09.09.2016

Kräftemessen im Erbgutmolekül

Stapelkraft in DNA-Doppelhelix erst­mals direkt ge­messen.

Die DNA hat die Struktur einer Doppelhelix. Für ihre Stabi­lität sind unter anderem die Basen­paar-Stapel­wechsel­wirkungen verant­wort­lich. Forschern der TU München ist es zum ersten Mal gelungen, diese Kraft direkt zu messen. Das neue Wissen könnte dabei helfen, präzise mole­kulare Maschinen aus DNA zu konstru­ieren.

Abb.: Illustration der Basen­paar-Stapel­wechsel­wirkungen. (Bild: C. Hohmann & H. Dietz, TU München)

Hendrik Dietz von der TU München nutzt DNA als Baumaterial, um mole­kulare Struk­turen zu konstru­ieren. Daher hat er auch ein großes Interesse daran, dieses Material genau zu verstehen. „Es gibt im Grunde zwei Typen von Wechsel­wirkungen, die Doppel­helices stabili­sieren“, erklärt er. Zum einen sind in der DNA die Wasser­stoff­brücken­bindungen vor­handen. Zum anderen gibt es die Basen­paar-Stapel­wechsel­wirkungen, die zwischen den aufein­ander­gesta­pelten Basen­paaren entlang der Spiral­achse wirken. Die Kräfte der Wasser­stoff­brücken­bindungen wirken dagegen senk­recht zur Achse. „Bisher ist nicht klar, mit welchen Anteil diese beiden Kräfte jeweils zur gesamten Stabi­lität der DNA-Doppel­helix beitragen“, so Dietz.

Die schwache Stapelkraft zwischen einzelnen Basenpaaren direkt zu messen war eine große tech­nische Heraus­forderung für die Forscher, an der sie sechs Jahre lang arbeiteten. Dem Team gelang es, ein spezielles Mess­system zu entwickeln, das es zum ersten Mal möglich macht, ultra­schwache Kontakt-Wechsel­wirkungen zwischen einzelnen Mole­külen zu messen. Verein­facht darge­stellt handelt es sich bei dem hierar­chisch aufge­bauten Mess­system um mikro­skopische Balken, an deren Spitze sich eine oder mehrere parallel ver­laufende Doppel­helix-Strukturen befinden. Diese sind so modi­fiziert, dass sie am Ende jeweils ein Basen­paar tragen. Zwei dieser mikro­skopischen Balken­ein­heiten sind durch ein Polymer mit­ein­ander ver­bunden.

Auf der anderen Seite sind die Balken an mikroskopische Kügelchen ge­koppelt, die wiede­rum mit einer optischen Laser­pinzette ausein­ander­gezogen werden können. In Lösung können nun die Basen­paare am Ende der einen Balken­einheit mit den Basen­paaren am Ende der anderen Balken­einheit inter­agieren. Und es lässt sich messen, wie lange eine Stapel­bindung zwischen ihnen anhält, bevor sie sich durch eine Fluktu­ation wieder trennen, und natürlich auch die Kraft, die zwischen den Basen­paaren wirkt.

Die von den Forschern gemessenen Kräfte liegen im Bereich Piko­newton. Kräfte im Bereich von zwei Piko­newton reichen aus, um die durch Stapel­wechsel­wirkungen erzeugte Bindung zu trennen. Die Wissen­schaftler konnten außerdem beob­achten, dass die Bindungen inner­halb weniger Milli­sekunden spontan zerfallen und sich wieder bilden. Wie stark die Bindungen sind und wie lange sie halten, hängt dabei stark davon ab, welche Basen­paare aufein­ander gestapelt sind.

Die Ergebnisse aus den Messungen helfen dabei, mechanische Aspekte von grund­legenden biolo­gischen Prozessen wie etwa die DNA-Repli­kation besser zu verstehen. Die geringe Lebens­dauer der Stapel­wechsel­wirkung könnte beispiels­weise bedeuten, dass ein Enzym, das die Auf­gabe hat, bei diesem Prozess die Basen­paare zu trennen, eigent­lich nur darauf warten muss, dass die Stapel­bindungen von alleine auf­gehen – statt Kraft aufzu­wenden, um sie zu trennen.

Dietz will die Daten aber auch direkt auf seine aktuellen Forschung an­wenden: Er nutzt DNA als pro­grammier­bares Konstruk­tions­material, um Maschinen auf Nano­ebene zu bauen. Dabei orien­tiert er sich als Inspi­ration an den komplexen Strukturen, die etwa in den Zellen zu finden sind und unter anderem als mole­kulare Fabriken wichtige Verbin­dungen wie den Energie­speicher ATP synthe­tisieren. „Wir wissen also, was alles möglich wäre, wenn wir in der Lage wären, aus­reichend kompli­zierte Struk­turen zu bauen“, sagt Dietz. „Und wenn wir ein besseres Verständnis der molekularen Wech­sel­wir­kungen haben, können wir natürlich besser mit den Molekülen bauen.“ Momentan konstru­iert die Arbeits­gruppe einen moleku­laren Ro­ta­tions-Motor aus DNA, dessen Kompo­nenten über Stapel­bindungen inein­ander­greifen und zusammen­halten. Ziel ist es, eine gerichtete Rotation durch chemische oder thermische Impulse steuern zu können.

TUM / RK

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