25.05.2018

Kosmische Rugbybälle

Spezielle Kollisionen bestimmen Wachstum der masse­reichsten Galaxien.

Die Umlaufbahnen der Sterne in den massereichsten Galaxien hat jetzt ein Forscher­team aus Deutsch­land, der Schweiz und Frank­reich unter­sucht – mit über­raschen­den Ergeb­nissen. Während sich die eine Hälfte der unter­suchten Galaxien wie erwartet um ihre kleine Achse dreht, rotiert die andere Hälfte um ihre große Achse. Diese Art der Rota­tion ist wahr­schein­lich das Ergebnis einer spezi­ellen Form von Galaxien­kolli­sionen, bei der gas­freie Galaxien ähn­licher Masse ver­schmelzen. Das bedeute, so die Forscher, dass das Wachs­tum der masse­reich­sten und größten Galaxien im Uni­versum von diesen seltenen Ereig­nissen bestimmt wird.

Abb.: Die oberen Bilder zeigen Karten der gemes­senen mitt­leren Stern­geschwin­dig­keiten von zwei Galaxien. Blau bedeutet, dass sich die Sterne in diesem Teil der Galaxie uns nähern und rot von uns weg­fliegen. Die Art der Rota­tion auf der linken Seite ist typisch für die Mehr­heit der Galaxien. Die Rota­tion ent­lang der großen Achse, wie im Bild rechts, ist unge­wöhn­lich und trifft nur auf einen kleinen Teil der Galaxien zu. Dieser Anteil nimmt zu, je masse­reicher die Galaxien werden. (Bild: MUSE / D. Krajnovi)

Die Vermessung der Sternenbewegungen innerhalb von Galaxien erlaubt Rück­schlüsse auf die innere Struktur von Galaxien, ihre drei­dimen­sio­nale Form und das zugrunde liegende Gravi­ta­tions­potential. Um die größten und masse­reich­sten Galaxien zu unter­suchen, beob­achtete das Team um Davor Krajnovi vom Leibniz-Institut für Astro­physik Potsdam besonders helle Galaxien bis zu einer Ent­fer­nung von acht­hundert Milli­onen Licht­jahren. Diese befinden sich in den dichte­sten Regionen des Uni­versums – beispiels­weise in Galaxien­haufen wie dem Shapley-Super­haufen. Zudem sind sie sehr selten und etwa ein­hundert­mal masse­reicher als unsere Milch­straße. Die masse­reich­sten Galaxien sind außer­dem nahezu gas­frei, zeigen keine Stern­ent­stehungs­akti­vität und ihre Sterne sind mindes­tens zehn Milli­arden Jahre alt.

Leider sind diese Galaxien zu weit von uns entfernt, um ein­zelne Sterne und deren Bewe­gung beob­achten zu können. Deshalb ver­misst man die durch­schnitt­lichen Bewe­gungen der Sterne in bestimmten Regionen. „Dafür sind Integral­feld-Spektro­graphen beson­ders gut geeignet“, erklärt Krajnovi. „Wir haben die Galaxien mit MUSE beob­achtet, dem Integral­feld-Spektro­graphen am Very Large Tele­scope der ESO. Masse­reiche Galaxien können alle mög­lichen Bewe­gungs­muster auf­weisen – einige ähneln rotie­renden Frisbees, andere zeigen keinen spezi­fischen Rota­tions­sinn. Die Form Letzterer erinnert an runde Bälle oder Rugby­bälle. Wir haben die masse­reich­sten Galaxien beob­achtet und fest­ge­stellt, dass sie sich von anderen Galaxien unter­scheiden.“

Der Großteil der Galaxien mittlerer Masse weist sehr regel­mäßige stellare Bewe­gungs­muster auf, wie man sie auch von Scheiben­galaxien wie unserer Milch­straße kennt. Zusätz­lich zu der geord­neten Bewe­gung der Sterne gibt es auch einen klar defi­nierten Dreh­sinn um die kleine Achse des Objekts, der Dreh­impuls ist an der kleinen Achse einer abge­flachten Kugel aus­ge­richtet. „Wir wussten, dass nur 15 Prozent der Galaxien mitt­lerer Masse unregel­mäßige Bewe­gungs­muster auf­weisen oder sogar gene­rell wenig Rota­tion zeigen“, sagt Krajnovi. „Für solche Galaxien ist der Gesamt­dreh­impuls­ektor oft nicht an einer der Haupt­achsen der Galaxie aus­ge­richtet und sie haben eine sphärische Form oder sind leicht lang­gezogen, ähn­lich wie Rugby­bälle. Einige von ihnen haben eine interes­sante Aus­rich­tung und rotieren um die längste Achse der Galaxie. Bisher waren nur wenige Fälle bekannt."

Wie Krajnovi und seine Kollegen jetzt zeigen konnten, kommen diese „rotie­renden Rugby­bälle“ viel häufiger vor als bisher ange­nommen – jeden­falls, sobald man das massen­reiche Ende der Galaxien­popula­tion betrachtet. Das Ergebnis ist bemerkens­wert, da es auf ein sehr spezi­fisches Forma­tions­szenario für die masse­reich­sten Galaxien hin­weist. Nume­rische Simu­la­tionen zeigen, dass die Rota­tion ent­lang der großen Achse durch die Ver­schmel­zung zweier masse­reicher Galaxien mit ähn­licher Größe und Masse erzeugt werden kann, wenn diese sich auf spezi­ellen Bahnen ereignet: eine Art Frontal­zusammen­stoß im Welt­raum.

Solche Galaxienkollisionen formen die inneren Strukturen der Vor­läufer­galaxien voll­ständig um. Die ver­schmol­zene Galaxie ähnelt einem drehenden Rugby­ball. Die inneren stellaren Bahnen werden zudem viel komplexer. Das führt zu einer Kine­matik, bei der die ein­fache geord­nete Bewe­gung durch eine komplexe Strömung um eine der drei Haupt­achsen eines Sphäroids ersetzt wird. Die masse­reich­sten Galaxien stehen am Ende der Galaxien­bildung und erweisen sich als sehr komplexe Stern­systeme. Die Unter­suchung von Krajnovi und seinen Kollegen trägt dazu bei, das Geheimnis der Ent­stehung dieser gewaltig­sten galak­tischen Systeme zu ent­hüllen.

AIP / RK

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