Korkenzieher-Photonen auf einem Chip
Wellenleiter transportiert erstmals helikale Lichtwellen mit hoher Effizienz.
Die Menge an Informationen, die durch die globalen Glasfasernetze strömen, nimmt beständig und rasant zu. Forscher versuchen deshalb schon lange, mit verschiedenen Multiplexing-Verfahren immer mehr Informationen in die Leitungen zu quetschen, etwa durch Wellenlängen- oder Polarisations-Multiplexing. In den vergangenen Jahren ist ein zusätzlicher Freiheitsgrad in den Fokus gerückt, der zwar prinzipiell schon lange aus den Gleichungen der Elektrodynamik bekannt war, der aber technologisch kaum zur Anwendung gekommen ist: Helikale Lichtwellen mit einem bestimmten Bahndrehimpuls können auf jedem bisherigen Kanal die Übertragungskapazitäten vervielfachen. Diese Zustände sind zueinander orthogonal, stellen also im Prinzip beliebig viele unabhängige Kanäle zur Verfügung.
Allerdings werden bei höheren Drehimpulsen die helikalen Lichtwellen einander zunehmend ähnlicher, so dass sie sich immer schwieriger unterscheiden lassen und immer größere Sende- und Empfangstechnik notwendig wird. Mit entsprechend einfacher und robuster Technik sollten sich aber zumindest einige zusätzliche Kanäle für das Multiplexing öffnen. Bislang ließen sich solche korkenzieherartig verwundenen Lichtwellen zwar erzeugen und auch in Freilandversuchen einsetzen. Auch die Übertragung in Glasfasern konnte bereits gezeigt werden. Für die optoelektronische Datenverarbeitung ebenso wie für mögliche Anwendungen im Quantencomputing sind jedoch integrierte Chips von Interesse, deren Erzeugung sich bislang als schwierig erwiesen hat. Forscher um Xian-Min Jin von der Jiao Tong University Shanghai in China haben nun einen photonischen Chip präsentiert, der helikale Wellen nicht nur transportieren kann, sondern der zugleich auch unsaubere Wellen herausfiltert, so dass nur Photonen mit wohldefiniertem Bahndrehimpuls hindurchlaufen.
Gegenüber der Freiland-Übertragung bieten solche integrierte Lösungen den Vorteil, dass sich die Transmissionsbedingungen gezielt einstellen lassen. Versuche mit helikalen Terahertz- oder Infrarot-Wellen hatten in der Vergangenheit damit zu kämpfen gehabt, die Verzerrung der Wellenfronten durch Luftwirbel und Turbulenzen nachvollziehen zu können. Bei herkömmlichen Glasfasern sieht es noch deutlich schlechter aus: Sie verrauschen die helikalen Wellenfronten so stark, dass sich die zusätzlichen Informationen schon nach kurzer Distanz nicht mehr auslesen lassen. Die Kombination passender optischer Chips mit entsprechenden Glasfasern könnte nicht nur diese Probleme vermeiden: Da auch Überlagerungszustände von Photonen mit unterschiedlichen Bahndrehimpulsen möglich sind, ließen sich auf diese Weise auch Quanteninformationen übertragen.
Der Clou bei neuartigen optischen Chips: Die Wissenschaftler arbeiteten mit einem speziellen Indexprofil, das sie mit Hilfe von ultrakurzen Laserpulsen in das Material schrieben. Dazu nutzten sie Pulse von grünem Laserlicht von 290 Femtosekunden Länge und einer Wiederholrate von einem Megahertz, die sie auf einen Wafer aus Borosilikatglas fokussierten. Das intensive Laserlicht beeinflusst den Brechungsindex dieses Materials, wobei die Forscher dank der kurzen Pulse mit hoher Präzision arbeiten konnten. So erzeugten sie zwölf überlappende Kanäle mit hohem Brechungsindex ringförmig um einen zentralen Kanal mit niedrigem Index. Bei einigen Wellenleitern gelang es, die Übertragungsqualität weiter zu erhöhen, indem im Zentrum dieses inneren Kanals ein weiterer Kanal mit hohem Brechnungsindex hinzugefügt wurde.
Die Wellenleiter hatten eine Länge von etwa zwei Zentimetern und einen Durchmesser von etwa zehn Mikrometern. Es gelang den Forschern, damit zuverlässig Lichtmoden mit Bahndrehimpuls-Quantenzahlen von l = +1, −1 und 0 zu übertragen. Zwar war ein Intensitätsverlust zu verzeichnen, aber am Ausgang hatte das Signal immer noch eine Stärke von sechzig Prozent. Bei höheren Bahndrehimpulsen ist allerdings mit einer zunehmend stärkeren Dämpfung zu rechnen. Das Interessante an diesem Chip ist aber auch, dass die Übertragung einzelner helikaler Photonen gelang. Sie ließen sich in den Chip ein- und wieder auskoppeln. Damit ergibt sich die interessante Option für die Quanteninformationsverarbeitung, diesen Freiheitsgrad zur Übermittlung von Überlagerungszuständen in quantenkryptographischen Netzwerken zu nutzen.
Selbst wenn der Einsatz von Bahndrehimpuls-Multiplexing-Komponenten in der Datenübertragung noch auf sich warten lassen wird, könnten sie sich dennoch an anderer Stelle als nützlich erweisen: Bei optischen Pinzetten und Fallen kommen helikale Lichtwellen bereits zum Einsatz. Die Methode der Shanghaier Forscher könnte sich für solche Techniken oder auch für quantenoptische Abbildungsverfahren als hilfreich erweisen.
Dirk Eidemüller