06.10.2016

Korrelierte Magnete aus einzelnen Atomen

Entstehung antiferromagnetischer Korrelationen in eindimensionalen Vielteilchensystemen beobachtet.

Die Festkörper­physik weist eine Vielfalt interes­santer Phänomene auf, die zum Teil noch nicht vollständig erklärt werden können. Experimente mit fer­mionischen Atomen in optischen Gittern kommen dem Verhalten von Elektronen in Festkörper­kristallen sehr nahe und stellen somit einen gut steuerbaren Quanten­simulator solcher Systeme dar. Nun hat ein Team von Wissenschaft­lern um Immanuel Bloch und Christian Groß am Max-Planck-Institut für Quanten­optik in einer Kette aus fer­mionischen Atomen die Entstehung einer antiferro­magnetischen Ordnung über eine Korrelations­länge von mehreren Gitter­plätzen beobachtet.

Abb.: Eindimensionale atomare Ketten: Die dicken waagerechten Linien markieren die Barriere zwischen den unterschiedlichen Ketten. Die Atome haben aufwärts und abwärts gerichtete magnetische Momente . (Bild: M. Boll / MPQ)

Im Gegensatz zum Ferro­magnetismus ist Anti­ferromagne­tismus durch eine alter­nierende Ausrichtung der magne­tischen Momente der Elektronen bzw. Atome gekenn­zeichnet. Indem die Wissen­schaftler ihr Quanten­gas-Mikroskop mit modernen Techniken für die Positio­nierung einzelner Teilchen kombinierten, konnten sie gleich­zeitig Spin- und Dichte-Verteilung mit einer für einzelne Atome und einzelne Gitter­plätze empfindlichen Auflösung beobachten. Durch die Simulation der in makro­skopischen Kristallen herrschenden Bedin­gungen mit fermionischen Quanten-Viel­teilchen­systemen hofft man, ein besseres Verständnis von Phänomenen wie z.B. der Hochtem­peratur-Supra­leitung zu erzielen.

Im Experiment wurde zunächst eine Wolke von fermio­nischen Lithium-6-Atomen auf extrem tiefe Tempe­raturen, etwa einem Millionstel Kelvin über dem absoluten Nullpunkt, gekühlt. Diese ultra­kalten Fermionen wurden mit Licht­feldern eingefangen und in eine Ebene gezwungen, die in einem weiteren Schritt in einzelne ein­dimensionale Röhrchen auf­gespalten wurde. Schließlich wurde entlang der Röhrchen ein optisches Gitter eingeschaltet, welches das periodische Potential nachahmt, das die Elektronen in einem echten Material spüren.

Im Durch­schnitt waren die eindimen­sionalen Röhrchen vollständig gefüllt, d.h. jeder Gitter­platz war mit genau einem Atom besetzt. Zwei innere Zustände der Lithium-Atome imitieren das magne­tische Moment der Elektronen, das entweder aufwärts oder abwärts weisen kann. Solange die Temperatur des Systems hoch ist im Vergleich zu der magne­tischen Wechsel­wirkung zwischen diesen Spins, zeigt nur die Dichte­verteilung der Atome ein regel­mäßiges Muster, das durch das optische Gitter bestimmt ist. Unterhalb einer bestimmten Temperatur sollten sich aber, so die Erwartung, die magnetischen Momente benach­barter Atome entgegen­gesetzt ausrichten und somit zu anti­ferromagne­tischen Korrela­tionen führen. „Diese Korrela­tionen treten auf, weil das System danach strebt seine Energie zu erniedrigen“, erklärt Martin Boll, Doktorand am Experiment. „Ursache dafür ist der Mecha­nismus des „Super-Austauschs“, bei dem die magne­tischen Momente benach­barter Atome ihre Richtung austauschen.“

Das Team um Christian Groß und Immanuel Bloch hatte vor allem zwei Herausforderungen zu meistern: Zum einen war es notwendig, die Teilchen­dichte mit hoher Auflösung zu messen, um einzelne Teilchen bzw. Löcher auf ihren jeweiligen Gitter­plätzen eindeutig zu identi­fizieren. Dies gelang mit dem Quanten­gas-Mikroskop, bei dem ein hoch­auflösendes Objektiv alle Atome auf einen Schlag abbildet, sodass eine Folge von Schnappschüssen des atomaren Gases aufgezeichnet werden kann. „Die zweite und wirklich große Heraus­forderung war, die Atome entsprechend der Ausrichtung ihrer magne­tischen Momente voneinander zu trennen“, betont Martin Boll. „Zu diesem Zweck haben wir ein optisches Über­gitter mit einem magne­tischen Feld­gradienten kombiniert, der die Potential­minima in Abhängig­keit von der jeweiligen Ausrichtung des magne­tischen Moments verschob. Als Folge davon befanden sich entgegen­gesetzte magnetische Momente in unter­schiedlichen Bereichen der Doppel­struktur des Potential­minimums, die durch das Über­gitter erzeugt worden war. In einer Serie von Messungen haben wir die Methode so ausgefeilt, dass wir eine Auf­spaltung von nahezu 100 Prozent erhielten.“

Durch Einsatz all dieser Werkzeuge gelang es dem Team zu beobachten, wie sich in der eindimen­sionalen Kette anti­ferromagne­tische Korrela­tionen heraus­bildeten, die sich über mehr als drei Gitterplätze, also deutlich über die unmittel­bare Nachbar­schaft hinaus, erstreckten. „Quanten­simulationen mit Fermionen sind vor allem deshalb interessant, weil sie zu einem besseren Verständnis der Hochtem­peratur-Supra­leitung führen könnten. Man nimmt an, dass der Schlüssel hierfür in dem Wechsel­spiel zwischen Löchern und anti­ferromagne­tischen Korre­lationen liegt“, führt Christian Groß aus. „Schon in naher Zukunft sind wir vielleicht in der Lage, atomare Systeme mit einer Dotierung an Löchern zu präparieren, die den Bedingungen in supra­leitenden Materia­lien weitgehend entspricht.“

MPQ / JOL

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