Kondo-Effekt – komplexer als gedacht?
Neue Untersuchungen zum Kondo-Effekt werfen bisherige Theorien über den Haufen.
Bei Temperaturen nur knapp über dem absoluten Nullpunkt untersuchten Physiker um Silke Bühler-Paschen von der TU Wien die quantenmechanischen Vorgänge, die für außergewöhnliches Materialverhalten verantwortlich sind, etwa wenn benachbarte Elektronen ihren Spin aneinander ausrichten. Beim Kondo-Effekt ist die Spin-Richtung eines Elektrons aber aus einer gewissen Entfernung gar nicht mehr sichtbar, weil sie von anderen Elektronen abgeschirmt wird.
Das Phänomen tritt in verschiedenen Materialien im Millikelvin-Bereich auf. Allerdings kann es durch zusätzliche äußere Einflüsse zusammenbrechen – etwa ein äußeres Magnetfeld. Viele theoretische Berechnungen über den Kondo-Effekt in den vergangenen Jahren gingen der Frage nach, wie er entsteht oder wie er zerstört wird. Die Abschirmung der magnetischen Momente hängt von verschiedenen Parametern ab – beispielsweise von der Temperatur. Während Temperaturänderungen die Abschirmung aber kontinuierlich ändern, kann die Änderung anderer Parameter – etwa des Magnetfelds – die Abschirmung am quantenkritischen Punkt ganz abrupt zusammenbrechen lassen.
Bisher standen zweidimensionalen Quanten-Fluktuationen für das Zusammenbrechen des Kondo-Effekts in stark anisotropen Materialien in Verdacht. Die Ursache schien also in der Geometrie der Kristallstruktur zu liegen. Andererseits wurden auch andere Erklärungsversuche vorgeschlagen, die die beobachteten Effekte auf subtile Eigenheiten des untersuchten Materials zurückführen – doch den Wienern gelang es nun, das selbe Verhalten in einem ganz anders gearteten Material nachzuweisen: einer Verbindung aus Cer, Palladium und Silizium. Dies ist jedoch ein kubischer Kristall, das Verhalten der Elektronen muss also dreidimensional beschrieben werden – mit zweidimensionalen Modellen lässt es sich nicht erklären. Die Ergebnisse stoßen somit die theoretische Forschung wieder an.
TU Wien / OD