Konzentrierte Wellenkraft
Methoden der Transformationsoptik erweisen sich auch für Wellenkraftwerke als interessant.
Ein Ausbau regenerativer Energien ist unvermeidlich. Während Windkraft und Solarenergie aber in den letzten Jahren stark gewachsen sind und global weiter auf dem Vormarsch sind, hat die Wasserkraft mit steigenden Widerständen zu kämpfen. In den großen Industrienationen sind ihre Möglichkeiten weitgehend erschöpft. In den Entwicklungsländern hingegen stehen die oftmals riesigen Staudammprojekte in Konkurrenz zum Umwelt- und Artenschutz oder führen zur Vertreibung vieler Menschen. Weniger kontrovers wäre die Gewinnung von Energie aus Wellen und Gezeiten. Diese Technologien stecken aber leider immer noch in den Kinderschuhen.
Abb.: Mit Hilfe solcher konzentrischer Platten lässt sich der Wellenamplitude im Innern auf ein Mehrfaches erhöhen. (Bild: C. Li et al., APS)
Ein Forscherteam der Universität Xiamen in China hat nun eine pfiffige Methode ersonnen, wie man die Energie von Wellen konzentrieren kann. Ein Problem bei Wellenkraftwerken liegt schließlich darin, dass sich die Wellenenergie über die ganze Küste verteilt und es deshalb sehr aufwändig ist, sie abzuschöpfen. Es gibt zwar geologische Formationen, die Wellen konzentrieren. Hierzu zählen insbesondere immer enger zulaufende Schluchten, bei denen auch die Wellenhöhe immer weiter ansteigt. Aber selbst bei solch vorteilhaften Bedingungen geht immer noch ein guter Teil der Wellenenergie dadurch verloren, dass die Wellen zum Teil reflektiert werden. Am Wellenbild lässt sich das gut daran ablesen, dass die ein- und auslaufenden Wellen eine kabbelige See erzeugen.
Die chinesischen Forscher um Chunyang Li hatten nun die Idee, bekannte Methoden der Transformationsoptik einzusetzen, um derartige Reflexionsverluste möglichst zu minimieren. Dies ist möglich aufgrund der Ähnlichkeit der Wellengleichungen. Die bekanntesten Beispiele bislang sind vor allem Tarnkappen, die Objekte bei bestimmten Frequenzen unsichtbar machen, indem sie die Wellen außen herum leiten. Von Mikrowellen ist aber etwa auch bekannt, dass sie sich durch eine Anzahl konzentrisch nach außen zeigender dünner Metallplatten im zentralen Bereich verstärken lassen.
Um herauszufinden, ob das mit Wasser ebenso möglich ist, berechnete das Forscherteam die optimalen Bedingungen, unter denen die Wellen so wenig wie möglich zurückgeworfen wurden. Dabei nutzten sie Fabry-Pérot-Resonanzen, die sich ergeben, wenn man die Anzahl und Länge solcher Platten geschickt mit der Wassertiefe verknüpft. Die Frequenz von Wellen in flachem Wasser hängt von der Tiefe ab, so dass sich die Resonanzen durch einen passend geeigneten Tiefegradienten einstellen lassen. Im Optimalfall wächst dadurch die Höhe der Wellenberge bei den gängigen Frequenzen der Meereswellen, während zugleich kaum Energie reflektiert wird, der Konzentrator als quasi „unsichtbar” bleibt.
Mit Hilfe eines 3D-Druckers erstellten die Li und Kollegen zwei kleine Strukturen, die zwar noch Miniaturversionen eines künftigen Kraftwerks sind, aber dennoch eindrucksvoll die Machbarkeit des Konzepts illustrieren. Die kleinere Version hatte einen inneren Radius von 35 und einen äußeren Radius von 70 Millimetern, wobei die Wassertiefe von acht Millimetern außen auf sechs Millimeter im Innern abnahm. Bei einfallenden Wellen von rund fünf oder sieben Hertz verdoppelte sich die Wellenamplitude im Zentrum der Struktur, während der Wellengang außerhalb praktisch unbeeinflusst blieb – der Konzentrator also wie gewünscht unsichtbar blieb.
Die größere Version hatte einen äußeren Radius von 43 Zentimetern, bei einer Wassertiefe, die von zehn Zentimetern außen auf drei Zentimeter im Innern abnahm. Diese Struktur zeigte eine noch höhere Verstärkung der Wellenberge. Je höher der „Wellengang” im sechzig Meter langen Wasserbecken war, desto größer waren die nichtlinearen Effekte und umso höher war auch der Verstärkungsfaktor. Dieser Effekt war über den gesamten Frequenzbereich von 1,1 bis 1,75 Hertz zu sehen, bei dem die Forscher diese Versuche durchführten. Eine besonders hohe Verstärkung zeigte sich dabei bei rund 1,2 Hertz sowie im Bereich von 1,4 bis 1,5 Hertz, wo die Wellenamplitude bis zu dreifach höher war als die Ursprungswelle. Dabei zeigten die Versuche eine gute Übereinstimmung mit den Erwartungen aus Simulationen.
Abgesehen von der überraschenden Effizienz dieser Anordnung wecken die Versuche nach Ansicht der Forscher aber auch die Hoffnung auf mehr. Wenn sich die Gesetzmäßigkeiten der Transformationsoptik so gut auf die Formung von Wellen übertragen lassen, könnte man deren reichhaltiges Instrumentarium auch für eine ganze Reihe anderer Lösungen einsetzen. Es bleibt zwar abzuwarten, ob sich die speziellen Laborbedingungen wirklich effektiv in die raue Realität an den Meeresküsten übersetzen lassen. Aber je nach Geographie und Zweck sind viele Anwendungen denkbar, von der Stromgewinnung bis zum Küstenschutz – schließlich gehören zu den Erfolgen der Transformationsoptik in jüngerer Vergangenheit auch die Herstellung von Tarnkappen, Wellenrotatoren und dergleichen mehr.
Martin McCall vom Imperial College London, der zu theoretischer Optik arbeitet und an dieser Studie nicht beteiligt war, hält die Arbeit der Forscher aus Xiamen für einen bedeutenden Fortschritt auf dem Gebiet. Ihm zufolge könnte sich das Verfahren sogar für noch ganz andere Gebiete der Physik einsetzen lassen, die mit Wellen zu tun haben, etwa in der Akustik. Als nächstes wollen Li und Kollegen ihre Anlage in deutlichem größeren Maßstab nachbauen, um die nötigen Dimensionen zu erreichen, die für realistische Versuche zur Stromgewinnung aus Wellenenergie notwendig sind.
Dirk Eidemüller
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