Kraftmessungen am Limit
Physiker kehren Messprinzip von Rasterkraftmikroskopen um.
Die Entwicklung von Rastersondenmikroskopen in den frühen 1980er Jahren brachte einen Durchbruch in der Bildgebung und öffnete ein Fenster in die Welt im Nanometerbereich. Die Schlüsselidee besteht darin, eine extrem scharfe Nadel über ein Substrat zu scannen und an jeder Stelle die Stärke der Wechselwirkung zwischen Spitze und Oberfläche aufzuzeichnen. In der Rasterkraftmikroskopie ist diese Wechselwirkung die Kraft zwischen Nadel und Strukturen auf der Oberfläche. Diese Kraft wird bestimmt, indem die Dynamik einer vibrierenden Nadel gemessen wird, wenn sie Objekte abtastet. Forscher um Alexander Eichler am Laboratorium für Festkörperphysik stellten dieses Paradigma nun auf den Kopf. Sie entwickelten ein Rasterkraftmikroskop, bei dem die Nadel in Ruhe ist, während das Substrat mit den Proben darauf schwingt.
Die Komplexität dieses umgekehrten Ansatzes geht jedoch mit einem entscheidenden Vorteil einher: Die Empfindlichkeit der Messung kann an die Grenze des physikalisch Möglichen reichen. Der Schlüssel dazu liegt in der Wahl des Substrats. So besteht der „Tisch“ aus einer perforierten Membran aus Siliziumnitrid mit einer Dicke von nur 41 Nanometern. Diese leichten Siliziumnitridmembranen dienen als herausragende nanomechanische Resonatoren. So vibriert sie nach einem Antippen millionenfach bevor sie zur Ruhe kommt. Nun haben die Forscher gezeigt, dass das Konzept der membranbasierten Rasterkraftmikroskopie in der Praxis funktioniert. So gestaltete sich weder das Beladen der Membran mit Proben noch die Präsenz der Nadel in einem Abstand von wenigen Nanometern als problematisch. Sobald sich die Nadel der Probe noch mehr näherte, änderte sich die Frequenz oder Amplitude der Membran. Um diese Änderungen messen zu können, wies die Membran mechanische gekoppelte Inseln auf, von denen ein Laserstrahl für interferometrische Messungen reflektiert werden konnte.
Dieses Setup hat das Team nun genutzt, um Goldnanopartikel und Tabakmosaikviren erfolgreich auflösen. Die Bilder zeigen, dass das neuartige Mikroskopiekonzept funktioniert, sie bringen jedoch noch keine grundlegend neuen Einsichten. Die Forschenden planen, ihren neuartigen Ansatz mit einer als Magnetresonanzkraftmikroskopie (MRFM) bekannten Technik zu kombinieren, um Magnetresonanztomographie (MRT) mit einer Auflösung von einzelnen Atomen zu ermöglichen und so einzigartige Einblicke beispielsweise in Viren zu erhalten. Diese atomare MRT wäre ein weiterer Durchbruch in der Bildgebung, da sie die hohe räumliche Auflösung mit hochspezifischen physikalischen und chemischen Informationen über die abgebildeten Atome kombinieren würde. Das Team ist zuversichtlich, einen solchen Kraftsensor durch weitere Fortschritte sowohl in der Membrantechnologie als auch in der Messmethode realisieren zu können.
ETHZ / JOL