26.09.2016

Kristalle suchen mit KI

Maschinenlernprogramm ermöglicht rasche Bestimmung und Vorhersage von Kristallen.

Mit Methoden der künstlichen Intelligenz haben Chemiker der Universität Basel die Eigenschaften von rund zwei Millionen Kristallen berechnet, die aus vier verschiedenen chemischen Elementen zusammengesetzt sind. Dabei konnten die Forscher neunzig bisher unbekannte Kristalle identifizieren, die thermo­dynamisch stabil sind und als neuartige Werkstoffe in Betracht kommen.

Abb.: Die Matrix visualisiert die Bildungsenergie von rund zwei Millionen möglichen Verbindungen. Je nach Kombination der Elemente weisen sie einen hohen (rot) oder tiefen (blau) Energiewert auf. (Bild: U. Basel)

Elpasolith ist ein glasiges, transparentes, glänzendes und weiches Mineral mit kubischer Kristall­struktur. Erstmals entdeckt im El Paso County (USA), kann man es in den Rocky Mountains, in Virginia oder in den Apenninen finden. In experimentellen Daten­banken ist Elpasolith einer der häufigsten Kristalle, der aus vier verschiedenen chemischen Elementen besteht. Je nach ihrer Zusammen­setzung können Elpasolithe metallische Leiter, Halbleiter oder Isolatoren sein, und manchmal können sie auch Licht emittieren, wenn sie Strahlung ausgesetzt werden und andere Anwendungen. Aufgrund ihrer chemischen Komplexität ist es rechnerisch aber geradezu unmöglich, die Stabilität und Eigenschaften aller theoretisch denkbaren Kombinationen von vier Elementen in der Elpasolith­struktur quanten­mechanisch vorher­zusagen.

Dank moderner Methoden der künstlichen Intelligenz ist es Felix Faber, Doktorand in der Gruppe von Anatole von Lilienfeld am Departement der Chemie der Universität Basel, nun gelungen, dieses Materialdesign-Problem zu lösen. Dazu berechnete er zunächst die quanten­mechanische Vorhersagen von Tausenden von Elpasolith­kristallen mit zufällig ausgewählter chemischer Zusammensetzung. Die Resultate nutzte er, um statistische Machine-Learning-Modelle (ML-Modelle), zu trainieren. Die so verbesserte algorithmische Herangehens­weise erreichte eine prädiktive Genauigkeit, welche üblichen quanten­mechanischen Näherungen entspricht.

Die ML-Modelle haben den Vorteil, dass sie um viele Größen­ordnungen schneller sind als die entsprechenden quanten­mechanischen Berechnungen. Innerhalb eines Tages konnte das ML-Modell die Bildungs­energien – als Indikator für die chemische Stabilität – für alle zwei Millionen Elpasolith­kristalle vorhersagen, die man aus allen Haupt­gruppen­elementen des Perioden­systems der Elemente theoretisch erhalten kann. Für die entsprechenden quanten­mechanischen Berechnungen hätte hingegen ein Hochleistungs­rechner über 20 Millionen Rechen­stunden verbraucht.

Die Analyse der berechneten Eigenschaften hat zu neuen Erkenntnissen über diese Material­klasse geführt. Die Forscher konnten fundamentale Bindungs­trends aufdecken und unter den zwei Millionen Kristallen neunzig bisher unbekannte Kristalle identifizieren, die gemäß quanten­mechanischen Vorhersagen thermo­dynamisch stabil sind.

Aufgrund dieser potenziellen Eigenschaften wurden Elpasolithe in die Werkstoff­datenbank „Materials Project” aufgenommen, die eine zentrale Rolle innerhalb der Materials Genome Initiative spielt. Diese wurde 2011 von der US-amerikanischen Regierung lanciert, um mittels rechnerischer Unterstützung die Entdeckung und experimentelle Synthese neuartiger interessanter Materialien und Werkstoffe zu beschleunigen.

Einige der neu entdeckten Elpasolithkristalle weisen exotische elektronische Eigenschaften und ungewöhnliche Zusammensetzungen auf. „Die Kombination von künstlicher Intelligenz, Big Data, Quanten­mechanik und Hochleistungs­rechnen ermöglicht vielversprechende neue Wege, um unser Verständnis von Materialien zu vertiefen und um neue Materialien zu entdecken, die bloß mithilfe von menschlicher chemischer Intuition nicht in Erwägung gezogen worden wären”, kommentiert Studien­leiter von Lilienfeld die Ergebnisse.

U. Basel / DE

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