Kosmisches Donnerwetter
Explodierende Sterne helfen, irdische Gewitterwolken zu ergründen.
Wie entstehen Blitze in einer Gewitterwolke? Eine schwierige Frage, denn wie misst man eigentlich die elektrische Felder in einer so großen und gefährlich geladenen Wolke? Mehr oder weniger zufällig haben Astronomen mit Daten des Niederländischen Radioteleskops LOFAR nun entdeckt, wie sie kosmische Teilchen nutzen können, um Gewitterwolken zu vermessen. „Klassischerweise sind Radioteleskope in Gewittern zum Schutz der Technik ausgeschaltet,“ sagt Anna Nelles. „Teleskope wie LOFAR mit vielen kleinen Antennen anstelle einer großen Schüssel kann man aber auch an lassen. Und dann findet man plötzlich ganz unerwartete Dinge.“
Abb.: Ein kosmischer Luftschauer über LOFAR während eines Gewitters. (Bild: Radboud U.)
Nelles, die Ende letzten Jahres an der Radboud Universität in der LOFAR-Gruppe von Heino Falcke promovierte, interessiert sich eigentlich für kosmische Strahlung, die durch explodierende Sterne und andere hochenergetische Phänomene verursacht wird und deren Überreste die Erde bombardieren. Hoch in der Atmosphäre stößt diese Strahlung auf Luftmoleküle und verursacht einen Luftschauer, der aus einer Vielzahl von Elementarteilchen besteht. In dem Luftschauer wird Radiostrahlung erzeugt, die Rückschlüsse auf das ursprüngliche Strahlungsteilchen erlaubt. Das Radioteleskop-Array LOFAR mit seinemim Norden der Niederlande wird zur Messung dieser Strahlung verwendet – allerdings nicht während eines Gewitters.
Dies wurde erst innerhalb einer Zusammenarbeit mit den Teilchenphysikern Gia Trinh und Olaf Scholten von der Universität Groningen und Gewitterforscherin Ute Ebert vom CWI in Amsterdam interessant. „Unsere Messungen unterscheiden sich sehr von solchen ohne Gewitter. Wir haben Computersimulationen verwendet, um zu testen ob bestimmte elektrische Felder dafür verantwortlich sein können.“ Und tatsächlich: „Die Veränderungen in den Luftschauern zeigen ziemlich genau, was in den Gewitterwolken passiert. Wir können sogar die Stärke des elektrischen Felds messen und die Höhe, an der es sich verändert,“ so Nelles. Die Felder können bis zu 50 kV/m betragen. Umgerechnet entspricht dies einer Spannung von Hundertmillionen Volt über einen Abstand von mehreren Kilometern: eine Gewitterwolke enthält somit gigantische Mengen an Energie.
Blitze sind bis zum heutigen Tag ein unvorhersehbares Phänomen, das auf der ganzen Welt Opfer fordert und großen materiellen Schaden anrichten kann, besonders im Hinblick auf unsere modere elektrizitätsbasierte Infrastruktur. Möglicherweise kann diese neue Methode des Vermessens von Gewitterwolken dazu beitragen, Blitze besser zu verstehen und die Wettervorhersagen zu verbessern. Bisher müssen Flugzeugen, Ballons oder kleine Raketen Wolken und deren Felder vermessen. Dies ist nicht nur gefährlich sondern auch nur auf sehr kleinen Skalen möglich. Darüber hinaus beeinflussen die Fluggeräte selbst die Messung. Kosmische Strahlung dahingegen durchdringt Wolken vollständig und das nahezu mit Lichtgeschwindigkeit. Sie ist außerdem kostenlos und jederzeit verfügbar.
„Diese Ergebnisse sind ein Beispiel einer fruchtbaren interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Astronomen, Teilchenphysikern und Geophysikern,“ meint Falcke. Er hofft darauf, die Modelle weiter verfeinern zu können, um der Antwort auf die alte Frage, wie genau Blitze entstehen, näher zu kommen.
U. Radboud / OD