22.04.2015

Kosmisches Donnerwetter

Explodierende Sterne helfen, irdische Gewitterwolken zu ergründen.

Wie entstehen Blitze in einer Gewitterwolke? Eine schwierige Frage, denn wie misst man eigentlich die elektrische Felder in einer so großen und gefährlich geladenen Wolke? Mehr oder weniger zufällig haben Astronomen mit Daten des Nieder­ländischen Radio­teleskops LOFAR nun entdeckt, wie sie kosmische Teilchen nutzen können, um Gewitter­wolken zu vermessen. „Klassischer­weise sind Radio­teleskope in Gewittern zum Schutz der Technik ausge­schaltet,“ sagt Anna Nelles. „Teleskope wie LOFAR mit vielen kleinen Antennen anstelle einer großen Schüssel kann man aber auch an lassen. Und dann findet man plötzlich ganz unerwartete Dinge.“

Abb.: Ein kosmischer Luftschauer über LOFAR während eines Gewitters. (Bild: Radboud U.)

Nelles, die Ende letzten Jahres an der Radboud Universität in der LOFAR-Gruppe von Heino Falcke promovierte, interessiert sich eigentlich für kosmische Strahlung, die durch explodierende Sterne und andere hoch­energe­tische Phänomene verursacht wird und deren Über­reste die Erde bombardieren. Hoch in der Atmosphäre stößt diese Strahlung auf Luft­moleküle und verursacht einen Luft­schauer, der aus einer Vielzahl von Elementar­teilchen besteht. In dem Luft­schauer wird Radio­strahlung erzeugt, die Rückschlüsse auf das ursprüngliche Strahlungs­teilchen erlaubt. Das Radio­teleskop-Array LOFAR mit seinemim Norden der Niederlande wird zur Messung dieser Strahlung verwendet – allerdings nicht während eines Gewitters.

Dies wurde erst innerhalb einer Zusammenarbeit mit den Teilchenphysikern Gia Trinh und Olaf Scholten von der Universität Groningen und Gewitterforscherin Ute Ebert vom CWI in Amsterdam interessant. „Unsere Messungen unterscheiden sich sehr von solchen ohne Gewitter. Wir haben Computer­simulationen verwendet, um zu testen ob bestimmte elek­trische Felder dafür verantwortlich sein können.“ Und tatsächlich: „Die Verän­derungen in den Luftschauern zeigen ziemlich genau, was in den Gewitterwolken passiert. Wir können sogar die Stärke des elektrischen Felds messen und die Höhe, an der es sich verändert,“ so Nelles. Die Felder können bis zu 50 kV/m betragen. Umgerechnet entspricht dies einer Spannung von Hundert­millionen Volt über einen Abstand von mehreren Kilo­metern: eine Gewitter­wolke enthält somit gigantische Mengen an Energie.

Blitze sind bis zum heutigen Tag ein unvorher­sehbares Phänomen, das auf der ganzen Welt Opfer fordert und großen materiellen Schaden anrichten kann, besonders im Hinblick auf unsere modere elektri­zitäts­basierte Infra­struktur. Möglicher­weise kann diese neue Methode des Vermessens von Gewitterwolken dazu beitragen, Blitze besser zu verstehen und die Wetter­vorhersagen zu verbessern. Bisher müssen Flugzeugen, Ballons oder kleine Raketen Wolken und deren Felder vermessen. Dies ist nicht nur gefährlich sondern auch nur auf sehr kleinen Skalen möglich. Darüber hinaus beeinflussen die Fluggeräte selbst die Messung. Kosmische Strahlung dahingegen durchdringt Wolken vollständig und das nahezu mit Licht­geschwin­digkeit. Sie ist außerdem kostenlos und jederzeit verfügbar.

„Diese Ergebnisse sind ein Beispiel einer fruchtbaren interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Astronomen, Teilchenphysikern und Geophysikern,“ meint Falcke. Er hofft darauf, die Modelle weiter verfeinern zu können, um der Antwort auf die alte Frage, wie genau Blitze entstehen, näher zu kommen.

U. Radboud / OD

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