Kontrolliert getunnelt
Forscher messen und steuern Elektronenfreisetzung aus Metallen im Attosekundenbereich.
Durch Überlagerung zweier Laserfelder unterschiedlicher Stärke und Frequenz lässt sich die Elektronenemission von Metallen auf wenige Attosekunden genau messen und steuern. Das haben jetzt Physiker der Uni Erlangen-Nürnberg gemeinsam mit Kollegen anderer Universitäten gezeigt. Die Erkenntnisse könnten zu neuen quantenmechanischen Einblicken führen und elektronische Schaltungen ermöglichen, die eine Million Mal schneller sind als heutige.
Licht ist in der Lage, Elektronen aus Metalloberflächen herauszulösen. Mit der Entwicklung der Lasertechnologie hat die Erforschung dieses Photoeffekts einen neuen Schub bekommen. „Wir können heute extrem starke und ultrakurze Laserpulse in den verschiedensten Spektralfarben erzeugen“, erklärt Peter Hommelhoff, Inhaber des Lehrstuhls für Laserphysik der Uni Erlangen-Nürnberg. „Das weckt den Wunsch, die Dauer und Intensität der Elektronenfreisetzung von Metallen genauer zu erfassen und zu steuern.“ Eine präzise Bestimmung der laserinduzierten Elektronendynamik gelang bisher nur in Gasen – mit einer Genauigkeit von wenigen Attosekunden. An Festkörpern wurden Quantendynamik und Emissionszeitfenster bislang nicht gemessen.
Genau das ist den Forschern jetzt erstmals gelungen. Sie nutzten dafür eine besondere Strategie: Statt nur eines starken Laserpulses, der die Elektronen aus einer hauchdünnen Wolframspitze herauslöst, verwendeten sie zusätzlich einen zweiten schwächeren Laser mit doppelter Frequenz. „Dazu muss man grundsätzlich wissen, dass bei sehr starkem Laserlicht nicht mehr die einzelnen Photonen für das Freisetzen der Elektronen verantwortlich sind, sondern das elektrische Feld des Lasers“, erklärt Team-Mitglied Philip Dienstbier. „Die Elektronen tunneln dann durch die Metallgrenzfläche ins Vakuum.“ Durch die gezielte Überlagerung der beiden Lichtwellen können die Physiker die Form und Stärke des Laserfelds kontrollieren – und damit auch die Emission der Elektronen.
Im Experiment konnten die Forscher die Dauer des Elektronenflusses auf 30 Attosekunden genau bestimmen. Diese ultrapräzise Eingrenzung des Emissionszeitfensters könnte Grundlagen- und anwendungsbezogene Forschung gleichermaßen voranbringen. „Die Phasenverschiebung der beiden Lichtquellen erlaubt uns tiefere Einsichten in den Tunnelprozess und die anschließende Bewegung des Elektrons im Laserfeld“, sagt Dienstbier. „Das ermöglicht neue quantenmechanische Erkenntnisse sowohl über die Emission aus dem Festkörper als auch über die eingesetzten Lichtfelder.“
Wichtigstes Anwendungsgebiet ist die lichtfeldgetriebene Elektronik: Mit der vorgeschlagenen Zweifarben-Methode kann das Laserlicht so moduliert werden, dass eine exakt definierte Abfolge von Elektronenpulsen und damit von elektrischen Signalen erzeugt werden könnte. „In absehbarer Zeit wird es möglich sein, die Komponenten unseres Versuchsaufbaus – Lichtquellen, Metallspitze, Elektronendetektor – in einen Mikrochip zu integrieren“, so Dienstbier. Denkbar sind dann komplexe Schaltungen mit Bandbreiten bis in den Petahertz-Bereich hinein – das wäre fast eine Million Mal schneller als die derzeitige Elektronik.
FAU / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
P. Dienstbier et al.: Tracing attosecond electron emission from a nanometric metal tip, Nature 616, 702 (2023); DOI: 10.1038/s41586-023-05839-6 - Lehrstuhl für Laserphysik (P. Hommelhoff), Institut für Physik der kondensierten Materie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg