28.06.2022

Kristallfehler verraten Alter von Staub

Analyse des Elektronenspins offenbart Defektzentren in Quarz.

Durch die globale Erwärmung und ein fortschreitend trockeneres Klima in vielen Teilen der Erde werden vermehrt Staubstürme ausgelöst. Um ihr Auftreten vorhersagen zu können, blicken Forschende in die Vergangen­heit und wollen klären, woher der Staub bei früheren Stürmen kam, wie lange und über welche Entfernungen er transportiert wurde. Dazu hat ein Team unter der Leitung von Aditi K. Dave und Kathryn Fitzsimmons vom Fachbereich Geowissen­schaften der Universität Tübingen gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Rumänien, Brasilien, Kasachstan und Tadschi­kistan eine neue Methode entwickelt. Sie beruht auf der Untersuchung von unregel­mäßigen Stellen in der Kristall­struktur, den Defekt­zentren, des Minerals Quarz, das häufig in Sedimenten vorkommt. 

Abb.: Staub­ablagerungen, auch Löss genannt, in einem Bodenprofil in...
Abb.: Staub­ablagerungen, auch Löss genannt, in einem Bodenprofil in Tad­schikistan mit alternierend hellen und dunklen Bändern. (Bild: A. K. Dave, U. Tübingen)

Um den Ursprung des Quarzes im Staub nachzuvollziehen, konzen­trierte sich das Forschungsteam auf die E1- und Peroxy-Defektzentren in der Kristall­struktur. Sie entstehen in einer Folge von Gitter­bewegungen, nachdem ein Sauerstoffatom im Silizium­dioxid-Kristallgitter des Quarzes seinen regulären Platz verlassen hat und an eine freie Stelle gewandert ist. „Die Konzen­tration von E1'- und Peroxy-Defekt­zentren nimmt natürlicherweise mit dem Alter des quarz­haltigen Gesteins zu“, sagt Aditi Dave. Sobald das Quarzmineral aus dem Gestein abgetragen wird und Sedimente bildet, ändert sich bei den Defekt­zentren jedoch nichts mehr. Sedimente werden als Staub vom Wind über weite Strecken verfrachtet und schließlich als Löss abgelagert. 

Die E1'- und Peroxy-Defektzentren besitzen ein einziges Elektron, sie sind para­magnetisch. Daher kann das Forschungsteam die Elektronen­spinresonanz­spektroskopie nutzen, um die Anzahl dieser Defektzentren im Quarz zu messen. „Unsere Methode stellt ein wesentlich einfacheres Messprotokoll dar als andere verfügbare Methoden, um sozusagen einen Finger­abdruck eines Sediments zu erstellen“, sagt Dave. „Die stabilen Eigen­schaften des Quarzes nutzen wir, um anhand des unterschiedlichen Alters möglicher Ausgangs­gesteine herauszufinden, woher die Quarzkörner stammen.“ Kathryn Fitzsimmons setzt hinzu: „Ein Vorteil dieser Methode ist, dass Quarz in der Natur allgegenwärtig ist und nicht durch Verwitterung beein­trächtigt wird. So lässt sie sich auf Sedimente aus verschiedenen Ablagerungssystemen anwenden.“

Das Forschungsteam testete seine Methode an Lössproben aus dem Ili-Becken in Kasachstan und der Tadschi­kischen Senke in Tadschi­kistan. Es war bekannt, dass der Staub an diesen Orten aus unter­schiedlichen Quellen und von Gesteinen unter­schiedlichen Alters stammt. „Mit unserer Methode ließen sich die Sedimente aus diesen beiden Becken in Zentral­asien eindeutig unterscheiden“, sagt Aditi Dave. Sedimente gelten als Archive vergangener Klima­änderungen. „Die Methode stellt eine wichtige Ergänzung dar, um frühere Sediment­transporte zu untersuchen und mehr über das frühere Klima zu erfahren. Daraus gewinnen wir Hinweise, wie sich Land­schaften heute im Klima­wandel verändern könnten“, fügt Kathryn Fitzsimmons hinzu.

U. Tübingen / JOL

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