01.08.2013

Kristall als Bremsklotz für Licht

Durch Kombination bekannter Methoden frieren Physiker der TU Darmstadt Lichtbewegung eine Minute lang ein.

Etwas anhalten, was größtmögliches Tempo besitzt und eigentlich nie stoppt – dies ist Physikern der TU Darmstadt gelungen. Die Rede ist von Licht. Dieses bringen Physiker zwar schon seit Jahren für kurze Zeiten zum Stehen: In extrem kalten Gasen und speziellen Kristallen gelang dies bislang für einige Sekunden. Doch nun machten die Darmstädter Forschern einen großen Wurf bei der möglichen Dauer des Einfrierens der Lichtbewegung. Die Physiker um Thomas Halfmann vom Institut für Angewandte Physik der Technischen Universität Darmstadt haben Licht für über eine Minute angehalten. Bilder, die der Lichtpuls in den Kristall einschrieb, konnten sie ebenfalls eine Minute lang speichern - eine Millionen Mal länger als bislang möglich.

Abb.: Blick auf das Experiment zum Stoppen und Speichern von Lichtpulsen. In der Bildmitte der Kryostat (mit Flüssig-Helium-Leitungen), in dem der Kristall zur Lichtspeicherung präpariert wird. Im linken Bildteil und im Hintergrund ist orange Streustrahlung vom Laser zu sehen, der die benötigten Lichtpulse erzeugt. (Bild: K. Binner / TU Darmstadt)

Den Rekord erzielten die Forscher, indem sie verschiedene bekannte Methoden ihres Faches kombinierten. Als „Bremsklotz“ diente den Physikern ein glasähnlicher Kristall, der in geringer Konzentration Ionen – elektrisch geladene Atome – des Elementes Praseodym enthielt. Zum Versuchsaufbau gehörten zudem zwei Laserstrahlen. Der war Teil der „Bremsvorrichtung“, der andere sollte gebremst werden. Der erste, „Kontrollstrahl“ genannte Lichtstrahl veränderte die optischen Eigenschaften des Kristalls: Die Ionen konnten die Lichtgeschwindigkeit nun sehr stark beeinflussen. Der zweite, zu bremsende Strahl traf nun auf dieses Medium aus Kristall und Laserlicht, was ihn stark abbremste. Wenn die Physiker den Kontrollstrahl im gleichen Moment abschalteten, in dem sich der andere Strahl im Kristall befand, kam der gebremste Strahl darin zum Stillstand.

Das Licht verwandelte sich in eine Art im Kristallgitter gefangene Welle. Das lässt sich, stark vereinfacht, wie folgt verstehen: Die Praseodym-Ionen wurden von Elektronen umkreist. Diese verhielten sich ähnlich wie aneinandergereihte Magnete: Stieß man einen von ihnen an, pflanzte sich die Bewegung vermittelt durch magnetische Kräfte in der Reihe wie eine Welle fort, beim Einfrieren ergab sich so analog eine „Spinwelle“. Diese war ein Abbild der Lichtwelle des Lasers. Auf diese Weise gelang es den Forschern, auch Bilder, zum Beispiel ein Streifenmuster, aus Laserlicht in dem Kristall zu speichern. Die Information ließ sich wieder auslesen, indem man den Laserstrahl erneut einschaltete.

Dass so bislang nur sehr kurze Speicherzeiten gelangen, liegt daran, dass Umwelteinflüsse die Spinwelle stören, ähnlich wie fahrende Schiffe Wellen in einem See durcheinanderbringen. Die Information über die gespeicherte Lichtwelle geht dabei nach und nach verloren. Verringern lassen sich die Umwelteinflüsse durch Anlegen eines Magnetfeldes sowie durch Hochfrequenz-Pulse. Wie gut das gelingt, hängt empfindlich von der Stärke und Richtung derselben ab. Dabei gibt es äußerst viele Variationsmöglichkeiten, und die optimale Einstellung lässt sich wegen der Komplexität kaum berechnen. Daher haben die Wissenschaftler Computer-Algorithmen verwendet, die während des Experiments voll-automatisch und schnell die besten Lösungen finden.

Einer der Algorithmen orientiert sich an der Evolution in der Natur, die möglichst gut an die Umwelt angepasste Organismen hervorbringt. Mittels der Algorithmen konnten die Forscher Laserstrahlen, Magnetfeld und Hochfrequenz-Pulse so einstellen, dass die Spinwellen fast so lange überlebten wie es in dem Kristall überhaupt möglich ist. Aufbauend auf diesem Erfolg will Halfmanns Team nun Techniken erforschen, um Licht noch deutlich länger – möglicherweise eine Woche lang – zu speichern, sowie eine höhere Breitbandigkeit und Datentransferrate der Informationsspeicherung durch gestopptes Licht zu erreichen.

TU Darmstadt / CT

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