26.08.2013

Kontrolle über Spin-Fluktuationen in Echtzeit

Wie man den Spin von Atomkernen auch in extrem kleinen Materialproben ausrichtet.

Durch Anlegen eines großen Magnetfelds lassen sich Spins von Atomkernen entlang des Magnetfeldes ausrichten, wodurch eine geordnete Ausrichtung, eine sogenannte Kernspinpolarisation, entsteht. Wenn die Kerne mit Radiowellen in einer bestimmten Frequenz bestrahlt werden, ändern sie ihre Richtung vom Magnetfeld weg. Weil sie magnetisch sind, beginnen sie sich aber wieder zurückzudrehen und geben die Energie frei, die sie zuvor durch die Radiowellen aufgenommen hatten.

Abb.: Ein Mikrodraht bringt aus etwa 100 Nanometern Entfernung die Spins in der winzigen magnetischen Probe zur Ausrichtung. (Bild: P. Peddibhotla et al., NPG)


Die Messung dieses Vorgangs trägt den Namen magnetische Kernresonanz und liefert wertvolle Informationen zur Struktur oder zur chemischen Zusammensetzung eines Prüfobjekts. Das Verfahren bildet auch die Grundlage für die Magnetresonanztomographie (MRI), welche 3D-Bilder der Dichte eines Objekts erstellen kann und in der medizinischen Diagnostik oft eingesetzt wird.

Bei sehr kleinen Objekten, die kleiner als eine einzelne Zelle sind und daher nur eine geringe Anzahl von Kernen aufweisen, sind jedoch die natürlichen Schwankungen der Kernspinpolarisation grösser als die Polarisation, die durch das magnetische Feld erzeugt wird. Diese Abweichungen, sogenanntes Spin Noise, ist in extrem kleinen Maßstäben so dominant, dass es sehr schwierig ist, die Kernspinresonanz zu messen und mit MRI zu untersuchen.

Zusammen mit Wissenschaftlern der Technischen Universitäten in Eindhoven und Delft hat nun ein Team um Martino Poggio von der Universität Basel eine Methode entwickelt, mit der sich eine Polarisierung dieser zufälligen Schwankungen erzeugen lässt. Durch die Überwachung, Steuerung und Erfassung statistischer Spinfluktuationen konnten die Forscher Polarisationen erzeugen, die viel grösser sind als die, welche durch das Anlegen eines Magnetfeldes hervorgerufen werden. Die Forscher sind die ersten, die solche Schwankungen in Echtzeit manipulieren, kontrollieren und erfassen können.

Die Ergebnisse sind von unmittelbarer Bedeutung für jüngste technische Entwicklungen, durch welche die Volumina, die sich mittels Kernspinresonanz-Messungen untersuchen lassen, stark reduziert haben.

„Ein besseres Verständnis dieser Phänomene kann zu neuen, hochauflösenden bildgebenden Verfahren im Nano- und atomaren Bereich führen“, erklärt Poggio, Argovia-Professor für Nanotechnologie am Swiss Nanoscience Institute. Das in Basel entwickelte Verfahren könnte einen möglichen Weg zur Verbesserung der Empfindlichkeit der Magnetresonanz-Bildgebung im Nanometerbereich darstellen oder gegebenenfalls auch für die Entwicklung von Festkörper-Quantencomputern nützlich werden.

Denn durch die Fähigkeit, die natürlichen Schwankungen in der Kernspinpolarisation zu reduzieren, könnte sich die Methode auch eignen, um die Kohärenzzeit von Festkörper-Qubits zu verbessern. Qubits sind Einheiten der Quanteninformation, welche in Quantencomputern zur Anwendung kommen sollen. Festkörper-Qubits sind sehr anfällig: Selbst winzige Schwankungen in der Kernpolarisation zerstören die quantenmechanische Kohärenz. Wenn es gelingt, diese Schwankungen zu kontrollieren, lässt sich die Kohärenzzeit verlängern. Die Kontrolle der fragilen Quantenzustände bildet eine wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung eines Quantencomputers.

U. Basel / PH

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