im Mikrotechnikbereich – werden heute allerdings weniger komplizierte, harmonische Schwingungen benutzt.
Für solche Messungen kompliziertere Schwingungen zu verwenden, wie es Zilberberg und seine Kollegen vorschlagen, stellt letztlich einen Paradigmenwechsel dar. Sensoren müssten dazu anders konstruiert werden. Besonders für sehr kleine Sensoren bringe das neue Prinzip Vorteile, sagt der Physiker. Es sei damit möglich, extrem kleine und dennoch genauere Sensoren zu bauen, weil sich beim neuen Prinzip das Messsignal besser vom Hintergrundrauschen abhebt als bei bisherigen Methoden.
Entdeckt haben die Wissenschaftler das neue Prinzip, als sie in einem Quantenphysikexperiment mit Rubidium-Atomen parametrische Oszillationen untersuchten. Später erforschten sie den Effekt mit einer parametrisch oszillierenden Gitarrensaite. Auf diese Saiten übten die Wissenschaftler von aussen eine pulsierende Kraft aus, wobei sie die Frequenz dieses Pulses kontinuierlich variierten. Wie die Forschenden beobachteten, veränderte sich die Amplitude der Schwingung der Saite nicht vollständig kontinuierlich, sondern sie änderte bei einer bestimmten Frequenz sprunghaft. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass sich von dieser „Sprungfrequenz“ direkt auf die Stärke der von aussen ausgeübten Kraft schliessen lässt.
Zilberberg und seine Kollegen suchen nun Industriepartner, welche helfen, hochauflösende Sensoren zu entwickeln. Und selbst in der Computertechnik könnte das neue Prinzip zur Anwendung kommen. Zilberberg: „In der Frühphase des Computerzeitalters gab es Computerspeicher, die auf Oszillatoren basierten, sogenannte Parametrons. Später verlor die Computerindustrie das Interesse an ihnen. Doch unsere Entdeckung könnte dieses Forschungsfeld zu neuem Leben erwecken.“
ETHZ / JOL