Kristallfehler verraten Alter von Staub
Analyse des Elektronenspins offenbart Defektzentren in Quarz.
Durch die globale Erwärmung und ein fortschreitend trockeneres Klima in vielen Teilen der Erde werden vermehrt Staubstürme ausgelöst. Um ihr Auftreten vorhersagen zu können, blicken Forschende in die Vergangenheit und wollen klären, woher der Staub bei früheren Stürmen kam, wie lange und über welche Entfernungen er transportiert wurde. Dazu hat ein Team unter der Leitung von Aditi K. Dave und Kathryn Fitzsimmons vom Fachbereich Geowissenschaften der Universität Tübingen gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Rumänien, Brasilien, Kasachstan und Tadschikistan eine neue Methode entwickelt. Sie beruht auf der Untersuchung von unregelmäßigen Stellen in der Kristallstruktur, den Defektzentren, des Minerals Quarz, das häufig in Sedimenten vorkommt.
Um den Ursprung des Quarzes im Staub nachzuvollziehen, konzentrierte sich das Forschungsteam auf die E1- und Peroxy-Defektzentren in der Kristallstruktur. Sie entstehen in einer Folge von Gitterbewegungen, nachdem ein Sauerstoffatom im Siliziumdioxid-Kristallgitter des Quarzes seinen regulären Platz verlassen hat und an eine freie Stelle gewandert ist. „Die Konzentration von E1'- und Peroxy-Defektzentren nimmt natürlicherweise mit dem Alter des quarzhaltigen Gesteins zu“, sagt Aditi Dave. Sobald das Quarzmineral aus dem Gestein abgetragen wird und Sedimente bildet, ändert sich bei den Defektzentren jedoch nichts mehr. Sedimente werden als Staub vom Wind über weite Strecken verfrachtet und schließlich als Löss abgelagert.
Die E1'- und Peroxy-Defektzentren besitzen ein einziges Elektron, sie sind paramagnetisch. Daher kann das Forschungsteam die Elektronenspinresonanzspektroskopie nutzen, um die Anzahl dieser Defektzentren im Quarz zu messen. „Unsere Methode stellt ein wesentlich einfacheres Messprotokoll dar als andere verfügbare Methoden, um sozusagen einen Fingerabdruck eines Sediments zu erstellen“, sagt Dave. „Die stabilen Eigenschaften des Quarzes nutzen wir, um anhand des unterschiedlichen Alters möglicher Ausgangsgesteine herauszufinden, woher die Quarzkörner stammen.“ Kathryn Fitzsimmons setzt hinzu: „Ein Vorteil dieser Methode ist, dass Quarz in der Natur allgegenwärtig ist und nicht durch Verwitterung beeinträchtigt wird. So lässt sie sich auf Sedimente aus verschiedenen Ablagerungssystemen anwenden.“
Das Forschungsteam testete seine Methode an Lössproben aus dem Ili-Becken in Kasachstan und der Tadschikischen Senke in Tadschikistan. Es war bekannt, dass der Staub an diesen Orten aus unterschiedlichen Quellen und von Gesteinen unterschiedlichen Alters stammt. „Mit unserer Methode ließen sich die Sedimente aus diesen beiden Becken in Zentralasien eindeutig unterscheiden“, sagt Aditi Dave. Sedimente gelten als Archive vergangener Klimaänderungen. „Die Methode stellt eine wichtige Ergänzung dar, um frühere Sedimenttransporte zu untersuchen und mehr über das frühere Klima zu erfahren. Daraus gewinnen wir Hinweise, wie sich Landschaften heute im Klimawandel verändern könnten“, fügt Kathryn Fitzsimmons hinzu.
U. Tübingen / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. K. Dave et al.: A Novel Proxy for Tracking the Provenance of Dust Based on Paired E1’-Peroxy Paramagnetic Defect Centers in Fine-Grained Quartz, Geophys. Res. Lett. 49, e2021GL095007 (2022); DOI: 10.1029/2021GL095007 - Terrestrische Sedimentologie, Angewandte Geowissenschaften, Universität Tübingen