13.01.2011

Kristall speichert verschränktes Licht

Zwei Forschergruppen haben die Verschränkung von Photonen in dotierten Kristallen gespeichert und anschließend auf Photonen zurückübertragen.


Zwei Forschergruppen haben die Verschränkung von Photonen in dotierten Kristallen gespeichert und anschließend auf Photonen zurückübertragen.

Bei der Verarbeitung und Übermittlung von Quanteninformationen spielen verschränkte Quantenzustände eine entscheidende Rolle. Sie ermöglichen eine Quantenkryptographie, eine Quantenteleportation und eine „Auffrischung“ von Quantenzuständen durch Quantenverstärker. Verschränkte Quantenbits lassen sich zuverlässig und über große Distanzen mit verschränkten Photonen übertragen. Um die Quantenbits zwischenzuspeichern und zu verarbeiten, muss man sie jedoch „materialisieren“, indem man sie auf einzelne Atome oder kollektive Anregungszustände von vielen Atomen überträgt. Quantenspeicher aus Festkörpern bieten hier den Vorteil, dass sie sich leicht mit elektronischen Bauelementen, Festkörperlasern und Glasfasern kombinieren lassen. Zwei Forschergruppen aus Kanada und aus der Schweiz haben jetzt solche Festkörperquantenspeicher hergestellt, die die quantenmechanische Verschränkung von Photonen aufnehmen und 7 ns bzw. mehr als 50 ns lang festhalten konnten, bevor sie sie wieder abgaben.

Abb.: Die rekonstruierten Zustandsmatrizen der verschränkten Photonenpaare vor und nach der Photonenspeicherung stimmen hervorragend überein. Hier bezeichnet „e“ das frühe und „l“ das späte Photon. (Bild: Erhan Saglamyurek et al., Nature)

Die beiden Experimente der Gruppen von Nicolas Gisin an der Universität Genf und von Wolfgang Tittel an der University of Calgary ähnelten sich sehr und gingen von derselben Idee aus. Zunächst wurden die Photonen eines optischen Lasers durch spontane parametrische Abwärtskonversion in verschränkte Photonenpaare gespalten. Jedes Paar bestand aus einem langwelligen Photon mit einer Wellenlänge im Telekommunikationsbereich von 1,3 µm bzw. 1,5 µm, das durch einige zehn Meter Glasfaser weitgehend verlustfrei zu einem Detektor gelangte, und einem kurzwelligeren Photon. Letzteres wurde vorübergehend gespeichert und dann wieder emittiert, bevor es ebenfalls einen Detektor erreichte. Die Koinzidenzmessungen der Detektoren wurden ausgewertet und daraus der Grad der Verschränkung der Photonen ermittelt.

Bei ihrer Erzeugung durch das Laserlicht hatten die beiden Photonen eines Paares eine Energie-Zeit-Verschränkung. Die Entstehungszeit der beiden Photonen hatte eine Unbestimmtheit, die der Kohärenzzeit des Lasers entsprach. Die Forscher sorgten dafür, dass jedes Photon auf zwei verschiedenen Wegen mit geringfügig unterschiedlicher Länge zu seinem Detektor kommen konnte. Zeigten die beiden Detektoren die gleichzeitige Ankunft der Photonen an, so konnte es sich entweder um „früh“ entstandene Photonen handeln, die die langen Wege durchlaufen hatten, oder um „spät“ entstandene, die auf kurzem Weg zum Detektor gelangt waren. Da beide Möglichkeiten ununterscheidbar waren, war der Zustand des Photonenpaares eine Überlagerung von beiden: |f,f> + |s,s>. Die beiden Photonen waren also verschränkt.

Die anfängliche Verschränkung blieb erwartungsgemäß erhalten, wenn das kurzwelligere Photon nicht zwischengespeichert wurde. Das zeigten die Forscher dadurch, dass sie viele Photonenpaare detektierten, wobei sie die einzelnen Photonen vor ihrem Eintreffen beim Detektor auch in transformierte Zustände wie |f>+|s> oder |f>–|s> brachten. Es zeigte sich, dass die Photonen die Clauser-Horne-Shimony-Holt- oder CHSH-Ungleichung verletzten, woraus ihre Verschränkung folgte.

Dann speicherten die beiden Forschergruppen die kurzwelligen Photonen vorübergehend in einem dotierten Kristall, den sie geeignet präpariert hatten. Gisin und seine Kollegen nahmen Neodym-dotiertes Yttriumsilikat, die Forscher um Wolfgang Tittel verwendeten Thulium-dotiertes Lithiumniobat. In beiden Kristallen waren die Dotierungsatome durch frequenzmoduliertes Laserlicht so in magnetische Unterniveaus angeregt worden, dass sie einen atomaren Frequenzkamm bildeten. Das Anregungsprofil des Kristalls bestand jetzt aus vielen äquidistanten Frequenzen.

Trat nun das kurzwellige Photon in den Kristall ein, so hatten viele Atomen die Möglichkeit, es zu absorbieren. Es bildete sich ein Überlagerungszustand, bei dem die photonische Anregung auf viele Atome verteilt war. Die geringfügig unterschiedlichen Anregungsfrequenzen der Atome führten nach einer vorbestimmten Zeit von einigen Nanosekunden dazu, dass die atomaren Anregungen erneut in Phase waren. Daraufhin wurde das Photon wieder emittiert, verließ den Kristall und setzte seinen Weg zum Detektor fort.

Beide Forschergruppen konnten zeigen, dass die Photonenpaare auch nach Zwischenspeicherung eines Photons die CHSH-Ungleichung klar verletzten und somit verschränkt geblieben waren. Gisin und seine Kollegen hatten zusätzlich die Möglichkeit, den früh entstandenen Photonenanteil, der entsprechend früher beim Kristall ankam, länger zu speichern als den späten Photonenanteil, so dass beide nach ihrer Emission gleichauf waren und interferieren konnten. Sie konnten somit Zwischenzustände herstellen wie |Atom,f> + |s,s>, in denen die Qubits auf Atomen und Photonen sitzen. Diese hybriden Zustände könnte die man z. B. für eine Quantenverstärkung nutzen, um Verschränkungen schrittweise über größere Entfernungen zu übertragen.

Rainer Scharf

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