Korrelierte Magnete aus einzelnen Atomen
Entstehung antiferromagnetischer Korrelationen in eindimensionalen Vielteilchensystemen beobachtet.
Die Festkörperphysik weist eine Vielfalt interessanter Phänomene auf, die zum Teil noch nicht vollständig erklärt werden können. Experimente mit fermionischen Atomen in optischen Gittern kommen dem Verhalten von Elektronen in Festkörperkristallen sehr nahe und stellen somit einen gut steuerbaren Quantensimulator solcher Systeme dar. Nun hat ein Team von Wissenschaftlern um Immanuel Bloch und Christian Groß am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in einer Kette aus fermionischen Atomen die Entstehung einer antiferromagnetischen Ordnung über eine Korrelationslänge von mehreren Gitterplätzen beobachtet.
Abb.: Eindimensionale atomare Ketten: Die dicken waagerechten Linien markieren die Barriere zwischen den unterschiedlichen Ketten. Die Atome haben aufwärts und abwärts gerichtete magnetische Momente . (Bild: M. Boll / MPQ)
Im Gegensatz zum Ferromagnetismus ist Antiferromagnetismus durch eine alternierende Ausrichtung der magnetischen Momente der Elektronen bzw. Atome gekennzeichnet. Indem die Wissenschaftler ihr Quantengas-Mikroskop mit modernen Techniken für die Positionierung einzelner Teilchen kombinierten, konnten sie gleichzeitig Spin- und Dichte-Verteilung mit einer für einzelne Atome und einzelne Gitterplätze empfindlichen Auflösung beobachten. Durch die Simulation der in makroskopischen Kristallen herrschenden Bedingungen mit fermionischen Quanten-Vielteilchensystemen hofft man, ein besseres Verständnis von Phänomenen wie z.B. der Hochtemperatur-Supraleitung zu erzielen.
Im Experiment wurde zunächst eine Wolke von fermionischen Lithium-6-Atomen auf extrem tiefe Temperaturen, etwa einem Millionstel Kelvin über dem absoluten Nullpunkt, gekühlt. Diese ultrakalten Fermionen wurden mit Lichtfeldern eingefangen und in eine Ebene gezwungen, die in einem weiteren Schritt in einzelne eindimensionale Röhrchen aufgespalten wurde. Schließlich wurde entlang der Röhrchen ein optisches Gitter eingeschaltet, welches das periodische Potential nachahmt, das die Elektronen in einem echten Material spüren.
Im Durchschnitt waren die eindimensionalen Röhrchen vollständig gefüllt, d.h. jeder Gitterplatz war mit genau einem Atom besetzt. Zwei innere Zustände der Lithium-Atome imitieren das magnetische Moment der Elektronen, das entweder aufwärts oder abwärts weisen kann. Solange die Temperatur des Systems hoch ist im Vergleich zu der magnetischen Wechselwirkung zwischen diesen Spins, zeigt nur die Dichteverteilung der Atome ein regelmäßiges Muster, das durch das optische Gitter bestimmt ist. Unterhalb einer bestimmten Temperatur sollten sich aber, so die Erwartung, die magnetischen Momente benachbarter Atome entgegengesetzt ausrichten und somit zu antiferromagnetischen Korrelationen führen. „Diese Korrelationen treten auf, weil das System danach strebt seine Energie zu erniedrigen“, erklärt Martin Boll, Doktorand am Experiment. „Ursache dafür ist der Mechanismus des „Super-Austauschs“, bei dem die magnetischen Momente benachbarter Atome ihre Richtung austauschen.“
Das Team um Christian Groß und Immanuel Bloch hatte vor allem zwei Herausforderungen zu meistern: Zum einen war es notwendig, die Teilchendichte mit hoher Auflösung zu messen, um einzelne Teilchen bzw. Löcher auf ihren jeweiligen Gitterplätzen eindeutig zu identifizieren. Dies gelang mit dem Quantengas-Mikroskop, bei dem ein hochauflösendes Objektiv alle Atome auf einen Schlag abbildet, sodass eine Folge von Schnappschüssen des atomaren Gases aufgezeichnet werden kann. „Die zweite und wirklich große Herausforderung war, die Atome entsprechend der Ausrichtung ihrer magnetischen Momente voneinander zu trennen“, betont Martin Boll. „Zu diesem Zweck haben wir ein optisches Übergitter mit einem magnetischen Feldgradienten kombiniert, der die Potentialminima in Abhängigkeit von der jeweiligen Ausrichtung des magnetischen Moments verschob. Als Folge davon befanden sich entgegengesetzte magnetische Momente in unterschiedlichen Bereichen der Doppelstruktur des Potentialminimums, die durch das Übergitter erzeugt worden war. In einer Serie von Messungen haben wir die Methode so ausgefeilt, dass wir eine Aufspaltung von nahezu 100 Prozent erhielten.“
Durch Einsatz all dieser Werkzeuge gelang es dem Team zu beobachten, wie sich in der eindimensionalen Kette antiferromagnetische Korrelationen herausbildeten, die sich über mehr als drei Gitterplätze, also deutlich über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus, erstreckten. „Quantensimulationen mit Fermionen sind vor allem deshalb interessant, weil sie zu einem besseren Verständnis der Hochtemperatur-Supraleitung führen könnten. Man nimmt an, dass der Schlüssel hierfür in dem Wechselspiel zwischen Löchern und antiferromagnetischen Korrelationen liegt“, führt Christian Groß aus. „Schon in naher Zukunft sind wir vielleicht in der Lage, atomare Systeme mit einer Dotierung an Löchern zu präparieren, die den Bedingungen in supraleitenden Materialien weitgehend entspricht.“
MPQ / JOL